60er-Jahre – Am Anfang stand der Sechstagekrieg
Der 5. Juni 1967. Die ägyptische Armee steht vor einem Desaster. Israel wusste, dass die zahlreichen Nadel- und Nagelstiche der Länder der Arabischen Liga gegen den verhassten Nachbarn ohnehin nur die Vorboten einer unausweichlichen militärischen Auseinandersetzung sind. Syriens Präsident etwa hatte einen baldigen „totalen Krieg ohne Einschränkungen“ angekündigt. Das Fass zum Überlaufen brachte der ein Jahr zuvor in Jordanien gestartete Headwater Diversion Plan, der zwei der drei Quellflüsse des Jordans umleiten und quasi das Jesusland trockenlegen sollte. Als einige Monate darauf der ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser die Engstelle am Ausgang des Golfs von Akaba, die israelische Zufahrt zum Roten Meer und damit zu den Weltmeeren, blockiert, entscheidet sich der 1995 ermordete Präsident Jitzchak Rabin für den Präventivschlag. Ohne jede Vorwarnung fliegt die israelische Luftwaffe einen Überraschungsangriff, zerstört binnen weniger Stunden beinahe die gesamte ägyptische Luftflotte nebst den Start- und Landebahnen. Im Norden nimmt das Militär die Golanhöhen ein. Damit sind alle feindlichen Linien durchbrochen und die Armee steht vor dem Einmarsch in Kairo, Amman und Damaskus. Die Arabische Liga unterzeichnet daraufhin nach sechs Tagen, am 11. Juni 1967, ein Waffenstillstandsabkommen.
Der Ausgang des Krieges beeinflusst die Geopolitik der Region bis zum heutigen Tag – und die vergangene, gegenwärtige und zukünftige deutsche und europäische Heizungstechnik.
70er-Jahre – Zwei Ölkrisen
Denn die Niederlage in jenem Jahr, als das HeizungsJournal noch in den Windeln lag, befriedete bekanntermaßen nicht Nahost. Im Gegenteil. Syrien und Ägypten rüsteten zum Gegenschlag auf, unterstützt unter anderem von Saudi-Arabien, zogen aber im Jom-Kippur-Krieg 1973, sechs Jahre später, erneut den Kürzeren. Vor allem Saudi-Arabien gedachte deshalb, Israels Verbündete, die USA und zahlreiche sympathisierende europäische Länder, mit einem Ölembargo unter Druck zu setzen. Die arabische Fraktion in der Organisation Erdöl Exportierender Länder (OPEC) schloss sich dem Embargo an. Die Exporteure drosselten die Förderung. Im Verlauf der nächsten Monate stieg daraufhin der Ölpreis von rund drei US-Dollar pro Barrel (ca. 160 l) auf über zwölf Dollar. Konkret nahmen am Embargo Algerien, Irak, Katar, Kuwait, Libyen, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate teil. Doch taten die sich damit keinen Gefallen. Ihre Strafaktion demonstrierte lediglich den Industriestaaten ihre Abhängigkeit von fossiler Energie und stabilen politischen Verhältnissen in den Förderländern. Einen Garantieschein für eine sichere Energieversorgung hielten die Importländer damit nicht in der Hand.
Man erinnere sich: Die Bundesrepublik reagierte auf diese erste Ölkrise 1973 mit dem Energiesicherungsgesetz. Das beinhaltete unter anderem ein allgemeines Fahrverbot an vier Sonntagen, beginnend mit dem 25. November 1973, sowie eine sechsmonatige generelle Geschwindigkeitsbegrenzung mit Tempo 100 auf Autobahnen, ansonsten 80 km/h. Die Maßnahmen hatten weniger das Einsparen von Öl zum Ziel, vielmehr sollten sie der Bevölkerung den Ernst der Situation nahe bringen. Doch tat natürlich auch die Eskalation der Ölpreise der Gesellschaft weh. 1974 musste die BRD 17 Mrd. DM mehr für die Importe bezahlen als im Jahr zuvor. Das verstärkte die Wirtschaftskrise und führte zu einem deutlichen Anstieg von Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit, Sozialausgaben und Insolvenzen von Unternehmen. Das Bundeswirtschaftsministerium legte die Kampagne „Energie sparen – unsere beste Energiequelle“ auf. Aus Sorge um einen drastischen Rückgang der Urlauber gab Italien Benzingutscheine aus, mit denen subventioniertes Benzin bezogen werden konnte. Und Europa beschloss, abends bereits im Hellen ins Bett zu gehen, also mit dem Lampenlicht zu haushalten: Die Staatengemeinschaft führte die Sommerzeit ein.
Die deutschen Reaktionen
Im Wesentlichen sollten sechs Initiativen die Abhängigkeit von Öl reduzieren:
- Alternative Treibstoffe wie Pflanzenöl und Biodiesel kamen in die Diskussion.
- Regierung und Energiewirtschaft legten Pläne zum Ausbau der Kernenergie vor.
- Müllverbrennung für den Fernwärmemarkt.
- Förderung regenerativer Energiequellen, wie beispielsweise die Solarthermie. Bundesweit befassten sich namhafte Unternehmen wie auch neue Marktteilnehmer damit. Man experimentierte und verkaufte alles Mögliche, bis hin zu gläsernen Dach-Hohlziegeln mit einem Warmluftpolster, die bei zu viel Sonne leider reihenweise platzten. Viele Firmengründungen mit irgendwelchen Patenten. Sie stiegen reihenweise auf, um wieder spurlos zu verschwinden.
- Bonn, damals Sitz der Bundesregierung, appellierte, in die Wärmedämmung der Gebäude zu investieren und kündigte ein entsprechendes Gesetz/Verordnung an.
- Ebenfalls stand auf der Agenda der Vorhaben zur Erhöhung der Versorgungssicherheit die Förderung von Forschung und Entwicklung zur Effizienzsteigerung von Verbrennungsmotoren und Heizgeräten.
Sprechen wir nicht davon, dass siebtens in einigen westlichen Staaten als Folge der Krise 1973 militärische Optionen gegen Saudi-Arabien und Kuwait erwogen wurden. In einem an die Öffentlichkeit gelangten Geheimplan der britischen und amerikanischen Regierung stand wortwörtlich: „Es ist daran gedacht, von amerikanischer Seite aus Luftwaffe in Saudi-Arabien und Kuwait einzusetzen, um die Ölquellen zu besetzen. Großbritannien wird sich um Abu Dhabi kümmern.“
Die zweite Ölkrise 1979/80 als Folge unter anderem des Einmarschs des Irak in den Iran und damit verbunden einigen brennenden und brach liegenden Ölfeldern bekräftigte der westlichen Welt eigentlich nur die Richtigkeit ihrer Anstrengungen in der Suche nach Alternativen zum arabischen Öl. Die Alternativen schwappten im Prinzip vor der heimischen Haustür: Erdgas, Umweltenergie und Biomasse.
Eine Veröffentlichung rüttelt wach
Der kurze Rückblick in die politische Situation in Nahost in den 1960er- und 70er-Jahren und die skizzierten Folgen der Konfrontationen will nicht behaupten, dass wir ohne erste und zweite Ölkrise heute keine Wärmepumpen, Brennwerttechnik, Blockheizkraftwerke, Photovoltaik-, Wind- und Biomasseanlagen hätten. Will nicht behaupten, dass der durchschnittliche Primärenergiebedarf 2016 statt heute etwa 60 kWh/m2·a nach wie vor bei 270 kWh/m2·a für Neubauten des Jahres 1965 läge, beziehungsweise beim Durchschnitt von 300 kWh/m2·a wegen der 345 kWh/m2·a des Altbestands. Die drohende Verknappung des Erdöls hätte in jedem Fall zu ähnlichen Handlungen geführt; der Nahostkonflikt hat lediglich die Schritte in Richtung mehr Unabhängigkeit beschleunigt.
