Es muss nicht Sonne pur sein

Kreishaus Rendsburg heizt und kühlt aus der Zisterne

Seit Frühjahr 2019 versorgt einer der voluminösesten Eisspeicher in Schleswig-Holstein die beiden großen Häuser Kreishaus und „Uhrenblock“ im Quartier „Neuwerk Süd“ in Rendsburg. Konkret bedient er insgesamt neun Elektro- und Gas-Wärmepumpen. Mit seinen 560 m3 Inhalt trägt er dazu bei, dass jährlich 170 t CO2 eingespart werden können. Auch der „Solarzaun“ als Wärmequelle für die Zisterne ist etwas Besonderes.

Der „Solarzaun“ bzw. die Luft-Absorber-Anlage steht auf derselben Wiese, unter der die Bauleute den Betonzylinder vergossen. Die Planung geht von einem Deckungsanteil der Umweltenergie am Wärmebedarf des Komplexes von 75 Prozent aus. Für den Ausgleich des Defizits zur Spitzenlast sind die vorhanden Gas-Brennwertkessel in den beiden Immobilien zuständig.

1,1 Mio. Euro haben die Stadtwerke Rendsburg in den Eisspeicher investiert, rund 200.000 Euro Förderung gab es vom Land. Den ersten Spatenstich machte unter anderen der heutige Grünen-Chef Robert Habeck, in Schleswig-Holstein stellvertretender Ministerpräsident und Umweltminister in den Jahren 2012 bis 2018.

Die Speicherwärme in der Bandbreite von 0 bis 15 °C spannt eine Kaskade von Gas-Absorptionswärmepumpen und Elektro-Wärmepumpen auf die gewünschte Vorlauftemperatur hoch. Wärmeabnehmer sind die Radiatoren und teilweise Flächenheizungen in den beiden denkmalgeschützten Altbauten. Die historischen Backsteingebäude blicken auf eine wechselhafte Vergangenheit zurück. Der „Uhrenblock“ aus dem Jahr 1880, dem eine längst entschwundene überdimensionale Uhr in der Fassade den Namen gab, diente lange Zeit als Kaserne und nach dem Zweiten Weltkrieg als Flüchtlings-Unterkunft. Später erwarb ihn der Kreis Rendsburg-Eckernförde und erwog den Abriss. Ein privater Investor verhinderte das mit dem Ankauf. Er sanierte den Block zu einem Wohn- und Gewerbekomplex. Dienstleister, wie Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, ein Restaurant und anderes Gewerbe zogen ein. Die zweite Hälfte der Nutzfläche von 8.500 m2 teilen sich unterschiedlich große Wohnungen. Das Gebäude II, das heutige Kreishaus, machte die Kreisverwaltung Rendsburg-Eckernförde zu ihrem Dienstsitz.

Drei Elektro-, sechs Gas-Wärmepumpen

Die Wärmepumpen-Kaskade zur Sicherung des Energiebedarfs beider Gebäude besteht aus drei elektrisch betriebenen Viessmann-Groß-Wärmepumpen mit jeweils 82,8 kW (Typ „Vitocal 300-G Pro“) sowie sechs gasbetriebenen Absorptionswärmepumpen von Robur mit einzeln 38 kW für den Betriebspunkt B0/W50. Sie temperieren den Vorlauf bis 55 °C. Der zaunähnliche Solarabsorber als Energiequelle aus insgesamt rund 40 Luft-Kollektoren für eine Leistung bis 145 kW hat gegenüber der solarthermischen Variante den Vorteil, dem Eisspeicher keine Hochtemperatur liefern zu müssen. Selbst Lufttemperaturen von 10, 15 und natürlich 20 °C kommen, je nach Jahreszeit, dem Wärmeinhalt der Zisterne zugute. Deren Vereisung ist nicht Pflicht. Die steht erst an dritter Stelle, was die Umweltenergienutzung angeht. Zuerst temperiert der „Solarzaun“ den Solekreis der Wärmepumpen direkt. Nur den Überschuss verlagert die Regelung in den Betonzylinder, beziehungsweise steht dieser als Puffer zur Verfügung, wenn die Wärmepumpen abschalten.

