Nur wenn Wasserstoff (H2) schnell und einfach zu den Abnehmern transportiert werden kann – für den Prozesswärme- und Heizungseinsatz am wirtschaftlichsten durch das bestehende Erdgasnetz –, wird sich ein echter Markt entwickeln können. Das Projekt „H2HoWi“ untersucht im deutschlandweit ersten realen Test diese erhoffte Option. Und welchen Aufwand es erfordert, Wärmeerzeuger sowohl erdgas- als auch wasserstofftauglich zu gestalten.
Alles auch wasserstoffdicht?
„H2HoWi“: Grüner Wasserstoff aus Erdgasleitungen heizt Büros
Mittwoch, 15.02.2023
Dort, wo eine Elektrifizierung technisch oder wirtschaftlich nicht sinnvoll ist, kann Wasserstoff sowohl in seiner reinen Form als Energieträger als auch als Stromspeicher eine Lösung sein. Für den Hochlauf einer H2-Wirtschaft wird es deshalb besonders auf die Infrastruktur ankommen. Eine Analyse der Prozesswärme-Kunden von Westenergie, einer E.ON-Tochter, hat gezeigt, dass etwa 70 Prozent der bereitgestellten Prozesswärme nicht zu elektrifizieren sind. Wasserstoff zur Dekarbonisierung dürfte vor allem in der Chemie-, Zement- und Stahlindustrie eine Alternative zu Erdgas und Öl sein, aber auch für schlecht gedämmte Bestandsgebäude – wenn der Preis stimmt. Der hängt unter anderem von den Investitionen in eine angepasste Netzinfrastruktur ab. Sollte sich das existierende Erdgasnetz mit geringem Aufwand H2-tauglich umrüsten lassen, käme das natürlich dem Hochlauf entgegen: In Deutschlands Grund stecken mehr als 550.000 km Gasrohre. Die versorgen rund 1,6 Millionen Gewerbe- und Industriekunden sowie mehr als 31 Millionen Menschen mit Energie. Dieses Kapital könnte der Energiewende zugutekommen, wenn es sich für den Wasserstofftransport nutzen ließe.
In dem Projekt „H2HoWi“ stellt deshalb Westenergie deutschlandweit zum ersten Mal eine bestehende Erdgasleitung der öffentlichen Gasversorgung, inklusive aller Netzkomponenten sowie aller Endgeräte, auf reinen Wasserstoff um. Dazu trennte der Netzbetreiber in Holzwickede bei Dortmund eine vorhandene Mitteldruck-Erdgasleitung vom Erdgasnetz und schloss sie an einen Wasserstoffspeicher an. Die erste Stufe des Konzepts, gestartet Anfang 2022, besteht in der Beschickung von vier Gewerbekunden, die das H2 zur Beheizung des Bürogebäudes einsetzen. Diese Phase läuft bis 2024. Sollte der Testbetrieb erfolgreich sein, würde in Stufe 2 statt des H2-Tanks als Quelle ab 2025 ein Elektrolyseur mit Strom aus einer zu errichtenden PV-Anlage grünen Wasserstoff generieren und in das Netz einspeisen.
Speicher der Zukunft
Bislang gibt es in Deutschland eine technische Norm, die eine Beimischung von Wasserstoff in das Erdgasnetz auf höchstens zehn Prozent beschränkt. Einzelne Testversuche haben indes bereits eine höhere Beimischung erprobt. Mit dem jetzt gestarteten Piloten überprüft die E.ON-Tochter, ob die bestehende Infrastruktur für reinen Wasserstoff umgewidmet werden kann. „Durch die Umwandlung von Grünstrom in Wasserstoff kann regenerativ erzeugte Energie in Gasnetzen gespeichert werden. Die Gasnetze können so zum Speicher der Zukunft werden. E.ON hat sich zum Ziel gesetzt, in den Verteilnetzen grüne Gase zum Erdgas beizumischen und bei Bedarf eine Versorgung mit 100 Prozent Wasserstoff anzubieten“, betonte E.ON-Netzvorstand Thomas König bei der Vorstellung des Programms.
Die Arbeiten begannen mit der Verlegung einer neuen Erdgastrasse neben der bestehenden Leitung, durch die Wasserstoff fließen soll. Dieser Schritt war notwendig, um andere Kundinnen und Kunden weiterhin mit Erdgas zu versorgen. Es schlossen sich die Installation des H2-Speichers, einer Gasdruckregel- sowie einer Mess- und Odorieranlage für Wasserstoff an. Außerdem hob das Monteurteam Permeationsschächte aus und setzte Permeationsmesszellen rund um die spätere Wasserstoffleitung. Mithilfe der Technik überwacht Westnetz kontinuierlich das Material der Leitung während der Umstellung auf das Grüngas. Die wissenschaftliche Begleitung will bestätigen, dass der Wasserstoff auf das Rohrmaterialgefüge und die Dichtheit der vorhandenen Infrastruktur keinen Einfluss nimmt. Ebenfalls will das Projekt die rechtlichen Hemmnisse einer Umstellung auf Wasserstoff aufzeigen.
Gute Ergebnisse aus Holland
Bei den Kunden Gatter 3 Technik GmbH, Reisner Cooling Solutions GmbH und Fritz Ostermann GmbH (seifomat) hängen Gas-Brennwert-Wärmeerzeuger des Typs „Hydra“ auf Basis von 100 Prozent Wasserstoff der Remeha GmbH. Remeha hat den weltweit ersten Wasserstoff-Brennwertkessel für Wohngebäude im Kompetenzzentrum für Forschung und Entwicklung der BDR Thermea Group in Italien entwickelt. Er ist seit Sommer 2019 im niederländischen Rozenburg nahe Rotterdam unter realen Bedingungen im Einsatz, um repräsentative Daten zu sammeln. Von größeren Problemen ist bisher nicht die Rede.
Weiterführende Informationen: https://news.westenergie.de/erstmals-100-prozent-wasserstoff-im-deutschen-erdgasnetz
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