Beflügelt natürlich auch von der Sorge von Themen wie Saurer Regen, Umwelt und Nachhaltigkeit, die die Öffentlichkeit seit den 70er-Jahren diskutiert:
1972: Der Club of Rome veröffentlicht in Buchform die Thesen „Die Grenzen des Wachstums“. Aurelio Peccei, damaliges Mitglied der Firmenleitungen von Fiat und Olivetti, sowie der Schotte Alexander King, Direktor für Wissenschaft, Technologie und Erziehung bei der Pariser OECD, der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, erkannten unter anderem, dass eine wünschenswerte Wohlstandsentwicklung nicht mit einem zunehmenden Ressourcenverbrauch einhergehen darf. Es muss gelingen, die Wohlstandsentwicklung vom Ressourcenverbrauch abzukoppeln, weil eine schnelle Aufzehrung von Roh- und Grundstoffen selbstverständlich irgendwann kein Wachstum mehr zulässt. Die Parallelität ziehe naturbedingt Grenzen. Es gelang ihnen 1968 in Rom, eine Konferenz zu Zukunftsproblemen der Menschheit zu organisieren, beziehungsweise diese Themen zu problematisieren und Wissenschaftlern verschiedenster Disziplinen aus 30 Ländern mit dem im Anschluss an die Konferenz gegründeten Club of Rome ein gemeinsames Podium zu geben.
„Die Grenzen des Wachstums“ erlangten weltweite Beachtung. Die Gesellschaft horchte auf. Die internationalen und nationalen Publikums- und Fachmedien kommentierten und diskutierten die Thesen in einer Zeit, als sich das Wirtschaftswunderland Deutschland gerade üppig entfaltete. Vielleicht beschlich aber gerade wegen dieses steilen Anstiegs der Wohlstandskurve einige führende Wirtschaftler und Wissenschaftler ein Unbehagen in Bezug auf die Perspektive: Die Blütezeit kann doch nicht ewig anhalten. Die Thesen des Club of Rome fielen auf fruchtbaren Boden. Nebenbei: Seit 2012 ist einer seiner Vorsitzenden Ernst Ulrich von Weizäcker, ehedem Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie und Direktor des UNO-Zentrums für Wissenschaft und Technologie in New York. Eine seiner bekannten Veröffentlichungen (erschienen 1997) „Faktor 4. Doppelter Wohlstand – halbierter Naturverbrauch“, zeichnet den Weg auf, der Komfortwünsche und Umweltpflichten in Einklang bringt.
Der Blick vom Mond
Die heutigen Umwelt-Schlagworte CO2-Emission und Klimawandel beunruhigten die Bevölkerung gegen Ende der 60er-Jahre aber noch nicht. Zwar lagen bereits wissenschaftliche Berichte vor, die von einem bereits vollzogenen, globalen Temperaturanstieg sprachen und daran dem erhöhten CO2-Gehalt in der Erdatmosphäre mit Erfindung der Dampfmaschine um 1800 Schuld gaben, aber die Thesen, Hypothesen und Antithesen verblieben zunächst im akademischen Raum. Das änderte sich, als Neil Amstrong 1969 als erster Mensch den Mond betrat und er und die Wissenschaft die Erde als fragiles Ganzes von außen sahen. Beinahe schlagartig war der Globus nicht mehr stabiler Teil des Universums, sondern im Universum ein auserwählter Platz für die Menschheit, den sie sich wohnenswert zu erhalten hat. Die Physiker finden heraus, dass die Ozeane nicht mehr in der Lage sind, die wachsenden anthropogenen Kohlendioxidwolken abzuspeichern. Die Umweltbewegung gewinnt an Einfluss. Eine erste Besorgnis über vermehrte weltweite Umweltschäden macht sich breit.
Die Heizungstechnik befindet sich systemtechnisch gerade in der Umstrukturierung von der Schwerkraft-Kohleheizung zur geschlossenen Pumpenwarmwasserheizung. Mit einem bis dato unbekanntem Membrandruck-Ausdehnungsgefäß und mit Heizöl als Brennstoff.
Der Wohnungsneubau beträgt an der Wende der 60er- zu den 70er-Jahren jährlich zwischen 500.000 und 600.000 Einheiten. Er erreicht 1973 die Höchstmarke mit 714.000 Wohnungen. Die umfangreiche Bautätigkeit resultiert aus der Kriegsfolgen bedingten extremen Wohnungsnot, dem Anstieg des Wohlstandsniveaus sowie den hohen staatlichen Subventionen für den Wohnungsneubau. Die Heizungstechnik hat mithin zu tun, den Bedarf zu decken. In den Entwicklungsabteilungen der Industrieunternehmen steht nicht die Effizienz an erster Stelle – weit vorne schon, aber nicht auf Platz eins –, der Markt fragt mehr nach preiswerten und kompakten Einheiten: Der Stahlkessel rüstet zum Wettbewerb mit seinen klassischen gusseisernen Vorläufern.
Am Anfang war Strebel
Für ihn, den Gussgliederkessel, hatte Ende des 19. Jahrhunderts das Strebelwerk in Mannheim die Patente erhalten. Die Marke Strebel erlangte in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts Weltruf. Die Feuerung galt als der „Mercedes unter den Heizkesseln“. Mannheim mit den Niederlassungen in Polen, Tschechien, Italien, Ungarn gedieh mit 7.000 Mitarbeitern zur größten deutschen Spezialfabrik für Gliederheizkessel – und ging 1974 in Konkurs. Doch gestattete das damalige Konkursrecht, ausländische Töchter nicht mit einzubeziehen, sodass der Name bis heute erhalten blieb.
Ein ähnliches Schicksal – steiler Aufstieg und tiefer Fall – ereilte die Krupp Kesselwerk GmbH in Berlin. Nachdem die Besatzungsmächte nach Ende des Krieges den Krupp-Konzern in Forschung und Entwicklung einschränkten, versorgten sich die Stahlbauer mit der Kessellizenz des Liechtensteiner Anbieters Hoval und bauten und vertrieben deren Heizungen unter eigenem Namen. Das Geschäft mit der Lizenz florierte von 1955 bis 1971. Dann erlosch die Vereinbarung. Hoval betrat eigenständig den deutschen Markt. Die Stahlkocher aus dem Ruhrgebiet machten in Berlin noch einige Jahre weiter, holten dann aber die Flagge herunter. Man munkelt, vornehmlich sei die Tonnenideologie der Verursacher des Abstiegs gewesen: Die Provisionen im Kesselverkauf richteten sich nicht nach der Stückzahl. Die alleinige Bemessungsgröße war das verkaufte Gewicht. Eine Tonne Kessel entsprach je nach Größe eine, zwei oder auch nur eine halbe Einheit. Ende der 70er-Jahre halbierte sich jedoch der Neubaumarkt, mit Überkapazitäten in der Kesselproduktion im Gefolge und mit einem Wechsel vom Verteilungsmarkt zum Verkaufsmarkt. Man hätte sich für eine Tonne Heizkessel aus seinem Bürosessel erheben müssen; für 10 Tonnen Kruppstahl (noch) nicht …
Doch auch weitere namhafte Unternehmen mit Tradition zur Kinder- und Jugendzeit des HeizungsJournals strichen mit dem Rückgang im Wohnungsneubau, mit dem Aufkommen der Gasfeuerungen, mit dem Trend zu Units, die letztlich verlangen, dass Kessel und Brenner aus einer Hand kommen, die Flagge. Der härtere Wettbewerb und zu wenig Geld für Forschung und Entwicklung zwangen wieder einige, sich in andere Bereiche des Maschinenbaus und der Verfahrenstechnik umzustrukturieren oder sie ließen sich kaufen oder konzentrieren sich heute auf eine Nische.
