Die meisten Reklamationen bei Fußbodenheizungen im Wohnungsbau konzentrieren sich auf den Bereich des Wohnungsflurs: Zu hohe, nicht regelbare Raumtemperaturen, Parkettschäden insbesondere vor Verteilerkästen, Spannungsrisse im Estrich, unzumutbare Oberflächentemperaturen usw. – Energieverschwendung und Komforteinbußen sind die Konsequenzen.
Der mündige Verbraucher bzw. Immobilienkäufer und -nutzer kennt das Problem inzwischen und nutzt es für Kaufpreis-Rückforderungen oder Mietreduzierungen. Bis heute gibt es in Bezug auf die oben geschilderte Problematik keine technisch einwandfreien Vorgaben der Industrieverbände, aber (Gott sei Dank) vereinzelt Lösungen von Herstellern.
"Technische Lösungen" oder doch eher "Kompromisse"?
1.) Beheizen muss man Flure, wenn Wärmeverluste aus der Heizlastberechnung abzüglich der Wärmegewinne zu decken sind. Der Flur soll vollflächig einen eigenen regelbaren Heizkreis bekommen. Ab 6 m² Raumfläche muss er entsprechend der EnEV 2014, § 14, Abs. 2, mit einer thermostatischen Regelung ausgestattet werden.
2.) Nicht beheizt werden innenliegende Wohnungsflure, wenn keine Heizlast zu decken ist. Allerdings soll, wenn die restliche Wohnung mit Fußbodenheizung ausgerüstet ist, der Flurboden temperiert werden. Der Komfort in der Wohnung darf nicht eingeschränkt werden. Für die konstante Bodentemperierung ist eine Regulier- und Absperrmöglichkeit, aber keine thermostatische Raumregelung, sinnvoll und notwendig. Die Wärmeabgabe des Bodens an den Raum soll gegen null gehen.
Der gesamte Flurboden soll eine gleichmäßige Beheizung bzw. Temperierung aufweisen, um auch Materialspannungen im Estrich zu vermeiden und Komfort zu generieren. Im Folgenden einige "Technische Lösungen", die derzeit praktiziert werden (leider sind das jedoch nur Kompromisse):
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Zuleitungen durch den Flur können isoliert im Estrich verlegt werden. Dadurch wird die Wärmeabgabe der Rohre zwar reduziert, ist aber nicht regelbar. Auf der freien verbleibenden Flurboden-Fläche wird ein zusätzlicher regelbarer Heizkreis verlegt. Da meistens keine Wärme im Flur gebraucht wird, schließt der Thermostat, der Boden wird hier – im Bereich des regelbaren Heizkreises – immer kalt bleiben. Das ist nicht nur eine Komforteinbuße, es entstehen auch Spannungen im Estrich. Die Estrichüberdeckung nach DIN 18560-2 über dem isolierten Rohr muss eingehalten werden. Wird kein höherer Estrich im Flur eingebracht, sind diese Bereiche oberhalb der Rohre als Sollbruchstellen vorprogrammiert, die mit den Spannungen im Estrich zu Schäden führen können.
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Zuleitungen vom Verteiler zum Raum sollen unterhalb des Estrichs in der Dämmung verlegt werden. Damit wäre tatsächlich die unkontrollierte Wärmeabgabe der Zuleitungen vom Tisch. Die komplette Estrichfläche des Flures könnte spannungsfrei einen eigenen Heiz- oder Temperierkreis aufnehmen. Das "Auftauchen" der Zuleitungen in die Estrichebene jeden Raumes ist das Problem. Es gibt keine sichere technische Lösung, die Rohrdurchdringung so abzudichten, dass ein Einsickern des Estrichs in die Dämmung vermieden wird, um die kinematische Zähigkeit der Dämmung nicht negativ zu verändern. Das Schallschutzproblem ist vorprogrammiert. Im mehrgeschossigen Wohnungsbau würde das kein Architekt zulassen. Ein zusätzliches Problem im mehrgeschossigen Wohnungsbau ist der Abstand der Rohr-Dämmhülsen, der eingehalten werden muss, um die Stabilität der Dämmung als Auflage für den Estrich zu gewährleisten. Beispielsweise brauchen die Zuleitungen von sechs nebeneinanderliegenden Heizkreisen schon eine Flurbreite von über einem Meter.
