Nicht zuletzt die „Fridays for Future“-Bewegung und die Corona-Krise haben den Fokus auf die Themen „Schutz der Umwelt“ und „Nachhaltigkeit“ gelenkt. Bauwerke können hier einen erheblichen Beitrag leisten, denn sie verursachen rund 35 Prozent des Endenergieverbrauchs und etwa 30 Prozent der CO!SUB(2)SUB!-Emissionen in Deutschland. Unter diesem Gesichtspunkt ist ein Verschärfen der energetischen Anforderungen, die das Gebäudeenergiegesetz (GEG) 2020 formuliert, für das Erreichen der Klimaschutzziele absehbar. Automatische Regelungs- oder Abschaltfunktionen, zum Beispiel Kontaktschalter, die bei geöffnetem Fenster die Heizung herunter regeln, zielen schon jetzt in diese Richtung.
Solche und weitere Einsparpotentiale zu finden und Anforderungen der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA) zu erfüllen, erleichtert die Digitalisierung. Das gilt auch für die Planungsmethoden und Prozesse der Baubranche: Beim Building Information Modeling (BIM) arbeiten die Projektbeteiligten von Beginn an koordiniert an einem zentralen, digitalen 3D-Modell („Gebäudezwilling“). Darin sind alle Bauteile nicht nur grafisch dargestellt, sondern auch mit relevanten Informationen, wie Abmessungen, Materialien und weiteren Eigenschaften, verknüpft. Hieraus lassen sich wiederum Nachweisdokumente generieren – etwa ein Energieausweis und die Unterlagen, die im Rahmen der Planung, Ausführung oder des Betriebs eines Projekts der TGA nach der Richtlinie VDI 6026 Blatt 1 („Dokumentation in der technischen Gebäudeausrüstung – Inhalte und Beschaffenheit von Planungs-, Ausführungs- und Revisionsunterlagen“) zu erstellen sind.
Nachhaltige Häuser sollten auf allen Ebenen für einen energiesparenden Betrieb ausgelegt sein. Denn der Erfolg stellt sich nicht automatisch durch die Verbesserung von einzelnen Bauteilen oder durch Austausch oder Ergänzung der TGA ein. Vielmehr zählt das Zusammenspiel: Welche Auswirkungen hat es zum Beispiel, wenn die Klimaanlage nicht auf den Sonnenschutz abgestimmt ist? Ein typischer Fall, wie in der Praxis Energie und Geld verschwendet wird – speziell in Bürobauten.
Möglichst realitätsnahe Abbildungen erhalten
Sowohl neue Normen und Standards als auch das damit einhergehende zunehmende Errichten von energetisch hocheffizienten Projekten – wie Passiv-, Niedrigstenergie- und Plus-Energie-Bauten – stellen verstärkte Anforderungen an die Gebäudehülle und die TGA. Dementsprechend etabliert sich die dynamische Gebäudesimulation mehr und mehr als integrales Planungswerkzeug. Sie hilft, das komplexe thermische und energetische Verhalten geplanter und gebauter Immobilien abzubilden. So werden Wechselwirkungen mit dem Wetter vor Ort, den Nutzern sowie der TGA erfasst, Energieströme bilanziert. Die Simulationsergebnisse geben dann Auskunft über die zu erwartende Behaglichkeit und den rechnerischen Energiebedarf und erlauben, diese Kriterien zu optimieren.
Das Passivhaus (PH) genügt mit einem Heizwärmebedarf von maximal 15 kWh/(m2a) schon seit den 1990er-Jahren den Forderungen der EU-Gebäuderichtlinie 2010 und in der Folge dem GEG 2020, nach denen ab 2021 ausschließlich solche Bauten errichtet werden sollen, die ihren sehr geringen Energiebedarf überwiegend selbst decken („Niedrigstenergiegebäude“). Dort, wo ein PH nicht realisierbar oder gewünscht ist, kann die TGA mit energieeffizienten Geräten zentraler Bestandteil für den adäquaten Umgang mit Energie werden. Wichtig dafür ist, dass die Nutzer die Auswirkungen ihres Handelns auf den Verbrauch richtig beurteilen können. Zudem müssen die einzelnen Gewerke während der Entwurfs- und Bauzeit wissen und verstehen, wie sie miteinander wechselwirken. Bei solch einem ganzheitlichen Ansatz kann Automation dazu beitragen, 14 bis 62 Prozent bei thermischer und vier bis 21 Prozent bei elektrischer Energie einzusparen.
