In Dobbertin, 50 km östlich von Schwerin, steht die Klosteramtsscheune. Über Jahrhunderte hat sie viele unterschiedliche Funktionen gehabt.
Spannende Sanierung eines historischen Gebäudes
In Dobbertin, 50 km östlich von Schwerin, steht die Klosteramtsscheune. Über Jahrhunderte hat sie viele unterschiedliche Funktionen gehabt.
Heute wird das beeindruckende Gebäude mit klimaneutraler Erdwärme versorgt.
Sie hat alles gesehen: 1816 als Holzmagazin erbaut. Bis 1936 als Lagerhaus genutzt. Ab 1938 Jugendherberge, Institut für Lehrerbildung, „HJ“-Gebietsführerschule und Wehrertüchtigungslager für die Nationalsozialisten. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs ziehen in dem historischen Gebäude kurzzeitig auch Geflüchtete und Aussiedler ein. Danach schult die SED bis 1989 hier Agitatoren und Pionierleiter. Nach der politischen Wende 1989 wird der mächtige, dreigeschossige Bau mit seinem markanten Dach bis 1998 zum Altersheim, ab 2000 übernimmt es die Diakoniewerk Kloster Dobbertin gGmbH als Wohnheim. Dann stand das Gebäude seit 2016 leer. Jetzt wird es mitsamt Nebengebäuden zu einer integrativen, gemeinschaftlichen Wohnanlage mit 52 Mietwohnungen mit jeweils ein bis drei Zimmern umgebaut.
Das mehr als 200 Jahre alte Gebäude soll sich in Zukunft zu einem großen Teil mit erneuerbaren Energien selbst versorgen. Das war Ingenieur Alexander Straub besonders wichtig: „Auch wenn das im Fall eines alten Fachwerkgebäudes mit dem entsprechenden Dämmstandard einiges an Hirnschmalz und Ingenieurskunst erfordert.“ Mit seinem Unternehmen Material Machines GmbH ist er nicht nur Investor, sondern übernimmt auch die Anlagenplanung für die Stromversorgung.
Zwei Photovoltaikanlagen auf den Nebengebäuden mit zusammen 150 kWp bilden das Rückgrat einer weitgehend autarken Energieversorgung. Die Energie für die Heizung liefert ein Erdwärmesystem von GeoCollect in Verbindung mit einer Kaskaden-Wärmepumpenanlage (150 kW) von Viessmann: 1.800 Erdkollektoren speisen die Wärmepumpen mit oberflächennaher Erdwärme.
Dazu wurde neben dem 76 m langen Bauwerk eine 2,50 m tiefe Baugrube ausgehoben. Auf zwei Ebenen stehen die Erdwärmekollektoren in 180 Strängen je zwölf Einheiten übereinander. „Diese Art der Anordnung erfordert zwar zehn Prozent mehr Kollektoren, ist bei einer sehr hohen spezifischen Entzugsleistung von über 200 W/m² aus dem Erdreich besonders flächensparend“, so Volkmar Frotscher, Vertriebsleiter von GeoCollect.
Möglich ist dies durch die Form der Kollektoren aus Kunststoff: Deren wellenförmige Oberfläche vergrößert die Kontaktfläche zum Erdreich. Innen verwirbeln besondere Tubulatoren die Wärmeträgerflüssigkeit, die auf ihrem Weg durch die hintereinander montierten Kollektoren so viel Wärme aus dem Boden aufnimmt. „Ein GeoCollect-Erdwärmesystem benötigt auf dem Grundstück nur ein Drittel der Fläche, die im Gebäude beheizt wird. Bei zwei Ebenen, wie hier in Dobbertin, ist es lediglich ein Fünftel der beheizten Fläche“, betont Frotscher. Das mache die umweltfreundliche Erdwärmenutzung erst möglich. Einfache Kunststoffrohre würden etwa zwölf Mal mehr Fläche in Anspruch nehmen. „Das hätte hier nicht gepasst“, unterstreicht er.
