Verschärfte Baustandards führen zu immer dichteren Gebäudehüllen bei Neubauten und sanierten Gebäuden. Kontrollierte Wohnraumlüftung (KWL) gewinnt auch deshalb als Technik des modernen Wohnens stetig an Bedeutung, sie stellt den notwendigen Luftaustausch im Gebäude sicher. Modernes Wohnen definiert sich so unter anderem über die komfortable, gesunde und klimafreundliche Ausstattung von Wohngebäuden. Seit gut einem Jahr ist das Labelling von Wohnraumlüftungsgeräten in der EU Pflicht – was bedeutet es für Hersteller, Handel, Fachhandwerker und Bauherren?
Eine Wohnraumlüftungsanlage ist für die drei Aspekte Komfort, Wohngesundheit und Nachhaltigkeit von großer Bedeutung. Sie entlastet den Bewohner von eigenhändiger Fensterlüftung und garantiert mit vollautomatischem Komfort die für jede Wohnsituation passende Belüftung. Durch den Austausch der verbrauchten Raumluft durch gefilterte Außenluft stellt die Lüftungsanlage eine gesunde Wohnsituation her. Vor allem Geräte mit Wärmerückgewinnung (WRG) helfen Bewohnern dabei, klimafreundlich zu leben. Sie gewinnen einen großen Anteil der Raumwärme für die frische Außenluft zurück und senken somit die Betriebskosten und den Energieaufwand der konventionellen Heizung.
Die EU-Kommission hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Klimafreundlichkeit von Lüftungsanlagen zu steigern und stärker über deren Bedeutung für energieeffizientes Wohnen zu informieren. Mit Wirkung zum 1. Januar 2016 hat sie die Verordnungen zur Regelung der Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung von Lüftungsanlagen (Nr. 1253/2014) und zur Kennzeichnung der Energieeffizienz (Nr. 1254/2014), bekannt als Ökodesign-Label, verabschiedet. Laut Prognose steigern diese das Potential der Energieeinsparung von Lüftungsanlagen (im Wohn- und Nicht-Wohnbereich) um bis zu 45 Prozent.
Hauptsächlich beim Stromverbrauch sieht die Kommission erhebliche Einsparpotentiale. Mindeststandards und verpflichtende Herstellerangaben über die Effizienz sollen die Wahl der Endverbraucher auf effiziente Produkte lenken. Dies soll Hersteller zu Maßnahmen veranlassen, die den Verbrauch von Energie und anderen wichtigen Ressourcen durch ihre Geräte verringern.
Ein Beispiel schafft Klarheit
Um die Auswirkungen der Verordnungen zu verstehen, versetzen wir uns in die Position eines fiktionalen Herstellers, der ein durchschnittliches Gerät namens "GuteLuft" verkaufen will. Er hat "GuteLuft" bereits bei einer offiziellen Prüfstelle nach deutschen und EU-Normen testen lassen und eine Zulassung des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) erhalten. Somit dürften Handwerker "GuteLuft" in deutschen Wohngebäuden installieren. Der Hersteller will jetzt herausfinden, wie er es auch konform mit den Verordnungen (EU) Nr. 1253/2014 und 1254/2014 vertreiben kann.
Die Verordnungen beschreiben Wohnraumlüftungsanlagen als Lüftungsanlagen mit maximalem Luftvolumenstrom von 250 m³/h oder maximal 1.000 m³/h, wenn das Gerät ausschließlich für Wohnräume bestimmt ist. "GuteLuft" ist ein zentrales Lüftungsgerät für Wohnräume durchschnittlicher Größe, es fällt mit einem Einsatzbereich von 60 bis 240 m³/h unter diese Definition.
Jeweils ein Ventilator mit Höchstleistung von 80 W führt dem Innenraum Zuluft zu und einer leitet die verbrauchte Abluft ab. So übertrifft "GuteLuft" die Grenze für die minimale elektrische Leistung von 30 W pro Luftstrom. Für Geräte mit geringerer Leistung gelten noch keine Anforderungen, diese müssen nur mit Produktinformationen ausgestattet werden.
