Spülen der Fußbodenheizung kann zum Totalschaden führen
"Meine Fußbodenheizung wird nicht richtig warm": Derartige Meldungen von Kunden zu Beginn der Heizperiode kommen in Sachen Dringlichkeit einer abgesetzten Brandmeldung gleich. Der Heizungsfachmann sollte doch sofort kommen und das Problem schnell lösen – es ist kalt.
Kundenorientiert schickt man schnell einen Monteur zur Anlage und schließt den Spülschlauch an, da es ja die letzten Male schon so gemacht und danach auch etwas besser wurde. In Abhängigkeit des Verschlammungsgrades und der fest abgelagerten Korrosionspartikel kann sich die "gut gemeinte Maßnahme" aber schnell zu einem Totalschaden der Fußbodenheizung entwickeln.
Denn in den Heizkreisläufen befinden sich inkrustiert harte und weiche Bestandteile. Spült man mit geringem Durchfluss, trägt man nur die weichen Bestandteile ab, bis klares Wasser kommt. Die hart inkrustierten Ablagerungen bleiben vorhanden. Steigert man die Spülintensität, beispielsweise mit einer Druckimpulsspülung, lösen sich abrupt auch die festen Bestandteile in unkontrollierter Form und Größe und können den Kreislauf durch Aufstau irreversibel verschließen. Dieses Gemisch aus festen und zähen Korrosionsmaterialen wird derart stark zusammengepresst, dass ein weiteres Durchkommen unmöglich ist – die Folge: ein "Rohrinfarkt".
Immer mehr solcher Fälle
Die Zahl der Kundenanrufe, die ein derartiges Problem schildern, steigt nach Angabe von Marco Fröhlich von der TGA Rohrinnensanierung AG, Fürth, kontinuierlich. Die Technikabteilung des Anbieters der "oxy-proof-system"-Sanierungstechnik sei in diesem Winter nahezu täglich mit solchen Problemen konfrontiert worden.
Objekte, bei denen annährend 70 Prozent der Fußbodenheizkreise komplett durch Spülmaßnahmen verdichtet wurden, seien eher die Regel als die Ausnahme. "Nach eingehender Prüfung solcher Anfragen konnte teilweise nur noch der Totalschaden der Kreisläufe festgestellt werden. Hätte man hier bereits im Vorfeld agiert, als noch geringe Durchflüsse vorhanden waren, könnte sich die Anlage heute wieder in einem Neuwertzustand befinden", appelliert Fröhlich an die SHK-Fachbetriebe. Man müsse doch kritisch hinterfragen, ob diese Art der "Ertüchtigung" vor dem Hintergrund der möglichen Risiken und Schadenersatzforderungen überhaupt noch den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspräche.
Aber wie wird die allgemein anerkannte Regel der Technik (im Folgenden a.a.R.d.T.) grundsätzlich definiert?
Eine technische Regel ist dann allgemein anerkannt, wenn sie (Quelle: Technikstandards, Mark Seibel, "Abgrenzung der allgemein anerkannten Regeln der Technik vom Stand der Technik", NJW 41/2013):
a.) der Richtigkeitsüberzeugung der vorherrschenden Ansicht der technischen Fachleute entspricht und darüber hinaus
b.) in der Praxis erprobt und bewährt ist.
Die Definition der a.a.R.d.T. sagt jedoch noch nichts darüber aus, wie sich die bei den Fachleuten vorherrschende Ansicht und die praktisch erprobten/bewährten technischen Regeln konkret bestimmen lassen. Für die Konkretisierung dieses Standards haben technische Regelwerke, zum Beispiel vom DIN und VDI, eine besondere Bedeutung. Bei der sogenannten "DIN-Gläubigkeit" sollte man dennoch Vorsicht walten lassen, da das Einhalten der entsprechenden Vorgaben nicht zwangsläufig zum Einhalten der a.a.R.d.T. führt.
Beispielsweise können auch mündlich überlieferte technische Regeln zur Konkretisierung herangezogen werden, selbst wenn sie nicht schriftlich niedergelegt worden sind. Trotz der in Deutschland vorhandenen "Normenflut" gibt es immer noch Bereiche, in denen die anerkannten und bewährten Vorgehensweisen keinen Eingang in schriftliche Regelwerke wie etwa Normen gefunden haben, sondern beispielsweise allein nach den (überlieferten) Erfahrungen von Handwerkern zu beurteilen sind. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass technische Regelwerke beachtet werden müssen, aber auch praktische Erfahrungen von Handwerkern Einfluss auf die a.a.R.d.T. nehmen. Darüber hinaus ist mit zu betrachten, dass die a.a.R.d.T. keinen Stillstandsprozess darstellen. Sind Normen veraltet oder überholt? Gibt es neuartige Verfahrenstechniken?