Um die Erdkollektoren sauber vor Ort per PP-Kunststoffschweißen miteinander zu verbinden, bauten sich die Monteure eine einfache aber effektive Produktionsstraße. Zwei Personen verbinden pro Tag rund 240 Kollektoren zu jeweils einem Strang je zehn Kollektoren. Zwölf dieser Stränge werden dann in der Baugrube zu einer Gruppe zusammengefasst, so dass jeder Strang der Gruppe automatisch den gleichen Durchfluss bekommt (Tichelmann-Verschaltung). 15 dieser Gruppen je zwölf Stränge werden dann mit einem PP-Rohr von 40 mm Durchmesser an einen Verteilerschacht mit den Vor- und Rücklaufleitungen zu den beiden Erdwärmepumpen angebunden. Inklusive Aushub, Einschlämmen und Verfüllen der Baugrube wurde die Anlage in nur 14 Tagen errichtet.
Die Stränge stehen senkrecht in 70 cm Abstand zueinander, um einen optimalen Wärmeentzug zu erreichen. Nach dem Anschließen und der Druckprüfung wurde der Zwischenraum mit Sand verfüllt, eingeschlämmt und vorsichtig verdichtet, bevor die obere Kollektorebene eingebaut wurde. Später wird die Fläche als Terrasse genutzt.
„Für uns ist GeoCollect genau der richtige Partner“, so René Blask, Inhaber des SHK-Fachbetriebs ISH Innovative Sanitär- & Heizungstechnik aus Lübz. Er hat die Wärmepumpenanlage geplant und installiert. Blask erklärt: „Die Kollektoranlage wird fertig abgedrückt und geprüft in Form von zwei Kugelhähnen im Solekreislauf an uns übergeben – die Entzugsleistung wird garantiert. Wir schließen die Wärmepumpen an und fertig.“ Zudem bekäme der Kunde zehn Jahre Garantie auf die Kollektoranlage. Als Viessmann-Partner ordert Blask alle Komponenten aus einer Hand und hat so bei Fragen nur einen Ansprechpartner.
Obwohl die Klosteramtsscheune zusätzlich gedämmt wurde und als „Effizienzhaus Denkmal“ gefördert wird, sind ihr Wärmebedarf und die nötigen Heizwassertemperaturen naturgemäß höher als bei einem Neubau. Oberflächennahe Erdwärme bietet hier systembedingte Vorteile gegenüber einer Luftwärmepumpe:
• Relativ konstante Quelltemperatur ermöglicht eine hohe Anlageneffizienz. • Das Erdreich hat zu Beginn der Heizperiode im September in 1,50 m Tiefe eine Temperatur von 12 bis 15 °C. • Am Ende der Heizperiode vereist die im Boden gebundene Feuchtigkeit und setzt zusätzliche Kristallisationsenergie frei.
Die errechnete Jahresarbeitszahl (JAZ) der Anlage liegt bei 4,8. Ab dem Frühjahr regenerieren Sonne und Niederschläge den Erdboden und der Kreislauf der erneuerbaren Wärmenutzung beginnt von Neuem. Fußboden- und Wandheizungen verteilen die Wärme. Der historische Fußbodenaufbau im Obergeschoss bleibt damit ebenso erhalten wie die Deckenhöhe. Das Brauchwarmwasser liefern dezentrale, elektrische Durchlauferhitzer. An heißen Sommertagen kühlt die Erdwärmeanlage auf natürliche Weise mittels eines zusätzlichen Wärmeübertragers, mit dessen Hilfe das Heizungswasser seine Wärme an das kühle Erdreich abgibt. Diese stromsparende Temperierung erlaubt eine Absenkung der Raumtemperaturen zu Beginn der „Kühlsaison“ um etwa zwei bis drei Grad. Nach einer langanhaltenden Hitzewelle ist dieser Effekt noch deutlich größer. Gleichzeitig regeneriert die Abwärme aus den Gebäuden zusätzlich das Erdreich rund um die Kollektoren.
Weiterführende Informationen: https://www.geocollect.de/
Freitag, 28.10.2022