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Eine sinnvolle Anordnung der Verteiler im Flur bzw. mehrere Verteiler pro Wohnung lösen das Problem nicht. Die Summe der Zuleitungslängen ist, egal wo der Verteiler im Flur platziert wird, immer die gleiche. In der Praxis gibt der Architekt heute schon den Standort vor. Die Entfernung zum Steigstrang und auch optische Aspekte sind ausschlaggebend. Zwei Verteiler pro Wohnung oder Unterverteiler für Räume mit mehreren Heizkreisen sind keine gängige Praxis.
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Die Heizwassertemperatur weiter herunterzusetzen, um die unkontrollierte Wärmeabgabe der Zuleitungen zu reduzieren, macht keinen Sinn. Nach DIN EN 1264-3 bestimmt der ungünstigste Raum mit dem größten spezifischen Wärmebedarf die Vorlauftemperatur. Ein weiteres Reduzieren der Vorlauftemperatur bedeutet Zusatzheizflächen in diesem ungünstigsten Raum. Zudem wird die unkontrollierte Wärmeabgabe der Zuleitungen nur geringfügig reduziert.
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Größere Rohrdimensionen zu wählen, löst das Problem ebenfalls nicht. Im mehrgeschossigen Wohnungsbau werden hauptsächlich Rohre nicht unter 16 oder 17 mm Durchmesser eingebaut. Allerdings wäre es sinnvoll, wenn die Vertreiber von Fußbodenheizungs-Systemen die alte Empfehlung an den Heizungsbauer von 100 bis 130 m/Kreis auf 150 bis 170 m/Kreis heraufsetzen. Im Vergleich zu damals hat sich heute die Heizlast und somit die Kreis-Wassermenge auf etwa 50 Prozent halbiert. Größere Rohrlängen pro Kreis bedeuten weniger Kreise mit weniger Zuleitungen.
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Bei Trockensystemen können die Zuleitungen aus Platzgründen nicht isoliert werden. Der Wegfall der Wärmeleitbleche darunter reduziert die Wärmeabgabe der Rohre drastisch, aber nicht ausreichend. Die Bleche haben aber zusätzlich die Funktion der Lastverteilung, die durch den Wegfall stark reduziert wäre und zu Bodenschäden führen kann.
Fast alle Kompromisse haben auch eine höhere Raumtemperatur im Flur zur Folge: Da stellt sich auch nicht die Frage, welche Temperatur kann oder muss noch toleriert werden. Bei dieser Temperatur handelt es sich außerdem um eine nicht regelbare, dauernde Raumtemperatur. Alle Temperaturen über der Temperatur der umliegenden Räume stellen eine Komforteinbuße dar – Energieverschwendung inklusive.
Vielleicht sollte man einfach den Raumtemperatur-Empfehlungen der DIN EN 12831 und denen der Fußbodenheizungs-Hersteller folgen. Eine Raumtemperatur von 20 °C bei Fußbodenheizung ist optimal. Jedes Grad weniger spart sechs Prozent Energie, heißt es.
Es bleibt demnach festzuhalten: Alle in diesem Zusammenhang bekannten Kompromisse stellen keine praktikablen technischen Lösungen dar. Es liegt keine "Härte" im Sinne § 25 der EnEV vor, um überhaupt Kompromisse zu rechtfertigen.
Über diese Kompromisse äußerte sich denn auch ein kompetenter Fachmann öffentlich. Prof. Dr.-Ing. Michael Günther schreibt in einem Fachbeitrag in der HLH, Januar 2017: "Außerdem sind seitens aller Hersteller praktikable Lösungen zu entwickeln, die dem Handwerk gerecht werden und somit helfen, das Thema der unkontrollierten Wärmeabgabe durchlaufender Zuleitungen für alle Baubeteiligten ad acta legen zu können."
Er hat Recht.
Es ist nicht nachzuvollziehen, warum die Industrie und deren Verbände seit Jahren keine gesicherten, verbindlichen Empfehlungen diesbezüglich an ihre Kunden aussprechen können. Der Planer, der den derzeitigen "Sonderlösungen" folgt, wiegt sich in Sicherheit und muss sich später (unter Umständen) vor Gericht mit dem "Gesetzgeber", der angeblich diese Lösungen toleriert, herumschlagen. Zusätzliche Rohrschleifen im Wohnungsflur , um die ganze Estrichfläche zu beheizen, sind nicht gestattet.
