Die richtige Hydraulik für Nahwärme aus Kesseln und BHKW-Modulen

Vereint produzieren, getrennt versorgen

In Nahwärmeobjekten mit BHKW-Modulen und Gas-Brennwertkesseln lohnt es sich, nach Mög­lichkeit aus bestimmten verordnungsrechtlichen Bestimmungen heraus, das Heizungswasser der beiden Erzeuger nicht grundsätzlich in ein- und denselben Kreis einzuspeisen. Eine solche Hydraulik bietet viele Vorteile, wie sich - nicht nur - am hier vorgestellten Konzept in Dresden-Pieschen zeigt.

Das frühere Elbfischerdorf Pieschen, im Nordwesten der Landeshauptstadt Dresden an der Grenze zu Radebeul gelegen, verlor mit der Eingemeindung in die sächsische Metropole 1897 seine Selbstständigkeit. Die Gebietsreform bescherte dem ohnehin schon prunkvollen Dresden ein weiteres architektonisches Schmuckstück, das gerade neu gebaute Rathaus der Kommune. 1891, als Elbflorenz noch Nachbarstadt Pieschens war, hatte der Rat der Gemeinde den reich verzierten Backsteinbau – natürlich aus Elbsandstein im typischen Historismus-Stil der Gründerzeit errichtet – bezogen. Deutschland war junges Kaiserreich, das hatte sich auch in den öffentlichen Objekten widerzuspiegeln.

Nahwärme statt Fernwärme

In das Kellerlabyrinth des Denkmals musste zur Jahreswende 2016/2017 wegen Erweiterungsmaßnahmen mit neuen Abnehmern im Komplex eine größere Heiztechnik mit einer Leistung von insgesamt 800 kW hinein.

Wie dimensioniert und strukturiert man nun als Contractor optimal eine KWK-Anlage plus Kessel, wenn am Nahwärmenetz Alt- und Neubauten, für die unterschiedliche Rechtsordnungen gelten, und sowohl Mieter als auch Eigentümer mit stark differierendem Wärme- und Strombedarf hängen? Und wenn Blöcke, Puffer, Kessel in die verschachtelten Kellerräume eines Denkmal geschützten Gebäudes eingebracht werden müssen?

Unter anderem ist strategisches Denken gefragt, wie in Dresden-Pieschen.

Dem Auftraggeber wäre eine Fernwärmestation am liebsten gewesen. Denn USD Immobilien, der Projektentwickler des Areals mit einem Altbau, dem Rathaus, mit Neubauten, nämlich der benachbarten Markus-Passage, einem Bibliotheksgebäude und einem französischen Spezialitätengeschäft, wollte wenig mit der Heizung zu tun zu haben.

Direkt konnte jedoch die Drewag, als örtlicher Versorger und vertraglicher Contractor, damit nicht dienen. Einfach aus dem Grund nicht, weil in diesem Abschnitt Pieschens keine Fernwärme liegt. Also schlug die Abteilung "Energienahe Dienstleistungen" der Gesellschaft "Fernwärme aus der Nähe" (Drewag) vor, aus einer Nahwärmeinsel zu einem Preis, der sich mit dem Fernwärmetarif decken würde, zu versorgen. Der Bauherr sagte zu.

Wegen der vielen kleinen Kellerräume standen die Planer vor einer Puzzle-Aufgabe. Es mussten drei Brötje-Gas-Brennwertkessel (2 x 300 kW plus 1 x 170 kW), vier 1.000-l-Pufferspeicher und drei "XRGI"-BHKW-Module von EC Power – um nur die größten Brocken zu nennen – im Kellergeschoss verteilt werden.

Dieses Puzzle erschwerte noch die ältere vorhandene Gas-Brennwert-Kesselanlage von Viessmann mit ihren 300 kW, die nur für das Rathaus zuständig war und vorerst in Betrieb bleiben musste. Die Sanierung, inklusive dem Netzausbau zu einer Nahwärmeversorgung der benachbarten Neubauten, lief parallel.

Kaskade ohne Schallprobleme

Bei der Inbetriebnahme Ende März dieses Jahres schüttelte Henning Astermann aus der Abteilung "Energienahe Dienstleistungen" der Drewag aber mit dem Kopf auf die Frage, ob er bei einem großzügigeren Raumangebot auf eine andere Anlagenkonfiguration gekommen wäre: "Nein. Es stimmt zwar, die Platzbedingungen engten unseren Freiraum ein, weil wir alles durch die Türen kriegen mussten. Zugegeben, ein 50-kW-Aggregat oder noch größer kann man eventuell zerlegen.

Aber Sie holen sich mit den größeren Einheiten zwei Probleme sprichwörtlich ins Haus: Das erste ist der Schall. Es ist beinahe unmöglich, den in Wohn- und Geschäftshäusern auf die Toleranzschwelle zu re­duzieren. Eine Dreier-Kaskade mit dreimal 20 kW elektrisch ist deutlich leiser. Deshalb installieren wir im sensiblen Wohn- und Geschäftbereich ohnehin in erster Linie Kaskaden mit kleineren EC Power-Maschinen. Wir bauen mittlerweile das 50. »XRGI«-Aggregat des Herstellers ein.