1977 stellte die vormals große amerikanische Ideal Standard die Wärmeerzeugerproduktion in der Bundesrepublik ein, führte allerdings den Betrieb in der DDR als Heizkesselwerk Schönebeck weiter. Gasgerätespezialist Vaillant kaufte das Hildener Unternehmen Rheinstahl und gliederte es ein. Mit Strebel, Rheinstahl und Ideal Standard schieden mithin Mitte der 70er-Jahre drei bedeutende Anbieter aus dem Wettbewerb aus.
Erhebliche Auflösungserscheinungen
Die zweite Liga trafen selbstverständlich der Konjunktureinbruch und das rückläufige Neubaugeschäft genauso hart. Nicht unbedingt gleich im Jahrzehnt der Wirtschafts- und Energiekrisen, aber doch schon damals angeschlagen. Körting, Mittelmann+Stephan, die deutsche Seite der Frölings – die österreichische Seite agiert nach wie vor erfolgreich am Markt –, SBS, Interdomo machten zu oder gingen in Konzernen und großen Familienunternehmen der Branche auf oder schlossen sich für mehr Stärke zu Gruppen zusammen. Bekannteste Beispiele dafür sind die Eingliederung von Buderus in den Bosch-Konzern – Buderus spielte davor selbstredend in Liga 1 – Velta in Uponor, der Zusammenschluss von Purmo, Radson, Myson, Finimetal, Vogel & Noot, Hewing und andere zur finnischen Rettig-Gruppe oder De Dietrich, Brötje, Baxi, Remeha zu BDR-Thermea.
Der Verschleiß im Wettbewerb der Systeme, der Werkstoffe, der Brennstoffe, der wand- und bodenstehenden Modelle in einem Umfeld, das Mitte der 70er-Jahre am tiefsten Punkt nur noch 500.000 Einheiten verlangte – und sich damit gegenüber den Hochzeiten halbierte – ging, wie gesagt, bei nicht wenigen über die Substanz hinaus. Wer nicht in den Vorzeiten großzügig in den Vertrieb investiert hatte, wie etwa Vaillant und Viessmann, der musste einknicken oder einen Teil seiner Selbstständigkeit aufgeben. Vaillant dagegen feierte 1974 bei moderater Gesundheit sein hundertstes Bestehen. Und Hans Viessmann überschritt 1969 erstmals die 100-Mio.-DM-Grenze, hatte von Ende der 50er-Jahre bis 1970 den Jahresabsatz an Heizkesseln auf rund 60.000 Einheiten vervierzehnfacht und war dabei, zum Marktführer aufzusteigen. Sein Erfolgsrezept bestand unter anderem in der Zusammenarbeit mit in- und ausländischen Hochschulen, wie etwa die RWTH Aachen, die Universität Gießen, die TU München oder die Philipps-Universität Marburg, um, wie er sagte, „die Errungenschaften der universitären Forschung in meine Produkte einfließen zu lassen“. Die Verbindung machte sich bezahlt.
Korrosionen durch Systemwandel
Ende der 70er-Jahre musste die gesamte Heizungsindustrie mit einer üblen Erscheinung namens Korrosion fertig werden. Die hatten ihr zwei neue Trends beschert, nämlich der zum Stahlkessel und der zur Fußbodenheizung. Deren Durchbruch vollzog sich seit Jahren in nicht erahnter Geschwindigkeit. Komfort- und Behaglichkeitsansprüche ebneten vor allem der Niedertemperatur-Flächenheizung die Nachfrage: Freiheit in der Raumgestaltung, keine Luftverwirbelung, barfuß durchs Haus im Winter. Die Rohre im Boden bestanden überwiegend aus vernetztem Polyethylen, wärmefest gemacht nach dem Verfahren von Thomas Engel. Der hatte es 1968 zum Patent angemeldet. Die Vorteile drängten sich auf: Flexibel, verlegefreundlich, temperatur- und druckstabil; Engels Patent trug erheblich zur Akzeptanz der Fußbodenheizung bei. Nur verschob es leider eine Schwäche der üblicherweise verwendeten Metallrohre in den Kessel hinein, nämlich die Korrosionsanfälligkeit bei Anwesenheit von Sauerstoff. Das Engel-Verfahren machte die Rohre zwar wärmefest, aber nicht sauerstoffdicht.
Die Attacken überraschten, weil mit der Einführung der geschlossenen Heizungssysteme mit dem neuen Baustein Umwälzpumpe statt Schwerkraft eigentlich kein Sauerstoff in den Kreislauf gelangen sollte. Über die ungesperrten Kunststoffrohre im Fußboden öffnete sich dem jedoch ein neuer Weg. Die Schuld an der Korrosion schoben sich Handwerker und Industrie gegenseitig zu.
Hans Viessmann gestand später ein, allein mit seinem Ausspruch in einem Interview „Wer den Sauerstoff in den Kreislauf bringt, soll ihn auch wieder raus bringen“ – und damit meinte er den Heizungsbauer – mindestens 30 Mio. DM verloren zu haben. Seine Kunden verübelten ihm die anfängliche Unlust zur Gewährleistung. Die Stahlkessel hatten den gusseisernen Ausführungen bereits 70 Prozent des Marktvolumens weggeschnappt und waren nun besonders betroffen. Denn generell zeigt sich eine Gusshaut resistenter gegen Korrosionsangriffe. Als Ad-hoc-Lösung kippten die Anlagenbauer Sauerstoffbindemittel und Inhibitoren in die Heizkreise. Die Chemie zog in die Haustechnik ein. Die Rechnung ging jedoch nur zum Teil auf. Bei unkontrolliertem Einsatz der Chemikalien mehrten sich sogar die Probleme. Geschlossene Anlagen, jahrelang problemlos betrieben, rückten ins Rampenlicht der Sachverständigen beziehungsweise der Gerichte. Weil zu den unfeinen Eigenarten der Inhibitoren gehört, selbst bereits feste Ablagerungen wieder zu lösen. Sie weckten damit schlafende Hunde: Unter den Ablagerungen schlummerte unter Umständen ein Loch harmlos vor sich hin, dessen Deckel nagte jetzt der kathodische oder anodische Inhibitor ab. Nicht grundsätzlich, aber bei falscher Dosierung, zum Beispiel zu viel oder zu wenig oder das falsche Mittel.
Lange Zeit des Bangens
Einen Königsweg aus diesem Dilemma gab es für Altanlagen nicht. Man hoffte, den Gewährleistungszeitraum zu überstehen. Für Neuanlagen bot sich ein Wärmeübertrager zur Abkopplung des Kesselkreises vom Heizkreis an, bis endlich 1982 das sauerstoffdichte Kunststoffrohr kam. Nebenbei: Als der Handel noch nicht das sauerstoffdichte Rohr anbot, gleichwohl aber die Diffusionsprobleme bekannt waren, trotzdem aber der Handwerker auf die Alternative – Wärmeübertrager zwischen Heiz- und Kesselkreis – verzichtete, legte er sich eine Leiche in den Keller. In diesem Falle musste er 30 Jahre bangen. Diese verlängerte Gewährleistung galt damals nach VOB/B, wenn der Auftragnehmer bewusst ein mangelbehaftetes Werk erstellt hatte.
