In Bobingen hat Paul Kammerer sein Elternhaus aus den 1980er-Jahren zum modernen, solar versorgten „Smart Home“ umgebaut.
Verwandlung eines 80er-Jahre-Hauses zum „Smart Home“
In Bobingen hat Paul Kammerer sein Elternhaus aus den 1980er-Jahren zum modernen, solar versorgten „Smart Home“ umgebaut.
Mit den dach- und fassadenintegrierten Photovoltaik-Modulen (PV-Leistung: etwa 19 kWp) und einem Stromspeichersystem (17,5 kWh) kann er fast die Hälfte des Energiebedarfs für Wärme, Strom und E-Mobilität klimaschonend decken.
Der Kontrast könnte kaum größer sein: Das Haus von Paul Kammerer ist zum großen Teil verglast – auf der Westseite mit schwarzen PV-Modulen im Dach und in der Fassade, zur Südseite mit einer großen Glasfläche, die bis unter den Giebel reicht. Direkt daneben steht ein Einfamilienhaus in herkömmlicher Bauweise: Das Satteldach ist mit roten Ziegeln bedeckt, Gauben und ein Kamin ragen empor, die Fassade ist weiß und passt zu den Balkonen aus hellem Holz. Etwa so sah auch das Haus von Kammerer bis 2019 aus. Es entsprach der traditionellen Bauweise in der Kleinstadt Bobingen im Landkreis Augsburg.
Als der IT-Experte beschloss, mit seiner Familie in das Elternhaus aus den 1980er-Jahren zu ziehen, nahm er den Sanierungsbedarf zum Anlass, ein Eigenheim ganz nach seinen Vorstellungen daraus zu machen. Heute wohnt die vierköpfige Familie in einem sanierten Einfamilienhaus, das sowohl gestalterisch als auch energetisch mit anspruchsvollen Neubauten mithalten kann. Aufgrund der PV-Anlage, eines E3/DC-Hauskraftwerks und einer Grundwasser-Wärmepumpe kann die Familie fast die Hälfte ihres Energiebedarfs für Wärme, Strom und E-Mobilität solar decken. Diesen Anteil will Kammerer aber noch steigern.
Paul Kammerer ist technikaffin und legt, wie seine Frau Angelika Hübner, ebenfalls großen Wert auf Ästhetik. Deshalb hatten die beiden schon recht genaue Vorstellungen, als sie zu dem Architekten Rainer Drasch Kontakt aufnahmen. „Beim Entwurf und bei der Auslegung unseres Umbeziehungsweise Neubaus haben wir nicht von vornherein ein energieautarkes Haus angestrebt“, erzählt er. „Unsere Prämisse war, das Bestandshaus nach Beseitigung aller vorhandenen Mängel und Bauschäden auf ein zeitgemäßes energetisches Niveau zu trimmen.“ Ziel war es, auf Neubaustandard (KfW-„Effizienzhaus 100“) zu kommen.
Außerdem wollte das Paar einen „guten Kompromiss zwischen Design, Komfort und Ökologie“, wobei sich der Ökologie-Aspekt auf die Herangehensweise, die Materialien und den späteren Betrieb bezog. Konkret: Statt des Totalabrisses entschieden sie sich für den Umbau des geerbten Elternhauses, statt Beton und Kunststoff wollten sie Holz und die Energieversorgung sollte möglichst ohne lokalen CO!SUB(2)SUB!-Ausstoß möglich sein. „Im Laufe der Planung und der Bauarbeiten konnten unsere zum Energieverbrauch gesteckten Ziele dann deutlich übererfüllt werden“, fährt Kammerer fort. Das Ergebnis ist ein Haus mit „KfW 40“-Standard und einem verhältnismäßig hohen Autarkiegrad für einen Umbau.
Zunächst analysierten die Bauleute und Architekt Drasch, was von dem alten Haus aus dem Baujahr 1985 erhalten werden könnte. „Es war in einem sehr schlechten Zustand und durch die mangelhafte Dämmung gab es schon viele Schäden“, blickt der Eigentümer zurück. Das führte dazu, dass alles oberhalb des Erdgeschosses und die alte Garage abgerissen wurden. Es blieben aber zwei Baukörper: Im größeren Teil verblieb der Eingang, der durch eine Verglasung ins Hausinnere geholt wurde. Der kleinere Teil, in dem sich heute der Schlafbereich der Eltern befindet, wurde um einen Meter verlängert und der Linie des Hauptbaukörpers angeglichen. Das neue Gebäude besitzt circa 400 m2 beheizte Wohn- und Nutzfläche, verteilt über Keller, Erd- und Obergeschoss.
