Das Stadion des FC Augsburg, die WWK Arena, heizt und kühlt seit der Eröffnung 2009 CO2-neutral. Mit zwei Grundwasser-Wärmepumpen und mit grünem Strom für ihren Betrieb, der aus Lech, Wertach und anderen Kraftwerken an Flüssen der Region kommt. Dieses Konzept machte die Heimstätte des FCA seinerzeit zum ersten CO2-neutralen Stadion der Welt. Wer kopieren will – worauf ist zu achten? Speziell auch bei einer Rasenheizung.
Zwei Grundwasser-Wärmepumpen mit einer Heizleistung von je 645 kW, die stündlich gemeinsam bis zu 120 m3 Grundwasser aus 45 m Tiefe fördern, liefern Wärme und Kälte. Das Wasser hat selbst im Winter eine Temperatur von etwa 10 °C. Dieses Niveau heben die Maschinen durch Verdampfung und Verdichtung des Kältemittels bis 55 °C an und schieben die Wärme in einen 12.000 Liter fassenden Pufferspeicher. Wärmeübertrager übertragen die Energie auf den Heizungskreislauf des Gebäudes mit VIP- und Logentrakt, Umkleidekabinen und Büros. Und im Winter zusätzlich in die Rasenheizung. Im Sommer kühlt das Grundwasser die Abnehmer passiv.
Ein PR-Text wirbt: „So spart das Augsburger Stadion jährlich etwa 450 Tonnen CO!SUB(2)SUB! ein. Das entspricht den CO!SUB(2)SUB!-Emissionen von ungefähr 120 neuen Einfamilienhäusern. Damit ist Augsburg das weltweit einzige Stadion, das auch mit Wärmepumpen CO!SUB(2)SUB!-neutral heizt und kühlt.“ Das ambitionierte Projekt stammt von der Lechwerke AG (LEW) und den Stadtwerken Augsburg. „Es hat von Beginn an viel Spaß gemacht, das Energiekonzept zu erarbeiten. Damit haben wir gemeinsam mit dem FC Augsburg, der diesen damals neuen Weg mutig mit uns gegangen ist, ein Zeichen für die klimafreundliche Technologie der Wärmepumpe gesetzt", so Paul Waning, von 2003 bis 2012 Vorstandsmitglied der Lechwerke, dessen Handschrift das nachhaltige ehemalige Schwabenstadion trägt. Heute hat Waning den Vorstandsvorsitz im Bundesverband Wärmepumpe e.V. (BWP). Mit grünem Strom kennt sich der Ex-LEWler besonders gut aus, er verantwortete den Betrieb von 35 Wasserkraftwerken für den Energieversorger.
Das „WWK“ in WWK Arena steht übrigens für eine Versicherungsgruppe. Ganz früher sprachen die Augsburger vom Schwabenstadion: Der heutige FCA entstand vor gut 50 Jahren durch die Fusion der traditionsreichen Augsburger Kickervereine TSV Schwaben Augsburg und BC Augsburg, die Historie reicht aber bis zur Gründung des Vorgängervereins FC Allemania im Jahr 1907 zurück. Nebenbei, des FCA berühmtestes Kind war Edeltechniker und Nationalspieler Helmut Haller. Als erster deutscher Profi spielte er in den 60er- und 70er-Jahren als „Gastspieler“ im Ausland, nämlich zehn Jahre bei den Clubs Bologna und Juventus Turin, bevor er wieder nach Augsburg zurückkehrte.
13 Jahre Grundwasser in der WWK Arena. In den Anfängen der Geothermie vor 40 und mehr Jahren lief damit nicht alles reibungslos ab. Brunnen verockerten, Schluckbrunnen liefen über, Wärmeübertrager litten unter Korrosion. Welche Erfahrungen haben die Augsburger Beteiligten mit ihrer Ausführung gesammelt?
Die HeizungsJournal-Redaktion fragte nach. LEW-Pressesprecher Ingo Butters hatte für das Gespräch mit Michael Zerle, Karl-Heinz Viets und Thomas Heigemeir eine kompetente Expertenrunde, in deren Händen unter anderem die Betreuung der WWK Arena liegt, zur Online-Sitzung gebeten: Karl-Heinz Viets verantwortet bei den Stadtwerken Augsburg den Gesamtbereich Energiedienstleistungen, von klassischen dezentralen Erzeugungsanlagen über Nahwärmenetze bis hin zu PV-Anlagen bei Kunden- als auch Eigenanlagen. Thomas Heigemeir kümmert sich bei den Stadtwerken als Teamleiter im Bereich Anlagensteuerung und Anlagenbetrieb im FCA-Stadion um die komplette Technik im Bereich der Wärme- und Kälteerzeugung. Michael Zerle leitet bei den Lechwerken den Betrieb der Wärmeanlagen. Das Anlagenportfolio „Energiedienstleistungen“ von LEW reicht von der kalten Nahwärme und Nahwärmenetzen in Bayerisch-Schwaben über dezentrale Heizzentralen bis hin zur hackschnitzelbefeuerten Dampfanlage. Neben den Wärmeanlagen ist der Betrieb von über 70 Photovoltaik-Anlagen ein weiteres Standbein.