Den Bauherren, dem Handwerk und der Industrie machten in den Anfängen der Niedertemperaturheizung vor 40, 50 Jahren eine zweite Schwäche zu schaffen: der kalte Rücklauf der Systeme mit Temperaturen unterhalb des Taupunkts von rund 60° C. Die Niedertemperatur ließ es zu, auf eine Mischerregelung zu verzichten, die Bereitschaftsverluste im Keller zu reduzieren, Fußbodenheizungen zu verkaufen und die CO2-Emissionen zu senken. Nur kam dieser Schwenk zur Niedertemperatur schneller, als die Werkstofftechniker mithalten konnten. Der kalte Rücklauf auf der Wasserseite der Wärmeübertragerheizflächen im Kessel kühlte unter Umständen die Brenngas berührte Innenseite der Heizflächen bis in den Schwitzwasserbereich herunter. In Ölheizungen perlte kurzzeitig saures Kondensat auf. Das greift bekanntlich bereits in geringen Konzentrationen Eisenwerkstoffe an. Bei Grauguss dauerte das alles etwas länger. Wenn in der Verbrennungsluft noch zusätzlich Chloride schweben, verstärkt sich der Korrosionsangriff rapide. Die Konstrukteure mussten Gegenmaßnahmen finden. Viessmann zum Beispiel wich auf die biferrale Brennkammer aus, eine zweischalige Wand mit Grauguss innen auf der Verbrennungsseite und Stahl auf der Wasserseite. Diese Paarung bremst den Wärmedurchgang. Sie verspricht, dass die Wandtemperatur auf der Heizgasseite über der Taupunkttemperatur liegt.
80er-Jahre – Der Preis der Unit-Entwicklung
Noch herrschen Nächstenliebe und Partnerschaft in der Industrie vor, doch tauchen in der Ferne erste dunkle Wolken auf. Dunkle Wolken mit der Einführung der Units. Die Forderung nach höherer Energieeffizienz zwingt dazu, Kessel und Brenner nicht als zwei Montageteile zweier Hersteller zu betrachten, die lediglich zu verflanschen sind. Der Entwurf muss aus einer Hand kommen. Ganz besonders im unteren Leistungsbereich mit kleinen Feuerräumen steigert solch eine optimierte Abstimmung erheblich den Wirkungsgrad. Anfangs tut sich die Branche mit der Unit-Philosophie schwer. Das hat etwas damit zu tun, dass hier die Kesselindustrie und dort die Brennerindustrie partnerschaftlich zusammenarbeiten, der eine dem anderen nicht das Brot wegnehmen will. Das Handwerk will sich ebenfalls nicht in seine gewachsenen Zuneigungen, diese Kesselmarke und jene Brennermarke, hinein reden lassen. Obwohl bereits seit Ende der 70er-Jahre der Unit-Gedanke als der richtige Weg angemahnt wird, beträgt der Anteil der seriellen Kessel/Brenner-Kombination selbst Ende der 80er-Jahre nicht mehr als 10 Prozent. Erst als sich in der Folgezeit die Industrie nicht mehr schiedlich friedlich die Aufgaben teilt und sich die Kessel- wie auch die Brennerbauer um das jeweils andere Produkt kümmern, reifen diese Konstruktionen zum Standard heran. Wie auch die Brennwerttechnik.
Im Folgenden einige konkrete Stationen und Jahreszahlen der vergangenen 50 Jahre. Interessant vor allen Dingen für jene, die in der Frühzeit der modernen Heizungstechnik noch nicht in Lohn und Brot standen. Um Entschuldigung bitten wir jene, die meinen, ebenfalls ein Meilenstein gewesen zu sein. Die Schwierigkeit einer kürzeren Rückschau besteht leider darin, entscheiden zu müssen, was man weg lässt:
Stationen 1967 bis 2016
1967:
Der Sechs-Tage-Krieg, mit dem Jom-Kippur-Krieg als Revanchekrieg sechs Jahre später, macht die Abhängigkeit vom Erdöl durch die Drosselung der Förderung und dem Ölembargo spürbar. Anfang der 1950er-Jahre hatte für die Heiztechnik der entscheidende Strukturwandel, nämlich die Ablösung der Festbrennstoffe Kohle und Koks und ihr Ersatz durch Heizöl, begonnen. Das „Schwarze Gold“ gestattete den vollautomatischen Betrieb von Wärmeerzeugern ohne halbtägliches Schippen von Kohle. Das Heizöl ebnete der Warmwasserheizung den Weg in die bundesdeutschen Wohnungen. Mit der Ölheizung verschwanden die trägen Schwerkraftheizungen zu Gunsten der schnell regelbaren Pumpen-Warmwasserheizungen. Die geschlossenen Systeme mit Membrane-Ausdehnungsgefäßen ziehen im Neubau ein.
1968:
Clemens Oskar Waterkotte, ehedem Kälteingenieur bei BBC Brown Boveri, nimmt ein erdgekoppeltes Wärmepumpensystem mit Niedertemperatur-Fußboden-Flächenheizung in Betrieb. Der Auslöser war der erhebliche geldwerte Eigenanteil, den er für den Bau seines Wohnhauses leisten musste, weil die Bank keinen höheren Kredit gab. Die Chroniken zur Geschichte der Wärmepumpe benennen diese Anlage als die erste Wärmepumpenheizung in Deutschland. Die Herausforderung lag in der Systemlösung, nicht in der Technik der Wärmepumpe selbst. Die kannte der Markt. Die Kombination mit Gartengrundstück – und der Abschätzung oder Berechnung des Energieentzugs –, einer Fußbodenheizung und dem Wärmebedarf eines Gebäudes kannte er dagegen nicht. Die Erdreichtemperaturen dienten bereits zum passiven Kühlen.
1969:
Die 5. ISH hat sich von der einstigen Fachausstellung des Handwerks zur dominierenden europäischen Fachmesse gemausert. Die Geburtsstunde der Produktschau reicht zurück in die 50er-Jahre. Anfang jenen Jahrzehnts hatten sich die deutschen Installateure, Heizungsbauer und Klempner zu einer nationalen Organisation, dem Zentralverband Sanitär Heizung ZVSH (das K für Klima kam später hinzu) zusammengeschlossen und 1952 ihre Bundestagung mit einer Fachausstellung „Wir dienen der Gesundheit“ ergänzt. In den Analen gilt diese Fachausstellung als Ursprung der ISH. Der 5. ISH gelang der internationale Durchbruch. Die deutsche Heizungsindustrie präsentierte sich als Weltmarktführer.
Kohlefeuerungen halbieren sich
1970:
Der Durchschnitt des Primärenergiebedarfs der Altbauten beträgt 300 kWh/m2·a, 340 kWh/m2·a für den Altbau, rund 270 kWh/m2·a für den Neubau. In Deutschland boomt der Wohnungsbau. Die Ruinen aus den Kriegsjahren verschwinden, der Staat fördert und investiert in das Defizit. Die „Neue Heimat“ baut einige hunderttausend Wohnungen.
Mit dem Beginn der automatischen Ölfeuerung gewinnt auch die Regelungstechnik an Bedeutung. Sie, die Ölfeuerung, findet rasch Zustimmung. Während 1960 nur 15 Prozent der Wohnungen mit Heizöl beheizt werden, sind es 1970 bereits 45 Prozent. Kohle geht von 82 auf 40 Prozent zurück. Als drittes Standbein gewinnt Gas (Stadtgas) an Bedeutung. Das Stadtgas wird bei der Koksproduktion gewonnen.
1972:
Eine erste Umweltsorge keimt in der Gesellschaft auf. Der 1968 gegründete Club of Rome veröffentlicht seine Thesen zu den „Grenzen des Wachstums“. Die verlangen eine Abkopplung des wachsenden Wohlstands vom Ressourcenverbrauch. Marschieren beide im Gleichschritt, sei in wenigen Jahrzehnten das meiste aufgezehrt und die Wohlstandsgesellschaft zum Darben verurteilt. Die Welt horcht auf. Auch die Heizungstechnik. Sie erkennt, dass sie an der Entkopplung mitarbeiten und die mageren 40 oder 50 Prozent Wirkungsgrad der bullernden Umstell- und Wechselbrandkessel und Küchenherde durch modernere Systeme mit Wirkungsgraden von 80, 90 Prozent und mehr ersetzen muss.
1973/74:
Als Folge des Jom-Kippur-Kriegs mit der Ölkrise 1973 fällt der Heizkesselabsatz gegenüber dem Vorjahr um 35 Prozent.