Lüftungsanlagen, die Wärmeübertrager und Wärmepumpen kombinieren oder "eine Wärmeübertragung oder -entnahme über die des Wärmerückgewinnungssystems hinaus ermöglichen" (1253/2014, Artikel 1g), benötigen kein Label. Das Beispiel "GuteLuft" verfügt zur Wärmerückgewinnung nur über einen rekuperativen Wärmeübertrager, der die thermische Energie der Abluft in die Zuluft leitet.
Erfüllt ein Wohnraumlüftungsgerät alle Voraussetzungen, dann darf der Hersteller es vertreiben und muss seinen Pflichten nachkommen. Das Energieeffizienz-Label sowie ein Produktdatenblatt mit Informationsanforderungen müssen seit dem 1. Januar 2016 bei jeder Darstellung gegenüber dem Kunden, beispielsweise im Handel, beigefügt sein. Der Hersteller ist sich sicher, dass "GuteLuft" unter die Verordnungen fällt. Er beginnt damit, sein Label zu erstellen.
Neben der Produktbezeichnung sind dort drei Kennwerte anzugeben: die Energieeffizienzklasse, der Schallleistungspegel L!SUB(wa)SUB! des Gehäuses in dB und der maximale Luftvolumenstrom in m³/h. "GuteLuft" wird auf dem Label mit zwei jeweils nach oben und unten weisenden Pfeilen als Zu-/Abluftanlage gekennzeichnet. Reine Zu- oder Abluftanlagen werden mit einem nach oben weisenden Pfeil dargestellt.
Den Schallleistungspegel übernimmt der Hersteller aus dem Prüfbericht der EN 13141-7. Bis auf die Energieeffizienzklasse liegen also alle Angaben vor. Geräte werden in Klassen von A+ (besonders energieeffizient) bis G (Gerät verbraucht mehr Energie, als es einspart) eingestuft. Letztere dürfen seit Januar 2016 nicht mehr in der EU vertrieben werden. Ab 2018 wird auch der Vertrieb von Geräten mit den Klassen E und F verboten.
Für die Klassifizierung braucht unser Hersteller das Ergebnis des spezifischen Energieverbrauchs (SEV) in kWh/(m²·a). Dessen Berechnung basiert auf der Annahme, dass der Betrieb eines Lüftungsgeräts – durch effizienteres Lüften sowie die Wärmerückgewinnung – im Vergleich zu manuellem Lüften und einer konventionellen Heizungsanlage den Energieverbrauch senkt. Vereinfacht gesagt, erhält man den SEV, wenn man die jährliche Einsparung an Heizenergie vom jährlichen Stromverbrauch des Gerätes abzieht. Je negativer der SEV ausfällt, desto mehr Primärenergie spart die Anlage ein.
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Verschiedene Faktoren beeinflussen den spezifischen Energieverbrauch
Der SEV wird für drei Klimazonen berechnet, wobei die Klassifizierung immer anhand des SEV für durch-schnittliches Klima – die Zone, in der Deutschland liegt – erfolgt. In der Berechnung spielen allgemeine physikalische Größen genauso eine Rolle wie die Konfiguration des Lüftungsgeräts und dessen Prüfergebnisse. Verschiedene Faktoren, wie die jährliche Betriebsdauer (t!SUB(a)SUB!) und Konstanten für die Klimazonen warm, durchschnittlich und kalt, greifen ein. Die Konfiguration wird durch die allgemeine Typologie (kanalgeführt oder nicht-kanalgeführt), die Steuerung der Lüftung (bedarfsgesteuerte Geräte erreichen zum Beispiel ein besseres Ergebnis als Geräte mit manueller Bedienung) und die Art von Motor und Antrieb (bei variablem Antrieb erreicht das Gerät die beste Energieeffizienz) berücksichtigt.
Als Messwerte aus Prüfungen nach EN 13141 sind der Temperaturänderungsgrad der Wärmerückgewinnung η!SUB(t)SUB! und die spezifische Eingangsleistung (SEL) von Bedeutung. Hierbei bezeichnet η!SUB(t)SUB! die Effektivität des Wärmeübertragers, also wie viel Wärmeenergie das Gerät prozentual zurück in den Raum führen kann. Die spezifische Eingangsleistung (SEL) ist die Lüftungseffizienz. Für die Berechnung wird die Eingangsleistung der im Gerät befindlichen Komponenten, außer der Frostschutzfunktion, durch den erreichten Luftvolumenstrom dividiert. Je geringer der SEL ausfällt, desto mehr Luftvolumen fördert eine Anlage pro Eingangsleistung.