Erst so gegen März/April wird ein Teil des Inhalts nahe dem Gefrierpunkt eingefroren sein und die sommerliche Kühlung der Räume übernehmen. Deren „Abwärme“ forciert das Auftauen, beschleunigt also die Regenerationszeit in und um den Behälter. Der füllt sich mit Wärme für den winterlichen Heizbetrieb. Die Heizkörper in den Altbauten gestatten die Kühlung allerdings nur in Grenzen. Die Regenerationssituation wird sich verbessern, wenn der Erweiterungsbau zum Kreishaus steht. Die Technische Gebäudeausrüstung (TGA) dort ist auf den Kühlbetrieb ausgelegt – davon profitiert die Wärmespeicherung.

Gas-Wärmepumpen der Energiekosten wegen

Die Energiezentrale im Quartier „Neuwerk Süd“ errichtete die Metternich Haustechnik GmbH aus dem nordrhein-westfälischen Windeck. Das Unternehmen mit dem Geburtsjahr 1947 stellte sich schon früh in den 90er-Jahren mit dem Schwerpunkt regenerative Energien neu auf. Die Erfahrungen mit den unterschiedlichsten Wärmepumpensystemen, Umweltwärmequellen, Energien wie Gas und Strom, Eisspeicher und Naturspeicher lassen sich an der Referenzliste ablesen, die mit prominenten Namen und mannigfaltigen Projekten gefüllt ist. Die Kombination Elektro- mit Gas-Wärmepumpen ist für Metternich ebenfalls nichts Neues. Nicht wenige Auftraggeber entscheiden sich für diese Aufgliederung, der Energiekosten wegen. Die reduzieren sich nämlich.

Zwar kommen Gas-Motor- oder Gas-Absorptionswärmepumpen im besten Fall gerade mal an eine Leistungszahl nahe COP 2 heran, arbeiten also mit einer deutlich niedrigeren Umwelteffizienz als elektrische Wärmepumpen. Doch Strom kostet das Vierfache von Gas. Trotz Halbierung des Wirkungsgrads liegen die Betriebskosten der Gasvariante deutlich unter denen von Elektro-Wärmepumpen. Deshalb gehört für größere Objekte die Verknüpfung beider Technologien nicht zur Ausnahme. Die CO!SUB(2)SUB!-Bepreisung fossiler Brennstoffe dürfte daran vorerst nichts ändern. Selbst 50 oder 60 Euro für die Tonne CO!SUB(2)SUB! verschieben die Verhältnisse nicht wesentlich. Ist schon bei üblicher Niedertemperatur die Kostendifferenz beachtlich, erhöht sie sich mit steigenden Vorlauftemperaturen respektive Wirkungsgradverlusten – also im Gebäudebestand. Einfach deshalb, weil sich Abstriche an der Effizienz bei hochpreisiger Elektrizität monetär stärker bemerkbar machen als bei günstigerem Gas.

Biogas zur Verbesserung der Umweltbilanz

Der im Moment verschenkte Umwelteffekt lässt sich mit Biogas kompensieren. Das muss nach den Verordnungen und Muster-Einspeiseverträgen Erdgasqualität haben, sodass Gas-Wärmepumpen einen Wechsel gar nicht wahrnehmen.

Und die Nachfrage nach Biogas beziehungsweise nach Aufbereitungsanlagen nimmt zu. Unter anderem wollen immer mehr Kommunen das Verfahren der Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) übernehmen: Das landeseigene Dienstleistungsunternehmen veredelt die Abfälle der Biotonne, die in Berlin „Biogut-Tonne“ heißt, in der hochmodernen Vergärungsanlage im Berliner Stadtteil Ruhleben zu Biogas für das Erdgasnetz und zum Betanken von rund 165 Müllfahrzeugen. Die Kapazität ist ausgeschöpft. Über 60 Prozent des organischen Abfallguts gehen mittlerweile diesen Weg, an eine zweite Einrichtung ist deshalb gedacht. Die Gärreste übernimmt die Landwirtschaft als Kompost.

Mittwoch, 27.10.2021