Energieeinsparungsgesetz in Vorbereitung
1974:
Die Firma Vaillant feiert ihr 100-jähriges Bestehen, Strebel geht in Konkurs.
1976:
Inkrafttreten des Gesetzes zur Einsparung von Energie in Gebäuden (Energieeinsparungsgesetz EnEG). Im Zuge der ersten Ölkrise hat die Regierung Schmidt ein Energieeinsparungsgesetz beschlossen und durchgesetzt. Die Umsetzung des EnEG in entsprechende Verordnungen, wie Wärmeschutzverordnung und Heizungsanlagenverordnung, läuten den Übergang von der reinen Komfortbefriedigung der Heizungstechnik hin zu nachhaltigen und effizienten Systemen ein. Helmut Schmidt macht die Forderungen des Club of Rome zur Pflicht.
1977:
Die Effizienzappelle tragen erste Früchte. Fiat stellt sein BHKW mit dem wenig marketingfreundlichen Namen Totem (Total Energy Modul) vor. Der Kraft-Wärme-Koppler basiert auf dem 22-kW-Motor des Fiat Panda.
Erste Wärmeschutzverordnung als Rechtsverordnung zum EnEG. Bis dato gültiger Dämmstandard: BRD 50 mm, Schweden 250 mm, Spanien 70 mm. Selbst auf der iberischen Halbinsel ging man also bereits sparsamer mit Energie um als hierzulande.
Raketenbrenner und Vetter-Ofen
1977:
Der Blaubrenner. Vor dem Hintergrund dramatisch steigender Ölpreise wächst in den 70er-Jahren das Interesse an Brennern mit verbesserter Energiennutzung. Professor Winfried Buschulte von der Deutschen Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt, der sich bereits jahrelang für das amerikanische Space-Shuttle-Programm mit der optimalen Nutzung von Energie beschäftigt hatte, entwickelt den ersten Blaubrenner und die MAN bringt ihn als Raketenbrenner auf den Markt. Das Revolutionäre: Heizöl, das auf übliche Weise zerstäubt und mit Luft vermischt wird, verbrennt deshalb nicht optimal, weil der Kern der Lufttröpfchen nicht mit Luft in Berührung kommt und sich somit kein stöchiometrisches Verhältnis einstellt. Als Folge schlägt sich Ruß an den Kesselwänden nieder und es fällt der Wirkungsgrad. Für die Nachteile des Rußes steht eine Verlustangabe: 1 mm auf den Tauscherflächen erhöht die Abgastemperatur um 50° C. Das entsprechende Energiepolster geht also der Hausheizung verloren. Buschultes Idee besteht darin, Öl in Gas umzuwandeln. Beim Raketenbrenner werden die heißen Gase aus der Verbrennungszone in die Zerstäubungsdüse zurückgeführt, wo sie quasi verdunsten. Die gasförmigen Partikelchen lassen jetzt eine optimale Vermischung mit der Verbrennungsluft zu. Die beiden Stufen der Verbrennung visualisiert die Flamme: Wenn das Heizöl die Düse verlässt, noch tropfenförmig, leuchtet sie gelb auf. Nach Rückführung der Abgase und der Nachverbrennung dagegen blau. Buschultes Prinzip, Vergasung durch Rezirkulation und Nachverbrennung, wird letztlich allgemeiner Stand der Feuerungstechnik.
1977/1978:
Der „Vetter-Ofen“, das erste Brennwertgerät.
„Wenn man eine Idee hat, eine Vision, dann darf man nicht eher Ruhe geben, bis sie verwirklicht ist.“ Der das sagt, ist ein Müllermeister aus Peine namens Richard Vetter. Er düpiert die gesamte deutsche Heizungsindustrie, indem er sich fragte, warum die Abgase eines Heizkessels mit einer Temperatur von 200° C und mehr durch die Schornsteine gejagt werden müssen, um die Außenluft unnötigerweise aufzuheizen und einen Teil ihres Energieinhalts, nämlich die Verdunstungswärme im Wasserdampf ihrer Rauchgase, zu verschenken. Die Primärenergie sollte doch eigentlich die Innenräume beheizen.
In Richard Vetters Biographie steht, dass er bereits seit Anfang der 1960er-Jahre den Gedanken einer Brennwerttechnik mit sich trägt. Schließlich baut er ein Brennwertgerät mit einem Kondensationswärmeübertrager aus Kunststoff. Als er den „Vetter-Ofen“ dann Ende der 70er-Jahre zunächst der Administration präsentiert, blockt die mit Verstößen gegen irgendwelche Regelwerke ab. Rückendeckung erhält sie selbstverständlich von der etablierten deutschen Heizungsindustrie, die nicht zulassen kann, dass ihr ein „Unknown“ den Speck vom Brot nimmt. Sie macht aber die Rechnung ohne die öffentlichen Medien. „Panorama“ vom NDR und die Tagespresse greifen den Gedanken der Latent-Wärmenutzung auf und stellen den TÜV Hannover sowie andere lautstarke und namhafte Gegenredner an den Pranger. Das führt in der deutschen Heizungsindustrie zu einem Stillhalteabkommen des Typs „Mal schauen, was daraus wird“.
Die Marktführer schauen 20 Jahre zu. Andere, wie EWFE in Bremen, Remeha und Nefit in Holland, warten nicht ab. Den ablehnenden deutschen Geist der Zeit belegen die Bestandszahlen (man achte auf Bestand) der eingebauten Brennwertgeräte in Europa des Jahres 1990: Deutschland 40.000 Einheiten, Frankreich 185.000 Einheiten, Niederlande 215.000 Einheiten (Quelle: Jannemann/Fa. Ruhrgas, 1990). Dass das Abgas noch voller latenter Wärme steckt, wusste selbstverständlich die Industrie. Sie setzte ja schon bei Großanlagen separate nachgeschaltete Kondensationswärmeübertrager ein. Heute spricht sie von im Minimum 15 Prozent Wirkungsgradsteigerung durch Taupunktunterschreitung und Niedertemperatur.
Also hat sie 20 Jahre lang den Umweltschutz boykottiert, obwohl frühzeitig die Ruhrgas die Kommunen in Kampagnen zur Installation von Brennwertgeräten unterstützte: Viele Stadtwerke und Versorger zahlten einen Zuschuss von etwa 1.000 DM, sozusagen als Ausgleich für die entstehenden Mehrkosten gegenüber einer Heizwerttherme oder eines Heizwertkessels. Der Protagonist Richard Vetter starb im Jahr 2000. Die Branche hat ihn für seine Entwicklung nicht entlohnt. Der Müllermeister und Protagonist opfert für seinen beinahe Don Quijote-Kampf gegen Regeln, Normen und Traditionen den größten Teil seines Vermögens.
Wärmepumpen-Krise
1978:
Erste Heizungsanlagenverordnung als Rechtsverordnung zum EnEG.
1979:
Die Solarindustrie formiert sich: Gründung des Verbands Mittelständischer Solarindustrie e. V. (VSI). Der Verband umbenennt sich sieben Jahre später in DFS Deutscher Fachverband Solarenergie.
Ende der 1970er-Jahre: Die Wärmepumpe erlebt im Nachgang zur Energiekrise einen kurzen Boom und dann einen tiefen Fall. Letztlich hatten die Krise die Werbeabteilungen der Industrie- und Energiekonzerne verursacht. Sie propagierten „Kessel-raus-Wärmepumpe-rein“ und ignorierten, dass die alten, ungedämmten Gemäuer mit Vorlauftemperaturen von 70, 80 oder 90° C beheizt werden mussten. Die Propaganda verschwieg das. Oder die technisch unbeleckten Marketingexperten sahen das überhaupt nicht. Mit diesen Temperaturhüben konnte die umweltfreundliche Technik keinen Blumentopf gewinnen.