Pflege tut Not
Mit 120 m3/h liegt das Wasserangebot für Förderbrunnen im bundesdeutschen Mittel. Die amtliche Statistik spricht für einzelne Hebewerke von einer Spanne zwischen 15 und 40 l/s. Die Berechnung ergab, dass es möglich sein müsste, das gesamte Stadion mit dieser Energie zu versorgen. Thomas Heigemeir räumt ein: „Man muss natürlich der Fairness halber sagen, bei solch einer Technik mit enormen Massenströmen ist der Brunnen ein wartungsintensives Thema. Das heißt, die beiden Abteufungen müssen spätestens alle eineinhalb bis zwei Jahre ertüchtigt werden. Sie müssen gebürstet werden, um den Durchsatz zu bewältigen. Es ist keine Technik, die man einmal installiert und dann zehn Jahre Ruhe hat. Es steckt ein ziemlicher betrieblicher und Instandhaltungsaufwand dahinter.“
Zum Beispiel? „Sand wird natürlich mitgenommen und der bleibt dann – trotz installierter Filtersysteme – in den Wärmeübertragern beziehungsweise im Schluckbrunnen liegen. Vor allem diese Partien müssen regelmäßig gereinigt werden. Dann läuft es aber auch wieder.“ Weiche Ablagerungen (Inkrustationen) aus Eisenocker stellen neben Sand ebenfalls im Allgemeinen ein großes Problem in der Wassergewinnung dar, da sie alle Anlagenteile wie eben Brunnen, Pumpen oder Rohrleitungen zusetzen. LEW und Stadtwerke greifen zu einer Prophylaxe, die so aussieht, dass alle eineinhalb bis zwei Jahre auch die Wärmeübertrager gespült werden und zwar mit Hochtemperatur – heißer als 60 °C – im Hochdruckverfahren. Danach sei der Durchsatz von großen Wassermengen für die nächste Periode gewährleistet.
Was bei Schnee zu beachten ist
Die Rasenheizung ist ganz herkömmlich wie eine normale Fußbodenheizung verlegt, mit einem Glykol-Wasser-Gemisch gegen Einfrieren geschützt und nach unten hin nicht gedämmt. Sie liegt ungefähr zwischen 15 und 18 cm unter der Graswurzel. Die maximale Vorlauftemperatur beträgt in verschneiten Wintern etwa 30 °C. Mit diesem Wert schmelzt das „Greenkeeping“-Team den weißen Belag in Grün um. Ansonsten fahren die Fachleute das Spielfeld zwischen 18 and 25 °C an. Das entscheidet sich nach den Temperaturmeldungen der Graswurzelfühler. Es gilt zu verhindern, dass das Gras austrocknet oder angraut.
Außerhalb der Spieltage kann die Anlage mittels Wärmeübertrager direkt aus dem Grundwasser bedient werden, steht in einem Report. Was haben Spieltage und Nicht-Spieltage mit der Temperatur des Bodens zu tun? Die Antwort: Es kann in der spielfreien Woche ausreichen, das Gras mit dem zu beheizen, was das Grundwasser zur Verfügung stellt. Selbstverständlich können dem entgegen am Wochenende Schnee oder Frost kommen, die Grasspitzen einfrieren und deshalb eine erhöhte Leistung kurz vor Spielbeginn verlangt sein, um zu trocknen respektive die erhöhte Rutschgefahr zu vermeiden. Doch auch andere Szenarien sind denkbar und vom Fachpersonal zu beurteilen. Die Technik des Betreibers Stadtwerke muss darauf reagieren können. Aus der Einstellung der richtigen Parameter für den Spielbetrieb selbst halten sich indes die Stadtwerke heraus. Das sei Sache des FCA.
