Vertikalsonden gehen besonders dann ins Geld, wenn die Anzahl der Bohrungen eine geringe thermische Ergiebigkeit des Erdreichs kompensieren muss.
Heizen, kühlen und Fläche sparen mit dem Rohrabsorber
Vertikalsonden gehen besonders dann ins Geld, wenn die Anzahl der Bohrungen eine geringe thermische Ergiebigkeit des Erdreichs kompensieren muss.
Was tun, wenn es für den Standard-Horizontalkollektor als Alternative an Fläche mangelt? In Kerpen entdeckten die Eigentümer für die Umstellung ihres Mehrfamilienhauses von Öl auf Wärmepumpe eine geothermische Wärmequelle, die aufgrund der spezifisch großen Tauscherfläche der zylindrischen, Wasser gefüllten Absorber mit spezifisch kleinem Grundstück auskommt und darüber hinaus noch weitere Vorteile gegenüber klassisch horizontal verlegten Lösungen bietet.
Ein üblicher horizontaler Flächenkollektor aus dünnen Kunststoffrohren mit einer Rohrnennweite von 25 mm und einem Verlegeabstand von 60 cm entzieht einem Lehmboden nach den Tabellen des Bundesverbands Wärmepumpe (BWP) etwa 25 W/m2. Der Eigentümer eines Mehrfamilienhauses mit einer Heizlast von 25 kW respektive einem Erdwärmeanteil von 20 kW muss demnach mindestens 800 m2 umgraben lassen, damit die Bewohner bei Frost in ihrem Heim nicht frieren. Im Fall eines Neubaus, wenn das ausreichend große Grundstück noch Bauland ist, mögen diese 8 ar (1 ar = 100 m2) hinnehmbar sein.
Mittlerweile gibt es aber leistungsstärkere Entwicklungen in Form von durchströmten Zylindern oder Plattenelementen als Erdwärmeübertrager anstelle von dünnen Rohren. Diese Systeme kommen mit weit geringerer Fläche aus und machen deshalb erstens selbst kleine Grundstücke geothermietauglich, sollten die regionalen Verhältnisse keine Tiefenbohrungen zulassen oder erschweren, entweder aus Gründen des Trinkwasserschutzes oder weil die tieferen Schichten mangels Grundwasserstrom kaum Energie enthalten. Zweitens ruinieren sie im Bestand nicht den kompletten Garten. Vermutlich werden aus dieser Sorge heraus in der Vergangenheit viele Betreiber die weniger effiziente Option Luft/Wasser-Wärmepumpe gewählt haben.
Die hintereinander gereihten Module in bis 2 m Tiefe kommen, laut Angaben der Hersteller, im Mittel mit etwa einem Fünftel der Grundstücksfläche im Vergleich zur üblichen PE-Leitung aus. Der Markt der Alternativen sowohl zur Tiefenbohrung als auch zur gewöhnlichen horizontalen Rohrverlegung ist deshalb in Bewegung.
Die Quellenerschließung bedarf kleinerer Baumaschinen und keiner Zustimmung der Unteren Wasserbehörde. Sie wird im Zuge der Umstellung von Fossil auf Erneuerbar vom BAFA bezuschusst. Vor allem: Unter dem oberen Lehmboden darf sich auch speicherarmer Untergrund anschließen, da die Wärme nicht aus der Tiefe hochsteigt, sondern die Sonne die Heizenergie direkt in die Bodenoberfläche einstrahlt. Zu diesen leistungsstarken Alternativen gehören wassergefüllte und spiralförmig mit Sole durchflossene Absorberzylinder.
Eben wegen des geringen Wärmeinhalts der Tiefenmineralogie (Lockergestein) unter der Vorgartenwiese schied zur Sanierung eines Fünffamilien-Mietobjekts in Kerpen die Vertikalsonde aus. Die Eigentümer Waltraud und Rudolf Wolf mussten auf einen Flächenkollektor ausweichen. „Rheinbraun pumpt hier nahe dem Braun-kohle-Tagebau Hambacher Forst das Grundwasser auf 400 m ab. Da fließt nichts an Wärme nach. Wir brauchen die Sonne von oben für die Wärmepumpe“, nennt Rudolf Wolf den entscheidenden Grund für die horizontale statt der vertikalen Verlegung. Dass das im Prinzip generell gut funktioniert, wissen Bauherrin und Bauherr seit 40 Jahren.
Ihr Wohnhaus nebenan temperiert seit 1980 eine Waterkotte-Wärmepumpe, die sich aus einer 2,5 km langen Rohrschlange im Grundstück speist. „Wir hatten schon Winter mit -22 °C über einen längeren Zeitraum und keine Probleme mit der Raumtemperatur.“ Fläche für ein kilometerlanges Netz stand beim vermieteten Altbau jedoch nicht zur Verfügung. Zwischen Straße und dem rückversetzten Haus boten sich gerade mal rund 400 m2 als Wärmeübertrager „Sonne-Sole“ an.