Einfluss auf die Behaglichkeit und Nachhaltigkeit in Gebäuden hat auch immer die jeweilige Raumsituation, also beispielsweise Möblierung, Ausstattung mit technischen Geräten, Grundriss, Akustik, Barrierefreiheit sowie die Art und Weise der Nutzung. Sie hat Effekte auf die Erwärmung und Befeuchtung eines Gebäudes von innen. Auch lassen sich Raum- und Oberflächentemperaturen in Abhängigkeit vom eingesetzten Heiz- und Kühlsystem zeitabhängig betrachten.
Eine dynamische Gebäudesimulation setzt die Wechselwirkungen zwischen Gebäude, Anlagentechnik, Regelungstechnik, Außenklima (Klimadatensatz für den jeweiligen Standort) und dem Nutzer miteinander in Beziehung. Deshalb ist eine solche Simulation für die Praxis genauer und kann zum Beispiel von einer statischen Kühllast-Ermittlung beträchtlich abweichen. Eine relativ einfach zu bedienende Programmstruktur besitzt „IDA ICE“. Die Software zeichnet sich durch vielseitige Anwendungsmöglichkeiten aus, so dass sie sich für zahlreiche Fachleute (wie Anlagentechnikplaner, Bauphysiker, Energieberater) eignen kann. Mit „TAS“ (Thermal Analysis Software) sind unter anderem Auswertungen zum Heiz- und Kühlenergiebedarf, dem Über- und Unterschreiten von Grenztemperaturen sowie zur Umgebungsfeuchte und relativen Feuchte möglich. Die seit 1973 entwickelte Software „TRNSYS“ zerlegt dafür die komplexen physikalischen Aspekte in viele kleine Teilbereiche, die numerisch oder 3D-modellbasiert eingegeben werden können. Dazu gehören zum Beispiel Wetterdaten, Gebäude, Verschattung, PV-Anlage, Energiespeicher und das Interagieren zwischen den Nutzern und dem Gebäude. In einem digitalen Simulationsstudio werden sie dann zu einem Gesamtmodell verknüpft. Vor allem bei Aufgaben wie Doppelfassaden, Bauteilaktivierung oder anspruchsvollen Regelungsstrategien hilft eine Software, ein möglichst realitätsnahes Modell des zu untersuchenden Objekts abzubilden.
Ein weiterer Fall, bei dem die Gebäude- mit der Anlagensimulation gekoppelt werden sollte, ist die Bewertung ihrer jeweiligen Wechselwirkungen. Das spielt in erster Linie bei innovativen Lösungen eine Rolle, wie beim Verwenden von Phasenwechselmaterialien und Lichtlenkelementen in der Bautechnik oder beim Heiz- und Kühlbetrieb einer reversiblen Wärmepumpe mit Grundwasserkühlung. Darüber hinaus dürfte die numerische Simulation zukünftig Potentiale für die Netzdienlichkeit von Gebäuden offenlegen. Denn beim „Smart-Grid-Ready“ geht es um die Fähigkeit der thermischen Gebäudesubstanz und der Anlagentechnik, erneuerbare elektrische Energie nach der jeweils im Netz vorhandenen Strommenge zu verbrauchen. Eine Wärmepumpe würde dann beispielsweise während der wind- und solarintensiven Nachmittagsstunden die thermischen Speicher laden und während der Nacht Energie aus ihnen herausziehen.
Funktionen und Zusammenhänge berücksichtigen
Das Einsatzgebiet der Gebäude- und Anlagensimulation liegt an der Schnittstelle zwischen Objekt- und haustechnischer Planung. Als Werkzeuge integraler Konzepte erfordern sie eine gute Kommunikation zwischen allen Beteiligten sowie einen versierten Moderator. Er sollte wissen, wie ein Gebäudemodell zu erstellen ist und sich auch gewerkeübergreifend verständlich machen können.
Hinzu kommt, dass die Automation von Nichtwohngebäuden bislang häufig ohne Einbezug des Nutzers erfolgt. Das verkennt, dass die Bauphase nur rund 20 Prozent der Kosten im Lebenszyklus einer Immobilie ausmacht, der Betrieb hingegen etwa 80 Prozent. Währenddessen sind wiederum die vorab festgelegten Parameter kontinuierlich zu hinterfragen: Stimmen die Anforderungen des ursprünglichen Nutzers noch mit denen des aktuellen überein? Auf welche Ursachen sind Beschwerden zur Luftqualität zurückzuführen: Handelt es sich um das subjektive Empfinden einzelner Personen oder funktioniert die Anlage nicht richtig? Wann ist – wie in der Praxis reflexartig üblich – tatsächlich die Leistung der Anlage zu erhöhen?