Als durchschnittliches Gerät erreicht "GuteLuft" einen η!SUB(t)SUB! von 0,88 und einen SEL von 0,22, es ist standardmäßig mit mehrstufigem Antrieb und einer zeitgesteuerten Lüftung ausgerüstet. Anhand der vorliegenden Daten errechnet der Hersteller einen spezifischen Energieverbrauch von -38,54 kWh/(m²·a), somit erhält "GuteLuft" die Energieeffizienzklasse A. Für ein besseres Marketing von "GuteLuft" sucht der Hersteller nach der einfachsten Lösung, die Effizienzklasse A+ zu erreichen.
Er entwickelt eine teurere Variante, "GuteLuft sensor", mit Steuerung der Lüftung über mehrere Sensoren (lokal bedarfsgeführt), welche die beste Klasse erreicht. Der Hersteller entscheidet sich dazu, beide Gerätevarianten in Deutschland zu verkaufen. Er erstellt die jeweiligen Label und Datenblätter mit Informationsanforderungen, auf denen er Herstellerangaben sowie wichtige Gerätekonfigurationen und -eigenschaften angeben muss. "GuteLuft" und "GuteLuft sensor" sind jetzt marktreif. Fachhandwerker haben mit Labels und den zusätzlichen Informationen neue Möglichkeiten, mit denen sie ihren Endkunden den Nutzen der Geräte erklären.
Fazit: Ökodesign-Label ersetzt die Planung nicht
Durch das Label und verpflichtende Geräteangaben schaffen die EU-Verordnungen zum Labelling von Wohnraumlüftungsgeräten eine besser informierte Kundschaft. Bauherren und Bauinteressierte können die Effizienz von Geräten leicht vergleichen und ihre Kaufentscheidung rational begründen. Die Aussagen zur Passgenauigkeit eines Geräts zu einem konkreten Bauvorhaben sind aber beschränkt. Es obliegt weiterhin dem Planer und den Fachhandwerkern, ein sinnvolles Lüftungskonzept zu erstellen und den Kunden anhand dessen passende Geräte vorzuschlagen. Nur mit einer auf die Baueigenschaften abgestimmten und richtig eingebauten Lüftungsanlage können die am Bau beteiligten Fachkräfte langfristige Energieeffizienz sicherstellen.
Die EU-Vorgaben für Wohnraumlüftungsgeräte sind – insbesondere bezüglich der Schallemissionen – sinnvolle Ergänzungen zu den Richtlinien des DIBt. Die Angabe des Gehäuseschalls auf dem Label ist aber nur bei nicht-kanalgeführten Geräten, die direkt im Wohnbereich installiert werden, wirklich relevant. Zudem gelten die Schall-Grenzwerte nur für derartige Geräte, von denen die meisten aufgrund ihrer geringen Eingangsleistung noch nicht von den Mindestanforderungen betroffen sind. Bei kanalgeführten Geräten können nur fachgerechte Planung und ordnungsgemäßer Einbau die Gehäuse- und Luftstromlautstärke auf ein komfortables Niveau begrenzen.
Bauherren entscheiden sich immer öfter für nicht-kanalgeführte Lüftungssysteme wie alternierende Lüfter. Hersteller dieser Lösungen müssen zwar die Produktinformationen bereitstellen, die Geräte fallen aber nicht unter die sonstigen Vorgaben des Labellings. Aufgrund der steigenden Marktanteile dieser Lüftungstechniken erscheint eine Erweiterung der Verordnungen sinnvoll.
Die meisten Geräte mit Wärmerückgewinnung erreichen eine Klasse im Bereich von B bis A+, wirkliche Unterschiede in der Leistung sind eher in den Produktinformationen als auf dem Label zu erkennen. Insofern hat der Markt die Vorgaben nahezu überholt, eine weitere Verschärfung der Anforderungen über die ab 2018 geltenden hinaus sollte im Fokus der EU-Kommission stehen.