"Um dem Anspruch zur Einhaltung der a.a.R.d.T. gerecht zu werden, ist es erforderlich, sich tagtäglich selbst zu hinterfragen: Erfülle ich mit meiner konkreten Vorgehensweise noch den aktuellen Anspruch der a.a.R.d.T? Nicht immer muss etwas, was vor Jahrzenten gelehrt wurde, heute noch aktuell sein", betont Marco Fröhlich.
Neue Fußbodenheizungen immer sauerstoffdicht
Kein Heizungsfachmann würde demnach bei einem Kunden ein diffusionsoffenes Kunststoffrohr als Fußbodenheizungsrohr neu verlegen. Er würde stets darauf achten, dass die zu verlegenden Rohre sauerstoffdicht nach DIN 4726 ("Warmwasser-Flächenheizungen und Heizkörperanbindungen – Kunststoffrohr- und Verbundrohrleitungssysteme") sind. Nun behandelt dieser Beitrag aber bestehende, diffusionsoffene Systeme – das heißt, das Rohr liegt schon seit Jahrzehnten im Fußboden. Ist es hier nicht naheliegend, das Rohr nachträglich auf einen Standard gemäß DIN 4726 im Sinne der Diffusionsdichtigkeit zu bringen?
VDI 2035, Blatt 2, beachten
Wie einleitend beschrieben, birgt das Spülen dieser Rohre im Bestand die Gefahr des Totalschadens. Im Sinne der technischen Regelwerke und letztendlich im Sinne der Definition der a.a.R.d.T. sollte also ein Blick in die VDI 2035, Blatt 2 ("Vermeidung von Schäden in Warmwasser-Heizungsanlagen – Wasserseitige Korrosion") geworfen werden. Unter Punkt 6.2 "Sauerstoff" ist zu lesen: Die Füll- und Ergänzungswassermenge soll während der Lebensdauer der Anlage das Dreifache des Wasserinhaltes der Anlage nicht überschreiten.
Wird man nun dieser Forderung gerecht, wenn man in einer Heizperiode mehrfach die Fußbodenheizung spült und somit unter Umständen hunderte von Litern Heizungswasser aus-tauscht?
Die Antwort ist schnell gefunden, denn hier ist die VDI 2035, Blatt 2 eindeutig: Die wichtigste Anforderung zur Vermeidung von Korrosionsschäden ist das sauerstoffarme Heizungswasser (s. Abschnitt 6.2). Erfahrungsgemäß treten in korrosionstechnisch geschlossenen Anlagen, die mit unbehandeltem Heizwasser betrieben werden, keine Korrosionsschäden auf.
Des Weiteren findet sich unter Punkt 8.3.3 "Betrieb, Wartung, Instandhaltung" folgende Aussage: Bei Anlagen mit hohen Nachspeisemengen (z.B. bei über zehn Prozent des Anlageninhalts pro Jahr), ist unverzüglich die Ursache zu suchen und der Mangel zu beseitigen. Zu beachten ist, dass bei ständig hoher Nachspeisung von Füll- und Ergänzungswasser auch für die Bauteile in Fließrichtung nach der Einspeisestelle eine erhöhte Korrosionswahrscheinlichkeit besteht.
Fazit
Das Spülen von verschlammten, diffusionsoffenen Fußbodenheizungen birgt Risiken, die zum Totalausfall der Fußbodenheizung führen können. Jedes Jahr müssen in ganz Deutschland durch Spülmaßnahmen verdichtete Fußbodenheizkreise stillgelegt werden.
"Spülmaßnahmen, in welcher Form auch immer, als reine Wasser- oder Druckimpulsspülungen, werden dem heutigen Anspruch der a.a.R.d.T. nicht mehr gerecht. Sie stellen eine Symptombekämpfung und keine Ursachenbeseitigung dar", unterstreicht Marco Fröhlich von TGA Rohrinnensanierung. Weiterhin existieren Vorgaben in technischen Regelwerken, die im Widerspruch zu durchgeführten Spülmaßnahmen stehen.
Die Möglichkeit, diffusionsoffene Rohre nachträglich normenkonform sauerstoffdicht zu machen, ist gegeben. Jedoch setzt die Machbarkeit dieser Sanierungstechnik Kriterien voraus, die bei durchgeführten Spülmaßnahmen unter Umständen nicht mehr gegeben sind. Oder einfacher ausgedrückt: "Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, kommt jede Hilfe zu spät."
Optionen sind ebenfalls denkbar, von der Neuinstallation, respektive Kernsanierung der Fußbodenheizung, bis hin zur Umstellung der Beheizungsart (z.B. Heizkörper, Wandheizungen).