Unternehmen haben nach dem Energiedienstleistungsgesetz systematische Untersuchungen zu ihren Energieflüssen und der Effizienz durchzuführen. Ein Energiemanagement kann den Bedarf um durchschnittlich rund 20 Prozent verringern. Hierfür ist Transparenz über den Zustand von Gebäuden und Anlagen unverzichtbar. Die TGA ist ein komplexes System, das Wärme, Luft, Sanitär, Klima, Strom aber auch andere Gewerke betrifft. Welche Komponenten einen Mehrwert bringen und Einsparpotentiale heben, lässt sich nur individuell beantworten. Für das Facility Management eines Bürogebäudes gilt prinzipiell, Heizung, Lüftung, Klima, Licht- und Jalousiesteuerung bedarfsgerecht miteinander zu vernetzen.
Eine praxisnahe Herausforderung sind folglich die Glasflächen an der Gebäudehülle. Eine Simulation kann hier dazu beitragen, die Fassaden zu optimieren: Materialien, Glasqualität, Flächenanteile, Verschattungsprinzipien oder Sonnenschutz sind Faktoren, die unter Berücksichtigung von Gebäudeausrichtung, Geometrie, Nutzung und zeitlicher Varianz aufeinander angepasst gehören. So lassen sich Kühllasten im Sommer etwa absenken, wenn das Bauwerk nachts mit Außenluft durchspült wird. Dies bewirkt ein Auskühlen der speicherfähigen Teile, was wiederum einen Verzicht oder die Reduktion der Kühlsysteme mit sich bringt, also verringerte Investitions- und Betriebskosten ohne Komforteinbußen. Ähnliches kann für thermisch aktivierte Teile gelten. Sind zum Beispiel wasserdurchströmte Rohrschlangen im Beton verlegt, können sie im Winter für eine erhöhte Oberflächentemperatur sorgen, so dass dann die Raumlufttemperatur herabgesetzt werden kann.
Auf Grundlage solcher datenbasierten Überlegungen lässt sich das Potential von Gebäuden entdecken, um von manuellen, reaktiven Handlungen hin zu mehr spezifischen, proaktiven Maßnahmen zu gelangen. Perspektivisch gesehen können sich heutige „Smart Buildings“ mit prädiktiven Services zukünftig zu selbstoptimierenden Bauten entwickeln, die Veränderungen feststellen und die Systeme daraufhin selbstständig verbessern oder rechtzeitig Wartungen veranlassen, um Ausfallzeiten zu minimieren. Dies gelingt über ein beständiges Monitoring samt Analysen und Optimierungen mit dem Ziel, die Effizienz und den Komfort zu steigern und zugleich den Energieverbrauch zu senken.
Fazit: Nachhaltigen Gebäudebetrieb sicherstellen
Die dynamische Gebäude- und Anlagensimulation will den Betrieb eines Bauwerks möglichst genau kennen. Hierbei werden sämtliche Einflussfaktoren berücksichtigt, was mit den bislang üblichen Standardverfahren zur Auslegung von Heiz- und Kühlanlagen nicht hinlänglich möglich war. Die thermische Gebäudesimulation sollte deshalb zumindest ergänzend angewendet werden. Die darüber reduzierten Kosten amortisieren die Investition in eine dynamische Betrachtung meist schnell. Weiterer Vorteil ist, mit einer dynamischen Simulation sowohl das Gebäude als auch die Umgebung dreidimensional abbilden zu können: Solare Einstrahlungen auf die Fassaden und die Strahlungsverteilung in einzelne Räume lassen sich damit realitätsnah erfassen und anschaulich darstellen. So können Aussagen zum Komfort in Abhängigkeit vom jeweiligen Aufenthaltsbereich von Personen getroffen und verglichen werden. Wenn die Solarstrahlungstransmission bekannt ist, kann auch die Kühlung optimiert erfolgen.
Das Koppeln der Gebäude- mit der Anlagensimulation erlaubt bereits in ersten Planungsphasen (Wettbewerb, Konzept, Entwurf), die jeweiligen Investitions- und späteren Betriebskosten gegenüberzustellen sowie ein raumklimatisch angenehmes Gebäude zu schaffen. Ähnlich wie beim Arbeiten mit der kooperativen BIM-Methode ist es so möglich, frühzeitig Fehlentwicklungen bei der Ausführung zu vermeiden, die sonst in der Regel nur mit hohem Aufwand korrigiert werden können. Es gilt auch hier der Grundsatz der Nachhaltigkeit: So viel wie nötig mit so wenig wie möglich.