Auch aus diesem zweiten Grund: wegen der besseren Regelbarkeit. Der Regelbereich der großen Maschinen reicht üblicherweise von 50 bis 100 Prozent. Bei 60 kW elektrisch kommen Sie nicht unter 30 kW. Unterstellen wir, dass sich auch kleinere Maschinen in diesem Leistungsband bewegen, dann heißt das aber, dass Sie eine Dreier-Kaskade mit dreimal 20 kW auf 10 kW herunterfahren können. Eingestanden, die Kaskade geht etwas mehr ins Geld. Das stimmt aber schon dann nicht mehr, wenn Sie eine große Maschine in geteilter Ausführung einbringen und wieder zusammenbauen müssen. Das macht die Angelegenheit sogar teurer. Wir haben durchkalkuliert, hier im Rathaus erwies sich die »XRGI«-Gruppe preiswerter als eine Großmaschine."

Auflagen für den Neubau

Wieso lediglich 3 x 20 kW elektrisch bei insgesamt 800 kW thermisch? Wäre mehr nicht wirtschaftlicher?

"Das ist eine Aufwand-Nutzen-Frage, in die auch das Energieeinsparungsgesetz hineinspielt beziehungsweise der notwendige erneuerbare Energienanteil für den Neubau. Thermisch stellt ja jedes Aggregat immerhin 40 kW zur Verfügung. Den Strom nutzen wir im Komplex gar nicht. Wir speisen in das öffentliche Netz ein. Das hat etwas mit den verschiedenen Nutzern zu tun. Die haben keinen großen Elektrizitätsbedarf. Die Installation einer doppelten Zähleranlage, die Abrechnung und anderer Aufwand mehr lohnen nicht für den geringen Bedarf.

Hinzu kommt: Die hydraulische Schaltung legten wir so aus, dass die noch im Bau befindliche Markus-Passage vorrangig die Wärme aus der KWK-Kaskade erhält, das Rathaus beziehungsweise Ortsamt dagegen Kesselwärme bezieht. Das hat verschiedene Vorteile."

Henning Astermann meint damit, dass für den Neubau am Nahwärmenetz wegen der reinen KWK-Wärmeversorgung die Pflicht entfällt, 15 Prozent des Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen ­decken zu müssen. § 7 des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes (EEWärmeG) akzeptiert die KWK als Ersatzmaßnahme, wenn sie auf mindestens 50 Prozent des Bedarfs ausgelegt ist.

Die hydraulische Schaltung zielt aber nicht nur darauf ab, der Neubau profitiert aufgrund der BHKW-Wärme noch von einem zweiten KWK-Bonus: Die EnEV belohnt Fern-/Nahwärme, wenn sie zu 70 Prozent aus Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen kommt, mit einem Primärenergiefaktor von pauschal 0,7. Der zahlt sich vor allen Dingen in Einsparungen an den Dämmmaßnahmen aus. USD Immobilien hatte diesen Wert vor­gegeben. In der Regel stammt Fernheizwasser aus unterschied­lichen Erzeugungsanlagen. Der Primärenergiefaktor muss dann nach einer relativ komplizierten Formel berechnet werden. Das hätte in Pieschen auch für einen Nahwärme-Mix aus Kessel- und Motorwärme gegolten. Mit der Versorgung des Neubaus jedoch zu mindestens 70 Prozent aus den "XRGI"-Modulen lag der verlangte Primärenergiefaktor 0,7 amtlich abgesegnet ­direkt auf dem Tisch.

!PAGEBREAK()PAGEBREAK!

Einsparungen an der Dämmung

Generell spricht ohnehin mehr für eine bessere Heiztechnik als für eine überdicke Wärmedämmung. Der energetische Gewinn der Isolierung hängt von zahlreichen Einflussfaktoren ab. Die effiziente Heizung dagegen schlägt in der Regel immer im Ertrag zu Buche.

Die Einschränkung "in der Regel" bezieht sich auf die Installation und auf die Planung. Beide Bereiche müssen selbstverständlich von einer Qualität sein, die nicht die höheren Wirkungsgrade beziehungsweise Jahresnutzungsgrade in der Praxis verspielt. Der ­korrekte hydraulische Abgleich aller Netze und Komponenten sei hier nur beispielsweise erwähnt. Die Branche weiß das mittlerweile. Es zeichnet sich ab, dass zukünftige Bestimmungen eher Gewicht auf die reale weitere Absenkung der Wärmeverluste mithilfe der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA) legen als auf Dezimeter dicke Dämmschichten.