Erweiterung mit KWK
So ganz „grün“ ist die Sportstätte heute nicht mehr eingekleidet. Ein mit Erdgas betriebenes Blockheizkraftwerk (BHKW) kam hinzu. Karl-Heinz Viets begründet es: „Wir haben vor zirka drei Jahren die Anlage optimieren müssen, weil das Stadiongebäude erweitert und ein neues Verwaltungsgebäude vom FCA errichtet wurde. Dementsprechend mussten wir die Anlagenleistung und die Anlageneffizienz auf eine neue Basis stellen und erweitern. Der eigenerzeugte Strom fließt in die Technikbereiche des Stadions und die ausgekoppelte Wärme in die statische Heizung oder in den Rasen, je nachdem, wer sie gerade benötigt.“
Die ursprüngliche Planung nach Millennium sah die Wärmeversorgung nur für die 17 Spieltage vor, für 17 Spiele mal fünf Stunden. Nach und nach kamen zusätzliche Büros und Nutzer hinzu, ein größerer Fitnessbereich und anderes. Trotzdem hielt sich das Nachjustieren bis auf die KWK in Grenzen. „Wir hatten eine relativ hohe Leistungsspitze installiert“, erklärt Karl-Heinz Viets. „Die besondere Herausforderung besteht in der Leistungsspitze, die sie während der Spieltage haben. Ich weiß noch, ein Spiel gegen Nürnberg war es wohl, wo es über einige Tage -17 °C kalt war. Da geht die Wärmepumpe in die Knie, weil auch das Grundwasser entsprechend auskühlt. Wir mussten reagieren und stellten eine mobile Station dazu. Aber das ist in den ganzen 13 Jahren einmal der Fall gewesen.“
Leistungsrücknahme bei Schnee
Damals plante man nach dem kurzfristigen Wärmebedarf direkt zu Spielanfang. Sozusagen ohne Vorheizen. Bullern. In dieser Überdimensionierung sowie dem Umbau zu einer Hybridanlage mit KWK steckt heute die Reserve. „Solch eine Hybridanlage, so wie sie jetzt dasteht, ist eigentlich für die Zukunft genau das, was wir auch in anderen Bereichen brauchen. Die Leistung reicht aus, wenn man sie richtig betreibt“, gehen die Experten nochmals auf den Punkt „Bedarf“ ein. „Wichtig ist: Man muss vorausschauend regeln. Darauf mussten wir und auch das Team vor Ort uns erst einmal einstellen. Bei so einer Anlage reicht es eben nicht aus, wenn am Samstag um 15.30 Uhr das Spiel beginnt, um 8 Uhr die Technik einzuschalten, ein bisschen zu belüften, dann kommen 30.000 Leute, dann schalten wir den Rasen ein und dann passt es. Da haben auch wir lernen müssen; wie geht man mit so einem Stadion oder wie geht man mit so einer innovativen Technik um? 2008/2009 fehlten uns noch einige Standards. Die Leistung konnten wir nach und nach zurücknehmen, weil wir die Anlage jetzt viel vorausschauender fahren. Wir arbeiten heute mit den Wetterdaten.“
Thomas Heigemeir unterstreicht: „Wir haben gelernt, gerade wenn sich Schnee ankündigt, sogar mit der Leistung herunterzugehen. Früher wurden wir regelmäßig unruhiger und dachten, der Rasen muss die ganze Zeit grün sein. Das Ganze ist ein Trugschluss, das mussten wir erst lernen. Heute verwendet man im Endeffekt den Schnee als Isolierschicht oder als Abdeckung und kann somit unter der Schneeschicht die Temperatur halten. Man muss die Leistung nicht mit der Wärmepumpe hochfahren. Am Spieltag wird der Schnee heruntergenommen, dann braucht man kurz ein paar Kilowatt mehr, damit der Reststoff im sogenannten Schmelzverfahren abtaut und hat zum Spielbeginn einen grünen Rasen. Das sind wichtige, energieeffiziente Erfahrungswerte, die man mit der Zeit sammelt. Kein Dauerbetrieb. Es bringt halt nichts, wenn man den Schnee schon vorher abräumt. Dann gefriert im Endeffekt der Rest und man verbraucht wieder wahnsinnig viel Leistung, um diese Kristalle zu entfernen. Solche vorausschauenden Kniffe sind Teil des Erfahrungsschatzes zur Optimierung der Leistungen.“
Noch erwähnenswert
Aus Sicht der Energieeffizienz kann sich auch die 2017 errichtete neue Fassade der WWK Arena sehen lassen. Sie besteht aus einem Geflecht aus aluminiumeloxierten Einzelstäben. Diese werden auf einer Gesamtlänge von mehr als 20.000 m in drei Ebenen plus Lichtebene montiert. Beleuchtet wird das Geflecht durch 135 eingebundene Leuchtstäbe mit energiesparender LED-Ausstattung.