„Ein Haus ohne Photovoltaik ist heute nicht mehr zeitgemäß“, stand für Kammerer fest – und ebenso, dass die Solarmodule aus Gründen der Ästhetik schwarz sein sollten. Da seine Frau und er möglichst viel Strom selbst erzeugen wollten, sollte die PV-Anlage zudem möglichst groß sein. Für den Architekten Rainer Drasch wurde dies zu einer Herausforderung. Wie seine Auftraggeber legt er Wert auf eine hohe Ästhetik – und die Tüftelei, wie und wo PV-Module mit möglichst viel Gesamtleistung optisch ansprechend installiert werden könnten, begann.
Aus mehreren Optionen entschieden sie sich dafür, die Westseite des größeren Baukörpers komplett für die Solarstromerzeugung zu nutzen. Kammerer fand im Internet die monokristallinen BIPV-Module von 3S Swiss Solar Solutions und kontaktierte den Ingolstädter Solarfachbetrieb Bauer Energietechnik, der die Module des Schweizer Herstellers in Deutschland vertreibt (BIPV = Building Integrated PV = gebäude-integrierte Photovoltaik). Mit den kleinteiligen Abmessungen von 130 x 87,5 cm passten sie perfekt, Sonderanfertigungen waren nicht nötig. Die rahmenlosen Module wurden vollflächig in das Dach und in die Fassade integriert. Von einem Lieferanten konnte der Schweizer Modulhersteller auch zwei passende Dachfenster beisteuern, die optisch perfekt in das Solardach integriert wurden. Die 99 gebäudeintegrierten PV-Module im Dach und in der Fassade haben eine elektrische Gesamtleistung von 18,81 kW. An der Fassade ist der Solarertrag vergleichsweise niedriger, dafür ist die senkrechte Fläche bei tiefstehender Sonne im Winter von Vorteil.
„Die Gebäudeintegration sollte mehr Schule machen“, betont Ferdinand Bauer von Bauer Energietechnik, der auf die Gebäudeintegration von PV-Anlagen spezialisiert ist. „Damit spart man auch Materialien.“ Auch Architekt Drasch ist zufrieden: „Früher wurden Module nach Belieben auf den Dächern verteilt, da hat sich viel getan in der Zwischenzeit.“ Wichtig für die Planung seien sehr gute technische Informationen zu den Modulen und die habe er von der Firma Bauer erhalten.
Für eine möglichst hohe Eigenversorgung mit Solarstrom ist ein Energiespeichersystem erforderlich. Ist der Strombedarf hoch, wie es hier aufgrund der Größe des Hauses, der Wärmepumpe, des Elektroautos, aber auch zahlreicher beruflich und privat genutzter Geräte und Unterhaltungselektronik der Fall ist, muss der Stromspeicher entsprechend groß ausgelegt werden. Kammerers Entscheidung fiel auf ein Hauskraftwerk „S10 E Pro“ von E3/DC. Dazu riet auch Ferdinand Bauer, der schon an die 450 Stromspeicher des Herstellers verbaut hat. „Ein DC-gekoppeltes System war das erste Kriterium, außerdem sprach die »All-in-one«-Bauweise für E3/DC und die »Pro«-Serie eignet sich sehr gut bei hohem Stromverbrauch.“
Die Akkus im Hause Kammerer haben eine nutzbare Speicherkapazität von 17,5 kWh und können eine Spitzenlast von 9 kW abdecken (Dauerleistung: 7 kW). Zudem ist der Speicher insel- und notstromfähig sowie schwarzstartfähig. In dem Speichersystem befindet sich auch der Wechselrichter für die Dachanlage. Er wird durch einen zweiten Wechselrichter für die Fassadenanlage ergänzt.