Clemens Waterkotte damals: „Es gibt mehr Wärmepumpenanbieter als Fachleute. Dieses Ungleichgewicht richtet sehr viel Schaden an. Die Interessenten für Wärmepumpen sollten sich vor allen Dingen genau die Wärmequelle ansehen. Verokert der Brunnen? Wie leistungsstark ist sie? Aber auch wir, die Entwickler, müssen Fehler eingestehen. Wärmeübertrager froren ein und einer unserer Fehler lag im Glauben an die ertragreiche Wärmequelle Grundwasser. Wir sahen darin die ideale Lösung, einfach wegen der hohen Temperatur und wegen des damit verbundenen günstigen Wirkungsgrads. Aber in das Grundwasser tragen die Niederschläge die verrücktesten Substanzen hinein. Vergleichen Sie das bundesdeutsche Grundwasser mit dem jungfräulichen Gebirgswasser, dann erkennen Sie schnell, dass das nicht gut gehen konnte. Wir mussten die Grundwasseridee aufgeben, ohne aber dem Bauherrn eine Alternative bieten zu können, jenem Bauherrn, der bereits eine Wärmepumpe auf der Basis Grundwasser installiert hatte und auf diese Wärmequelle nun angewiesen war.“ Damit hatten sich die Anbieter selbst schachmatt gesetzt.
Luft in Fußbodenheizungen
1980:
Sitzungssaal des BHKS Bundesvereinigung der Industrieverbände Heizung Klima Sanitär, Graf-Adolf-Straße, Düsseldorf. Mehr als 100 Teilnehmer stehen vor der Tür, wollen zur Diskussion „Luft in Fußbodenheizungen mit Kunststoffrohr“ zugelassen werden. Doch nur 25 Fachleute dürfen am runden Tisch teilnehmen. Nach verschiedenen Korrosionsfällen aufgrund von Luft in geschlossenen Heizungssystemen hat sich das ungesperrte Kunststoffrohr als kritisches Bauteil im System geoutet.
Was tun? Juristisch gesehen hatte der Werkstoff keine Chance, die Schuld am Sauerstoff im Heizungswasser auf Leckagen im Netz zu schieben. Man wusste zwar, dass eine geschlossene Heizungsanlage in der Praxis nicht hundertprozentig geschlossen ist, weil über undichte Ventile und bei Unterdruck das Einschnüffeln von Luft nicht ausgeschlossen ist, nur: Im Gegensatz zu Verbindungen, die Luft ins System tragen können, lässt sich die Luftdiffusion bei Kunststoff auf keinen Fall vermeiden. „Damit spricht der Anschein des ersten Augenblicks klar gegen das Kunststoffrohr“, bremst Chemiker und Sachverständiger Dr. Carl-Ludwig Kruse vom Materialprüfungsamt NRW, Dortmund, die intensive Erörterung der Tischrunde belastbarer Unschuldsbeweise des ungesperrten Polyethylens an den Durchbrüchen in den Kesseln ein. Mit der Veröffentlichung der Diskussionsergebnisse halten ab 1980 Heizungsbauer den Schwarzen Peter in der Hand, die weiterhin Kunststoffrohre einbauen, ohne eine Sicherung vorzusehen, wie etwa Inhibitoren oder einen zwischengeschalteten Wärmeübetrager, um die gefährdeten Metalle im Kesselkreis vom Fußbodenkreis abzukoppeln. Mit der Veröffentlichung der Ergebnisse der Diskussion war der Fachwelt „amtlich“ bekannt, dass bei Einsatz von Kunststoffrohren (ungesperrt) Korrosionsschutzmaßnahmen getroffen werden müssen. Anlagenbauer, die das ignorierten, standen nach der damals gültigen Fassung der VOB/B 30 Jahre in der Haftung (heute 10 Jahre). Tatsächlich wurden im Jahr 2001 Handwerker noch zur Mängelbeseitigung verurteilt.
1981:
Ab 1981 präsentiert die gesamte Branche auf der ISH und anderen Messen ihr Leistungsangebot auf dem Wärmemarkt neben dem Neubau immer stärker auch unter dem Gesichtspunkt der Heizungsmodernisierung.
1981/82:
Diffusionsdichte Heizungsrohre aus Kunststoff kommen auf den Markt. Die Sauerstoffundurchlässigkeit erreicht man entweder durch eine Hülle aus Aluminium oder einer Sauerstoff sperrenden Kunststoffschicht (Ethylen-Vinylalkohol-Copolymer EVOH).
Growian und Hydro-Pulse
1983:
Hydro Pulse. Die Firma Hydrotherm erhält die DIN/DVGW-Zulassung für ihren Gas-Brennwertkessel „Hydro Pulse“. Er wird bis 1994 gebaut und ist der einzige Kessel, der nach dem Prinzip der Pulsationsverbrennung arbeitet. Bei diesem Verfahren wird ein Gas/Luft-Gemisch an einer Zündkerze entzündet, die Gase expandieren und bewegen sich als Druckwelle zum Auslass hin. Das Vakuum auf ihrer Rückseite saugt ein neues Gemisch an – und das etwa 60 Mal pro Sekunde. Die ge¬ringe Verweildauer des einzelnen Pulsationsstroms im Kessel, verbunden mit einer teilweisen Rauchgasrückführung bei der Pulsation, soll zu NOX-Emissionen weit unterhalb jenen aus atmosphärischen Brennern führen.
Betriebsbeginn der Großwindanlage Growian. Damit fällt offiziell der Startschuss in den Probebetrieb einer dezentralen Energiewelt. Deutschland will sich von den Erdöl fördernden Ländern unabhängiger machen und heimische Ressourcen nutzen. Die vier großen Monopolisten befürchten allerdings, dass ihnen einige Felle wegschwimmen könnten. Nach der Devise „Wen man nicht erschlagen kann (den Dezentralisierungsgedanken), den küsse man zu Tode“ stellen sie wohlwollend dem Deutschen Bundestag in Marne, gegenüber Cuxhaven auf der anderen Seite der Elbe, die seinerzeit weltgrößte Windanlage hin. Die hatte mit ihren 3 MW schon vor mehr als 20 Jahren die Dimension der heutigen Offshore-Windmühlen. Da überhaupt keine Erfahrungen mit den Werkstoffen und den dynamischen Lasten vorlagen, musste das Projekt scheitern. Im Sommer 1988 kamen die Kräne und Bagger und rissen Growian ab. Die Monopolisten durften frohlocken. Vorerst gab der Bundestag Ruhe.
1987:
Bundesgesundheitsamt warnt vor Legionellen. Im Bellevue-Stratford Hotel in Philadelphia/USA erkrankten zehn Jahre zuvor auf dem 58. Veteranenkongress der amerikanischen Legion 180 von 4.400 Delegierten an einem bis dato wenig bekannten Bakterium im Lungengewebe. 29 der Veteranen sterben. Es gelingt, das Bakterium zu isolieren. Die Mediziner benennen es nach dem Veteranenkongress: Legionella Pneumophila. Natürlich macht man sich in den Vereinigten Staaten Gedanken darüber, warum dieser natürliche Keim im Kaltwasser plötzlich so aggressiv reagiert. Man entdeckt seine hohe Vermehrungsfreudigkeit in Warmwasser. Damit ist aber immer noch nicht die Tragödie erklärt. Erst weitere Untersuchungen bringen zutage, dass in der Vergangenheit durch die Leitungen Heißwasser von mehr als 70° C die Regel waren und im Zuge von Baumaßnahmen neuerdings diese Temperaturen auf unter 60° C abgesenkt worden waren. Die ehedem 70 bis 80 Grad und mehr hatten die Erreger abgetötet. Darüber hinaus versammelt sich selten in einem Gebäude eine so große Schar von immungeschwächten Gästen, immunschwach aufgrund des Alters. Hinsichtlich der Warmwassertemperaturen befindet sich Deutschland 1987 in einer ähnlichen Situation. Die junge Heizungsanlagenverordnung fordert in § 8: „Die Warmwassertemperatur im Rohrnetz ist auf höchstens 60° C zu begrenzen.“ In diesem unteren Temperaturmilieu gedeihen die Erreger prächtig. Das Bundesgesundheitsamt und der DVGW ziehen entsprechende Konsequenzen. Sie forciert ihre Richtlinienarbeit, um mit vorbeugenden Maßnahmen dieser Trinkwasserverseuchung zu begegnen. Im Juli 1987 legt das BGA erstmals „Empfehlungen zur Verminderung eines Legionella-Infektionsrisikos“ vor. Die Legionellenverkeimung in Trinkwasserinstallationen wird zum Thema, das bis heute nichts an seiner Aktualität verloren hat.