Der Wohnungsflur ist kein "Nebenraum"! Er ist der zentrale Raum der Wohnung. Alle Wege zwischen den Räumen der Wohnung führen über den Flur. Auch von einer kurzzeitigen Nutzung kann keine Rede sein. Bei Architekten heißt der Slogan: "Vom Flur zum Entree, vom Durchgangszimmer zum Empfangsbereich".
15 oder 20 °C Raumtemperatur im Wohnungsflur?
Für eine jahrelang empfohlene Notlösung wurde ferner die DIN EN 12831 "missbraucht". Diese regelt die Berechnung der Heizlast und hat mit der Fußbodenheizung nichts zu tun. Diese Heizlastberechnung gilt für alle Formen der Wärmeabgabe, wie Heizkörper-, Fußboden- und Luftheizungen, gleichermaßen. Alle diese Systeme haben unterschiedliche technische Voraussetzungen, Ziele und Eigenschaften.
Die Begründung lautete: "In der DIN EN 12831, Regeln zur Berechnung der Heizlast, wird unter 3.2, Tabelle 4/9, die empfohlene Rechentemperatur für »Flure, Treppenhäuser« mit +15 °C angegeben."
In einer früheren Ausgabe dieser DIN 4701 sind in dieser Tabelle gar +10 °C statt +15 °C empfohlen worden. Es handelte sich hier vermutlich aber nicht um den Wohnungsflur, sondern um den Hausflur, also der Raum zwischen Haustüre und Treppenhaus (Quelle: Wikipedia).
Ein Verband zitiert diese Tabelle aus der DIN fälschlicherweise mit "Flure, Dielen, Treppenhäuser…". Das ist irreführend, denn der Begriff "Diele" kommt in der DIN nicht vor.
Im Zusammenhang mit Fußbodenheizungen und Komfort wird immer eine gleichmäßige Raumtemperatur in allen Räumen der Wohnung empfohlen. Alle Fußböden, auch in der "Diele", sollen aus Komfortgründen ähnliche Oberflächentemperaturen aufweisen – zumindest nicht kalt sein. In der Praxis kann die Raumtemperatur für den Wohnungsflur vom Planer und Bauherren frei gewählt werden.
Bei 20 °C Raumtemperatur muss im Normalfall nur bei außenliegenden Fluren eine geringe Heizlast über die Fußbodenheizung gedeckt werden. Ein auf 15 °C gerechneter innenliegender Flur hat in der Regel keine Heizlast, er muss nicht beheizt werden.
Nochmal: Der Boden soll jedoch nicht kalt sein. Ein kalter Boden zwischen beheizten Räumen einer Wohnung mit Fußbodenheizung stellt eine eklatante Komforteinbuße dar! Es wäre paradox zu glauben, der Endverbraucher würde einen kalten Fußboden im Flur tolerieren, während in anderen Räumen die Temperaturwelligkeit des Bodens als Komforteinbuße reklamiert wird.
Der Bauherr, der sich auf seinen Berater, den Planer oder Heizungsbauer, verlässt, nimmt in den notariellen Kaufvertrag mit dem Wohnungskäufer häufig den Satz auf: "Flur als Nebenraum wird nicht beheizt". Damit ist diese Komforteinbuße vertraglich besiegelt. Die juristischen Folgen dieses Satzes sind nicht abzusehen. Der Wohnungskäufer als Nichtfachmann kann und muss sich darunter nichts vorstellen können. Erst die Zusatzinformation "Der Fußboden dieses Raumes bleibt kalt" würde den Käufer hellhörig machen.
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Die Aufgabe fehlerfrei lösen!
Das "Problem" Fußbodenheizung im Wohnungsflur, mit den geschilderten Nebenwirkungen unkontrollierte Wärmeabgabe der Zuleitungen, eigener Heizkreis und spannungsfreie, gleichmäßige Estrichtemperatur, hat seinen Ursprung also im System.
Früher, in den 1970er-Jahren, wurden die Heizkörper über eine zentrale Wohnungsverteilung angeschlossen – das sogenannte "Spaghetti-System".