Im Technikraum hängt auch der Schrank mit dem KNX-System für die Haussteuerung und das Energie- und Klimamanagement. Das System steuert den Energiespeicher, die Wärmepumpe, die Verschattung der Fenster und zahlreiche andere technische Geräte im „Smart Home“. Die Regelung sorgt auch dafür, dass überschüssiger Solarstrom in Form von Wärme eingespeichert wird. Der Pufferspeicher hat ein Fassungsvermögen von 900 Litern, der Warmwasserspeicher fasst 300 Liter.
Kammerer hatte günstige Voraussetzungen für eine Grundwasser-Wärmepumpe, die nun bei ihm im Keller steht. Der Untergrund ist kiesig und im Garten konnte er einen 14 m tiefen Brunnen bauen. Vier Kubikmeter Grundwasser mit einer Temperatur von etwa 10 °C werden pro Stunde angesaugt. Das auf 4 °C abgekühlte Wasser fließt im hinteren Teil des Gartens wieder in den Erdboden. Die Leistungszahl (Heiz-COP) der Wasser/Wasser-Wärmepumpe von Hoval, mit passiver Kühlfunktion, liege bei bis zu 6,7. Reduziert wird der Wärmebedarf in dem Gebäude durch die Glasfassade auf der Südseite, die hohe passive Solargewinne bringt. Eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung (WRG) komplettiert das Energiesystem, sie kommuniziert auch mit der Wärmepumpe. „Kontrollierte Wohnraumlüftung ist heute Standard“, unterstreicht Architekt Drasch. Bei luftdichter Dreischeibenverglasung sei ein gutes Lüftungskonzept aber natürlich auch notwendig, um Schimmel vorzubeugen.
Seit Mai 2021 lebt die Familie in ihrem neuen Haus, das mit einem Bestandshaus aus den 80er-Jahren nicht mehr viel gemein hat. Paul Kammerer, seine Frau und ihre zwei Söhne genießen den Wohnkomfort in ihrem hochmodernen Heim, der einen entsprechenden Strombedarf mit sich bringt. Knapp 25.000 kWh Strom verbrauchten sie von August 2021 bis Juli 2022 in dem Haus, davon hatte die Wärmepumpe einen Anteil von 10.800 kWh. Ferdinand Bauer erklärt den hohen Verbrauch damit, dass der Estrich noch bis in den Januar 2022 nachgetrocknet werden musste. Er schätzt, dass der Gesamtbedarf im zweiten Betriebsjahr auf circa 18.000 kWh sinken wird. Kammerer führt den Strombedarf weiterhin auf das Elektroauto zurück, das er früher als geplant angeschafft hat. Zum Aufladen des Akkus des E-Autos ist eine E3/DC-Wallbox „easy connect“ mit einer Ladeleistung von maximal 22 kW in der neuen Garage installiert.
Die PV-Anlage erzeugte im betrachteten Zeitraum rund 15.100 kWh Solarstrom. Die Autarkie-Quote lag bei 47 Prozent. Dies ist Kammerer, der ansonsten mit seinem neuen Haus rundum zufrieden ist, aller-dings zu wenig. Deshalb plant er schon Erweiterungen. Auf der Ostseite will er im kommenden Frühjahr voraussichtlich weitere Module mit 8 kW Gesamtleistung installieren lassen, selbstverständlich auch wieder schwarze, aber diesmal nicht dachintegriert, da ansonsten das neue Dach nochmals umgebaut werden müsste. Zusätzlich wird das Speichersystem erweitert, was bei der „Pro“-Serie von E3/DC problemlos möglich ist. Die neue Solarstromanlage wird AC-seitig an das Hauskraftwerk angeschlossen.
„Energieautarkie stand nicht auf der Anforderungsliste, hat sich aber offenbar aus der Aneinanderreihung der anderen Anforderungen, wie ressourcenschonend und nachhaltig Konstruieren und Bauen, so ergeben“, fasst Paul Kammerer mit einem Schmunzeln zusammen. Und auch sein oberstes Ziel hat er erreicht: „Wir wollten ein schönes Haus und das haben wir bekommen.“ Dem schließt sich sein Architekt Rainer Drasch an: „Es war eine aufwändige Sanierung, aber mit dem Ergebnis bin ich sehr zufrieden.“
Freitag, 30.06.2023