London 1987:
Eine Kommission für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen (Brundtland-Kommission) legt den Brundtlandbericht vor. Der definiert den Begriff „Nachhaltige Entwicklung“ in seiner bis heute weltweit gültigen Fassung. Das Konzept einer nachhaltigen Entwicklung muss danach dieser Maxime folgen: „Dauerhafte Entwicklung ist eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können“ (Generationengerechtigkeit). Die Veröffentlichung des Brundtlandberichts gilt als weiterer Meilenstein (nach der Veröffentlichung „Die Grenzen des Wachstums“) des weltweiten Diskurses über Nachhaltigkeit beziehungsweise nachhaltige Entwicklung. Als Folge des Brundtlandberichts rufen die Vereinten Nationen 1992 die Rio-Konferenz zur nachhaltigen Entwicklung ein und sie verabschieden später das Kyoto-Protokoll.
Dämmen oder Speichern?
1980er-Jahre:
Die Dämmstoffindustrie und die Ziegelindustrie streiten heftig über den richtigen Weg zur Energieeinsparung in Gebäuden. In die Diskussionen beziehen sie die Fachleute mit ein. Architekten und Planer sind in zwei Lager eingeteilt. Für die Ziegelindustrie sind hohe Wärmeschutzanforderungen schon deshalb nicht vertretbar, weil sie quasi die monolithische Bauweise erschweren. Die neuen Werte in den Wärmeschutzverordnungen können mit vertretbaren Steindicken von kleiner als 50 cm nicht realisiert werden. Die Steinbrenner argumentieren gegen die Dämmung und für die Speicherung, dass die Sonnenstrahlung auch im Winter in den Außenwandsteinen eingelagert und so die Heizperiode verkürzen würden. Dämmmaßnahmen dagegen verhinderten das. Trotz aller wissenschaftlichen Pseudobelege gelingt es ihnen nicht, die Verordnungsgeber von höheren Wärmeschutzanforderungen abzubringen.
Contracting macht von sich reden. Dem Finanzierungs- und Betriebsmodell wird eine enorme Zukunft vorhergesagt. Fast 500 Wärmecontractoren treten später in den 90er-Jahren im Markt auf. Selbst die großen Konzerne wie RWE und Vattenfall mischen über Töchter mit.
1989:
Die Mauer fällt.
Ungeliebte Brennwerttechnik
1990:
Berlin erlässt als erstes Bundesland den Energiepass.
1990:
Brennwerttechnik in Europa: Bestand Deutschland 40.000 Einheiten, Bestand Frankreich 185.000 Einheiten, Bestand Niederlande 215.000 Einheiten. Die deutsche Industrie wartet ab.
1991:
Die Heizungsindustrie erfährt eine Sonderkonjunktur. Mit Abschluss des Deutsch-Sowjetischen Vertrags im Nachgang zur Wiedervereinigung verpflichtet sich Deutschland, 4 Mio. m2 Wohnfläche für die aus der DDR abziehenden sowjetischen Armeeangehörigen zu bauen und auszustatten. LKW-weise gehen unter anderem einfache Gasthermen an die Wolga.
Mitte der 90er-Jahre: Die Ölbrennwerttechnik kommt auf den Markt. Sie hatte es nicht ganz so eilig, weil der Unterschied zwischen Heiz- und Brennwert bei ihr lediglich 5 oder 6 Prozent beträgt, während er bei Erdgas bei 11 Prozent liegt. Die Großindustrie hält sich zurück. Bomat und Rotex bedienen die Nachfrage.
1996:
Pellets werden offiziell als Brennstoff in Deutschland zugelassen.
Virtuelles Kraftwerk mit TGA
1996:
Bundesweit setzt im nur schleppend verlaufenden Contractinggeschäft Berlin einen Meilenstein. Das Land schreibt über die Berliner Energieagentur als Projektmanager die „Berliner Energiesparpartnerschaften“ aus. Die umfassen ein Energieeinsparcontracting mit über 500 Liegenschaften des Landes Berlin und der Berliner Bezirksverwaltung mit rund 1.300 Gebäuden.
1997:
Erstes virtuelles Kraftwerk, das Haushalt und Gewerbe mit einbezieht und der niedersächsische Versorger EWE verdrahtet (DEMS-Projekt). Das von EWE und Siemens entwickelte System wird mit Mitteln aus dem Zukunftsinvestitionsprogramm der Bundesregierung gefördert. DEMS koordiniert die dezentralen Erzeuger und Stromverbraucher sowie den Strombezug aus dem Versorgungsnetz. Zur Einbindung in das DEMS wird eine neue Kommunikationstechnik erprobt, um jeden Anschluss individuell ansprechen zu können.
Verabschiedung des Kyoto-Protokolls. 195 UN-Vertragsstaaten treffen sich jährlich zum Welt-Klima-Gipfel. Auf der bekanntesten dieser Konferenzen in Kyoto 1997 legen sie erstmals völkerrechtlich verbindliche Zielwerte für den Ausschuss von Treibhausgasen in den Industrieländern fest. Bis auf USA und Kanada unterschreiben alle. Die reglementierten Treibhausgase, denen man die Schuld an der Erderwärmung gibt, sind Kohlenstoffdioxid CO2, Methan CH4, Lachgas N2O, teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe, perfluorierte Kohlenwasserstoffe sowie Schwefelhexafluorid. Das Kyoto-Protokoll berührt selbstverständlich die deutsche Heizungstechnik.
Brennstoffzellen-Euphorie
1998:
In einem Interview kündet Vaillant-Geschäftsführer Manfred Ahle die Investition von 40 Mio. DM in die seit 150 Jahren im Dornröschenschlaf liegende Technologie an. Die Remscheider gehen eine Partnerschaft mit den New Yorker Firmen Plug Power und GE Fuel Cell System ein. Ahle erwartet in fünf oder zehn Jahren „einen Anteil der Brennstoffzelle an unserem Umsatz von bis 50 Prozent.“
Die Minikraftwerke sollen ab etwa 15.000 DM kosten und sich nach sechs Jahren bezahlt gemacht haben. Die Markteinführung ist für das Jahr 2001 geplant. Die Vaillant-Aktivitäten machen den Wettbewerb unsicher, beziehungsweise der sieht sich gezwungen, sich ebenfalls dieser Technologie zuzuwenden.
1999:
Fertigstellung Energieverbund Spreebogen. Als Parlament und Regierung von Bonn in die alte Reichshauptstadt übersiedelten, wollte der Deutsche Bundestag unter dem Eindruck einer in Kyoto erstmals formulierten Bedrohung durch eine Klimakatastrophe eine nachhaltige Energiekonzeption für den Reichstag und die anderen Parlamentsgebäude. Unter der Koordination der damaligen Bundesbaugesellschaft entsteht der „Energieverbund Spreebogen“. Dieses Nahwärmenetz beladen und entladen die verschiedenen Erzeuger und Verbraucher im Regierungsviertel. Dem Ring arbeiten Photovoltaik und Blockheizkraftwerke zu, eine Warmwasserlinse (Aquifer-Speicher) in 300 m Tiefe, Wärmepumpe und Absorptions-Kältemaschinen, die die Abwärme im Sommer in Kälte verwandeln, sowie ein ausgefeiltes Energiemanagement, das Wärme, je nach Bedarf und Situation, verschiebt, einlagert oder für die einzelnen Gebäude entnimmt. Der maximale Leistungsbedarf der angeschlossenen Bundesbauten beträgt: Wärme 12.500 kW, Strom 9.000 kW, Kühlung 8.000 kW.
