In Dobbertin, 50 km östlich von Schwerin, steht die Klosteramtsscheune. Über Jahrhunderte hat sie viele unterschiedliche Funktionen gehabt.
Alles Gute kommt von unten
Spannende Sanierung eines historischen Gebäudes
Freitag, 28.10.2022
Heute wird das beeindruckende Gebäude mit klimaneutraler Erdwärme versorgt.
Sie hat alles gesehen: 1816 als Holzmagazin erbaut. Bis 1936 als Lagerhaus genutzt. Ab 1938 Jugendherberge, Institut für Lehrerbildung, „HJ“-Gebietsführerschule und Wehrertüchtigungslager für die Nationalsozialisten. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs ziehen in dem historischen Gebäude kurzzeitig auch Geflüchtete und Aussiedler ein. Danach schult die SED bis 1989 hier Agitatoren und Pionierleiter. Nach der politischen Wende 1989 wird der mächtige, dreigeschossige Bau mit seinem markanten Dach bis 1998 zum Altersheim, ab 2000 übernimmt es die Diakoniewerk Kloster Dobbertin gGmbH als Wohnheim. Dann stand das Gebäude seit 2016 leer. Jetzt wird es mitsamt Nebengebäuden zu einer integrativen, gemeinschaftlichen Wohnanlage mit 52 Mietwohnungen mit jeweils ein bis drei Zimmern umgebaut.
Das mehr als 200 Jahre alte Gebäude soll sich in Zukunft zu einem großen Teil mit erneuerbaren Energien selbst versorgen. Das war Ingenieur Alexander Straub besonders wichtig: „Auch wenn das im Fall eines alten Fachwerkgebäudes mit dem entsprechenden Dämmstandard einiges an Hirnschmalz und Ingenieurskunst erfordert.“ Mit seinem Unternehmen Material Machines GmbH ist er nicht nur Investor, sondern übernimmt auch die Anlagenplanung für die Stromversorgung.
CO2-frei in die Zukunft
Zwei Photovoltaikanlagen auf den Nebengebäuden mit zusammen 150 kWp bilden das Rückgrat einer weitgehend autarken Energieversorgung. Die Energie für die Heizung liefert ein Erdwärmesystem von GeoCollect in Verbindung mit einer Kaskaden-Wärmepumpenanlage (150 kW) von Viessmann: 1.800 Erdkollektoren speisen die Wärmepumpen mit oberflächennaher Erdwärme.
Dazu wurde neben dem 76 m langen Bauwerk eine 2,50 m tiefe Baugrube ausgehoben. Auf zwei Ebenen stehen die Erdwärmekollektoren in 180 Strängen je zwölf Einheiten übereinander. „Diese Art der Anordnung erfordert zwar zehn Prozent mehr Kollektoren, ist bei einer sehr hohen spezifischen Entzugsleistung von über 200 W/m² aus dem Erdreich besonders flächensparend“, so Volkmar Frotscher, Vertriebsleiter von GeoCollect.
Möglich ist dies durch die Form der Kollektoren aus Kunststoff: Deren wellenförmige Oberfläche vergrößert die Kontaktfläche zum Erdreich. Innen verwirbeln besondere Tubulatoren die Wärmeträgerflüssigkeit, die auf ihrem Weg durch die hintereinander montierten Kollektoren so viel Wärme aus dem Boden aufnimmt. „Ein GeoCollect-Erdwärmesystem benötigt auf dem Grundstück nur ein Drittel der Fläche, die im Gebäude beheizt wird. Bei zwei Ebenen, wie hier in Dobbertin, ist es lediglich ein Fünftel der beheizten Fläche“, betont Frotscher. Das mache die umweltfreundliche Erdwärmenutzung erst möglich. Einfache Kunststoffrohre würden etwa zwölf Mal mehr Fläche in Anspruch nehmen. „Das hätte hier nicht gepasst“, unterstreicht er.
Um die Erdkollektoren sauber vor Ort per PP-Kunststoffschweißen miteinander zu verbinden, bauten sich die Monteure eine einfache aber effektive Produktionsstraße. Zwei Personen verbinden pro Tag rund 240 Kollektoren zu jeweils einem Strang je zehn Kollektoren. Zwölf dieser Stränge werden dann in der Baugrube zu einer Gruppe zusammengefasst, so dass jeder Strang der Gruppe automatisch den gleichen Durchfluss bekommt (Tichelmann-Verschaltung). 15 dieser Gruppen je zwölf Stränge werden dann mit einem PP-Rohr von 40 mm Durchmesser an einen Verteilerschacht mit den Vor- und Rücklaufleitungen zu den beiden Erdwärmepumpen angebunden. Inklusive Aushub, Einschlämmen und Verfüllen der Baugrube wurde die Anlage in nur 14 Tagen errichtet.
Die Stränge stehen senkrecht in 70 cm Abstand zueinander, um einen optimalen Wärmeentzug zu erreichen. Nach dem Anschließen und der Druckprüfung wurde der Zwischenraum mit Sand verfüllt, eingeschlämmt und vorsichtig verdichtet, bevor die obere Kollektorebene eingebaut wurde. Später wird die Fläche als Terrasse genutzt.
Weiterführende Informationen: https://www.geocollect.de/
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