Nach § 53a Energiesteuergesetz haben Betreiber von Strom erzeugenden Heizungen ferner einen Anspruch auf nachträgliche Erstattung der Energiesteuer für den im Blockheizkraftwerk verwendeten Brennstoff, wenn innerhalb einer typischen zehnjährigen Abschreibungsphase der Jahresnutzungsgrad über 70 Prozent liegt.

Die Module müssen zwar hocheffizient im Sinne der An­lage III der EU-Richtlinie 2004/8/EG sein; dieses Kriterium erfüllen aber natürlich die EC Power-Maschinen. Zum Nachweis des Nutzungsgrades muss ein Wärmemengenzähler installiert sein, der in den meisten BHKW schon werkseitig integriert ist.

Kraft-Wärme-Kopplung mit Zukunft

Doch ist KWK angesichts des wachsenden Stromüberschusses aus Photo­voltaik- und Windanlagen überhaupt noch sinnvoll?

Drewag-Ingenieur ­Astermann: "Auf ­jeden Fall. Eine KWK-Anlage können Sie ganz anders ­regeln als Photovoltaik und Windstrom. Die vier 1.000-l-Puffer erlauben eine wärme-, eine strom- und eine tarifgeführte Fahrweise. Je nach Bedarf, Angebot und Tarif. Deshalb bereiten wir alle unsere Neubauten mit einer entsprechenden Verdrahtung bereits auf smarte Zähler vor.

Hätten wir eine Kollektoranlage, könnten wir natürlich auch deren Energie über einen Heizstab einspeisen. Kollektoren hat der Plan aber nicht vorgesehen. Für eine Abnahme negativer Regelenergie aus dem Netz bieten sich dagegen solche Kleinspeicher, wie hier aufgestellt, zurzeit noch nicht an. Die Regelungstechnik ist einfach viel zu teuer. Angebot und Nachfrage für den Kleinstleistungsbereich sind für den Netzbetreiber eigentlich weitgehend unkalkulierbar. Um das Einspeisen und das Ausspeisen auszubalancieren, bedarf es einer sehr aufwendigen Regelmimik. Das lohnt sich nicht. Wir selbst haben einen entsprechenden Test durchgeführt.

Großspeicher machen Sinn, auch deshalb, weil der Gesetzgeber fordert, diese Puffer nach einem Regelfahrplan zu bedienen. Generell gilt für die KWK, dass sie als Ausgleichsenergie bestens geeignet ist, wegen ihrer guten Steuerbarkeit. Ich bin mir sicher, die Kraft-Wärme-Kopplung wird für die Energiewende sehr wichtig sein."

Wenn der Strompreis fällt, Herr ­Astermann, kommt dann ein Contractor noch auf seine Kosten? Sie bieten ja mehrheitlich alle Tarife unter dem ortsüblichen an.

"Der Preis ist wichtig. Der steht aber nicht alleine im Vordergrund. Bei einer komplizierten größeren Anlage sagte der Investor regelmäßig: »Mit der Heizung will ich nichts zu tun haben. Wen rufe ich überhaupt an, den Elek­triker, den BHKW-Mann oder den Heizungsbauer?« Nein, die wollen sorgenfrei Wärme und Strom. Wir haben hier in und um Dresden die Erfahrung gemacht, dass Projektentwickler ihre Neubau-Immobilie gut mit dem Argument verkaufen können, dass sich der Käufer nicht um die Wärmeversorgung kümmern muss. Er braucht keine Rücklagen für die Erneuerung der Wärmeerzeugung bilden. So etwas überzeugt viele. Selbstverständlich muss der Preis für beide ­Seiten stimmen. Wir berechnen für die Nahwärme den normalen Fernwärmepreis."

BHKW plus Absorptionskälte?

Die Drewag liefert auch Kälte. Mit einer Absorptions-Kältemaschine erschließen sich für BHKW-Anlagen weitere Einsatzgebiete, vor allem in der Industrie. Die Aggregate, die die KWK-Wärme in Kälte umwandeln, spielen ihre Vorteile vor ­allem dann aus, wenn überschüssige Wärme nicht genutzt werden kann, beispielsweise in den Sommermonaten.

Über KWKK (Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung) wird seit einiger Zeit vermehrt geredet. Zumal seit 2014 die Förderrichtlinien des Bundes einen Zuschuss von 25 Prozent an neuen Sorptions-Kälteanlagen vorsehen. Die BHKW könnten durch eine längere Laufzeit davon profitieren.

Sind solche Konstellationen für die Drewag ein Thema?

"Absorptionskälte weniger. Für den Wohnbereich ist solch eine Kombination viel zu teuer. Selbst bei größeren KWK-Anlagen, im Industriebereich, wird man sich mit der Wirtschaftlichkeit schwer tun, von Ausnahmen abgesehen. Sorptions­kälte macht eigentlich nur dort Sinn, wo große Abwärmemengen zur Verfügung stehen. Da muss es keine teure Elektrizität für eine Kompressionskälte sein."

Montag, 11.09.2017