2000:
Inkrafttreten des Erneuerbare-EnergienGesetzes (EEG).
Pellet-Boom in Deutschland.
Erste Energieeinsparverordnung
2002:
Nach vielen Jahren der Vorarbeit liegt die Energieeinsparverordnung (EnEV) vor. Sie führt die Wärmeschutzverordnung und die Heizungsanlagenverordnung zusammen, die mithin ab diesem Datum nicht mehr gültig sind.
Inkrafttreten des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes. Es regelt die Einspeisung und Vergütung des Stroms aus Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung.
E.ON UK kündigt an, bis 2010 in Großbritannien 80.000 Mini-Stirling-BHKW der neuseeländischen Whisper Tech zu installieren. Die elektrische Leistung des WhisperGen liege modulierend zwischen 0,4 und 1,2 kW, die thermische Leistung zwischen 4,9 und 8,0 kW. Aufgrund der kontinuierlichen Verbrennung sei das Aggregat, wie der Produktname schon impliziert, sehr leise und erreiche eine Brennstoffeffizienz von über 90 Prozent. E.ON UK steht in dem noch weitgehend unerschlossenen Markt der Mikro-KWK in Wettbewerb mit der British Gas, die ein ebenfalls auf einem Stirlingmotor basierendes Mikro-BHKW mit einer elektrischen Leistung von 1,1 kW von Microgen Energy Ltd. auf der Insel anbietet. Wegen verschiedener technischer Schwierigkeiten – man spricht von Dichtungsproblemen – muss E.ON das Vorhaben streichen. Microgen wird von einem Firmenkonsortium mit Viessmann, Vaillant und der BDR Thermea Gruppe (Remeha, Baxi) übernommen. Das Konsortium ist dabei, die Stirlings für den deutschen Markt zu modifizieren.
2009: Inkrafttreten des Erneuerbare-Energien- Wärmegesetzes (EEWärmeG).
2009: LichtBlick stellt sein „Schwarmstrom“-Konzept als virtuelles Kraftwerk vor. Im Contracting will der Hamburger Energieversorger den Haushalten ein BHKW hinstellen, das aber in seiner Betriebszuständigkeit bleiben soll. Zu Tarif-Spitzenzeiten an der Leipziger Strombörse will LichtBlick einschalten und den Strom verkaufen. Man habe ausgerechnet, mit 1.500 Stunden im Jahr das gesamte Invest refinanzieren zu können. 100.000 KWK-Anlagen wolle man binnen weniger Jahre installieren. Die Publikumspresse applaudiert. Vornehmlich sollen Ein- und Zweifamilienhäuser von den Leistungen des 22-kW-Aggregats profitieren. Das überschäumende Medienecho ist sicherlich auch der Tatsache geschuldet, dass mit VW ein Großkonzern aus der Automobilin¬dustrie nebst seinen professionellen Öffentlichkeitsarbeitern maßgeblich am Projekt beteiligt ist. Doch das Zuhausekraftwerk hält nicht lange durch. Vornehmlich macht der Ausbau der Wind- und PV-Farmen einen Strich durch die Rechnung, denn diese Stromerzeuger produzieren teilweise Überschuss. An der EEX treten nicht mehr die Preisspitzen der Vergangenheit auf – und damit fehlt dem Schwarmstromkonzept die Basis. Es kommen freilich noch weitere Schwächen des Modells hinzu. VW zieht sich zurück.
Die Wärme wird digital
2010:
Digital 1: Die ersten Privathaushalte erhalten intelligente Zähler des Typs Smart Meter. Für Großkunden sind sie schon seit den 1990er-Jahren in Betrieb. Mit dem Überschuss an Wind- und PV-Strom beziehungsweise der Möglichkeit der Glättung der Netze durch ein Software basiertes Energiemanagement, das bei den privaten „Prosumenten“ (mit Haushaltsmaschinen, BHKW und/oder Wärmepumpe sowohl Konsument als auch Produzent) einspeist oder ausspeist, rücken jetzt auch die nicht gewerblichen Energieverbraucher in den Blick der Netzbetreiber. Forum und Podium bietet die jährliche Messe E-World in Essen. Die Notwendigkeit der Stabilisierung macht letztlich auch den Nachtstromspeicher wieder interessant und zwar so interessant, dass die aktuelle Energieeinsparverordnung, die ursprünglich ab 2020 alle Elektroöfen dieser Art verbieten wollte, den entsprechenden Passus im Entwurf wieder streicht.
Digital 2: Auch die Heizungsregelung durch den Nutzer wird digital. Seit Anfang 2010 halten Smartphone- und Tablet-Apps der Hersteller Einzug in die Wohnung beziehungsweise in die Mobilgeräte. Die Anbieter sprechen von einem Komfort- und Effizienzgewinn.
2011:
Nuklearkatastrophe von Fukushima. Die Auswirkungen auf Deutschland bestehen in erster Linie in der politischen Absage an Kernenergie, im beschleunigten Aufbau von Wind- und PV-Anlagen – und in der Absenkung des Primärenergiefaktors für die Elektrizität bei der Bestimmung des Primärenergiebedarfs von Heizungssystemen. Seit dem 1. Januar 2016 gilt, abweichend von der DIN 18 599, ein Primärenergiefaktor von 1,8 für den Strom, der aus nicht-erneuerbaren Quellen stammt.
2015: German Pellets, Europas größter Hersteller dieses Brennstoffs, gerät ins Schlingern und meldet einige Monate später Insolvenz an. Das Unternehmen mit Stammsitz in Wismar kann sich in die Hände von amerikanischen Investoren retten.
Heizungsmarkt heute
2016:
Insgesamt sank zwar der Anteil des Mineralöls am Primärenergieverbrauch leicht, doch bleibt das Öl mit knapp 34 Prozent der nach wie vor wichtigste Primärenergieträger. Es folgt das Erdgas mit gut 21 Prozent – ein Zuwachs von 5 Prozent. Dahinter gliedern sich, quasi auf gleicher Höhe, Steinkohle, Erneuerbare Energien und die Braunkohle mit Anteilen zwischen 12 und 13 Prozent ein. Die Kernenergie ist am gesamten Primärenergieverbrauch noch mit 7,5 Prozent beteiligt. Den stärksten Zuwachs meldet die Windenergie an Land und auf See mit einem Plus von 53 Prozent gegenüber 2014. Bei der Solarenergie (Photovoltaik und Solarthermie) fiel der Anstieg mit 6 Prozent wegen der verhalteneren Expansion der Photovoltaik erheblich schwächer aus als in den Vorjahren. Bei den Biokraftstoffen gab es einen Rückgang um 6 Prozent.
Der aktuelle Heizungsmarkt (2015) sieht so aus: Wärmeerzeugerabsatz 710.000 Einheiten und damit 4 Prozent mehr als 2014. Im Jahr 2015 wurden 225.000 Wohnungen fertig gestellt. Für 2016 gehen die Schätzungen von 246.000 aus, was einer Steigerung von über 80 Prozent gegenüber dem Tiefstand des Jahres 2009 mit knapp 136.000 Einheiten entspricht. Setzt man das Neubauvolumen in Relation zum Heizkesselvolumen, macht das Ersatz/Modernisierungsgeschäft 70 Prozent aus. Dieses Verhältnis Zweidrittel zu Eindrittel zieht sich durch die letzten Jahre durch, das heißt, bis heute ist es nicht gelungen, einen Schub in die Modernisierungsmaßnahmen hineinzubringen.
[Heizungs-Journal Verlag]