Die Anbindeleitungen unter dem Estrich zwischen Verteiler und Heizkörper durften nicht gekuppelt werden. Lösbare Rohrverbindungen unter dem Estrich waren nicht zulässig. Die Raumtemperatur-Regelung erfolgte über ein thermostatisches Heizkörperventil. Der Materialeinsatz war hoch, die unkontrollierte Wärmeabgabe der Zuleitungen wurde toleriert. Erst die Einführung unlösbarer Rohrverbindungen mit Weichstahlrohr war die Lösung. Rapide wurde die dezentrale Verteilung auf dem Rohfußboden mit kreuzungsfreien T-Stücken zum Standard.
Bis heute stellt die dezentrale Verteilung – bei Anlagen mit Heizkörpern – die einzige Alternative bei Wohnungsverteilungen mit freien Heizflächen dar.
Verblüffende Parallelen gibt es bei der Fußbodenheizung bzw. raumflächenintegrierten Wärmeübergabesystemen. Denn die heutige zentrale Wohnungsverteilung bei Fußbodenheizungen ist ebenfalls ein "Spaghetti-System".
Von einem zentralen Wohnungsverteiler werden die Heizkreise der Räume über Zuleitungen angeschlossen. Lösbare Rohrverbindungen sind nicht gestattet. Die thermostatische Einzelraumregelung ist ebenfalls kompliziert: Der Raumfühler übermittelt die Messinformation an den Stellantrieb im Verteilerkasten über ein Kabel oder Funk. Der elektrische Stellantrieb und die Verbindung zum Raumfühler verursachen Material-, Wartungs- und Stromkosten.
Kurz und gut: Eine dezentrale Verteilung löst die Probleme auch bei der Fußbodenheizung.
Um die unkontrollierte Wärmeabgabe zu vermeiden, werden die einzelnen Zuleitungen im Estrich vom Verteiler zu den Räumen hier durch ein Verteilleitungspaar unter dem Estrich, auf dem Rohfußboden, ersetzt. Der Flur bekommt einen eigenen Kreis zum Heizen oder Temperieren. Der Wohnungsverteiler entfällt ganz.
Die gesetzlich vorgeschriebene thermostatische Einzelraumregelung für jeden Raum kann zudem, aus wirtschaftlichen wie ökologischen Gründen, ein weitgehend wartungsfreier Stetigregler ohne Hilfsenergie übernehmen. Bei dieser Variante können die elektrischen Stellantriebe und die elektrischen Leitungen zwischen den Räumen und dem Verteiler ebenfalls entfallen. Diese Einzelraumregelungen werden übrigens von allen führenden Armaturenherstellern angeboten.
Interessant ist natürlich ein komplettes Fußbodenheizungs-System mit dezentraler Verteilung. Das "Unidis"-System von Oventrop bietet alle System-Komponenten an, zum Beispiel verschiedene Einzelraumregler, Wohnungsübergabestationen, Montagekanäle, vorgefertigte Rohranschlüsse, Kreuzungsfittings, Trittschalldämmung, Rohre mit Montagezubehör, Verbindungsstücke mit DVGW-Zulassung.
Das Kernstück des Systems ist die "Unibox E BV", eine thermostatische Einzelraumregelung mit patentiertem Bypass.
Dieser Bypass, der Energieeinsparung und Komfort generiert, löst nebenbei auch das Problem Flur-Beheizung bzw. -Temperierung: Ist der Flur über 6 m² groß und wird Heizlast gefordert, arbeitet das Thermostatventil der "Unibox" normal. Wird keine Heizlast gefordert und ist das Thermostatventil geschlossen, kühlt der Boden aber nicht komplett aus. Der Bypass übernimmt dann nämlich die geforderte Temperierung des Bodens.
Die individuell einstellbare Wassermenge kann so genau eingestellt werden, dass über die Temperierung hinaus keine Wärme an den Raum abgegeben wird. Soll von Anfang an auf die Wärmeabgabe im Flur verzichtet werden, wird also ausschließlich die Fußbodentemperierung gewünscht, kann eine Variante ohne Raumfühler aber mit Bypass-Ventil eingebaut werden.
Einen aktuellen Kommentar zu den Entwicklungspotentialen im Bereich der Flächenheizungen und Flächenkühlungen finden Sie hier.