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Rückversetztes Haus – man glaubt, einen Neubau vor sich zu haben, tatsächlich handelt es sich aber um ein Bestandsgebäude. Generalsaniert innen wie außen und energetisch. Wohnfläche 420 m2, ehedem mit Öl beheizt, zukünftig also stattdessen von einer geothermischen Wärmepumpe, ebenfalls vom Hersteller Waterkotte. Was passt als Erdwärmeübertrager zu großem Haus mit wenig Boden? Ingenieur Wolf studierte die modularen Kollektortypen. Zwei Modelle kamen für ihn schließlich infrage. Er entschied sich für Terrathech, weil ihn das Prinzip technisch überzeugte – und ein Patent von Wärmepumpenpionier Klemens Waterkotte ist, dem Gründer des gleichnamigen Unternehmens. Waterkotte in Herne ist mittlerweile Teil der Nibe-Gruppe. Die noch junge Terrathech Waterkotte GmbH gehört jedoch dem Kälteingenieur, der 1968 erstmalig die mit einer Fußbodenheizung gekoppelte und von ihm gebaute Wärmepumpe als „Kessel“ ins Haus holte. Er startete damit den industriellen Hochlauf dieser nachhaltigen Technologie zur Gebäudebeheizung/-kühlung.
Die thermodynamische Besonderheit des Terrathech-Geothermie-Absorbers liegt in der Zweistofffüllung, nämlich Wasser und Sole: Ähnlich einem Eisspeicher ist das einzelne Zylinderelement von 6 m Länge und 32 cm Durchmesser mit Wasser gefüllt.
Die 400 l Inhalt je Modul nehmen die Erdwärme und bei Bedarf auch zusätzlich Solarkollektorwärme auf und geben sie an die Sole führende Kunststoffrohrspirale im Zylinder als Vorlauf zur Wärmepumpe ab. Die Abmessungen sind so gewählt, dass die Übertragerfläche Erdreich/Wasser, die Hüllfläche des Absorbers also, identisch ist mit der inneren Wärmeübertragerfläche Wasser/Sole der Vorlaufwendel aus PE.
Das Speicherwasser überträgt die aufgenommene Wärme auf ein Solevolumen von 4 l/m. In ihrer zweiten Funktion als Eisspeicher hat diese Lösung gegenüber den bekannten betonierten Zisternen mithin unter anderem den Vorteil der geringen Menge an Sole. Die herkömmlichen Behälter müssen für 10 kW bis zu 200 l Wasser/Glykol-Gemisch umwälzen, während der Terrathech-Absorber mit etwa 25 l auskommt.
Die Entzugsleistung einer Einheit von 6 m hängt vom Erdreich ab: Je feuchter und dichter der Boden, desto höher der Ertrag. Bei Tonerde kann er bis 1,5 kW je Element hinauf gehen, bei trockenem Sand unter 1 kW liegen. Ein geologisches Gutachten zur Geothermie beim Objekt gibt darüber Auskunft. Der für Vertikalsonden empfehlenswerte Thermal-Response-Test scheidet dagegen aus. Die Solarabstrahlung der Oberfläche lässt keine Interpretation der Messwerte zu. In Kerpen vergrub das Terrathech-Partnerunternehmen Der Brunnenbauer GmbH 20 Absorber für eine Entzugsleistung von 20 kW.
Inhaber und Brunnenbaumeister Corvin Schneider: „Die Installation macht generell keine Probleme. Wichtig ist lediglich, die Zylinder so zu drehen, dass die Entlüftung genau auf 12 Uhr steht, damit beim Auffüllen mit Wasser kein Lufteinschluss bleibt, der die Leistung mindern würde.“ Die Verlegetiefe beträgt etwa 1,2 bis 1,5 m, die Grabenbreite 40 cm, der Abstand von Absorbermitte zur Mitte des parallelen Absorbers bei einem streifigen Feld 2 m. Eine 6-m-Einheit, respektive im Mittel 1 kW Entzugsleistung, belegt mithin rund 15 m2.
Soll das Erdreich im Sommer kühlen, darf der Graben 30 oder 40 cm tiefer sein. Die Juli-Sonne heizt hier nicht so schnell nach, die Bodentemperatur nimmt um zwei Grad ab. Das kommt der Wassertemperatur im Absorber und damit der Raumtemperatur zugute. Ohnehin bietet sich zur Kühlung eine Wassermasse eher an als die oberflächennahe Geothermie direkt via Standard-Horizontalkollektor. „Einer der großen Vorteile des Designs liegt ferner in der Beladung innerhalb und außerhalb der Taktphasen der Wärmepumpe“, erklärt Stefan Rieck, „die Erde belädt praktisch 24 Stunden am Tag“. Sein Terrathech-Büro in Solingen ist für den Vertrieb in Deutschland und Benelux zuständig. „Wegen des hohen Enthalpieinhalts kann die Wärmepumpe dem einzelnen Absorber kurzfristig sehr viel Wärme entziehen. Im Labor kamen wir auf eine Entzugsleistung von 8 kW.“ Das Fluid im Modul ist mit einigen Prozent Salz angereichert, um den Gefrierpunkt abzusenken.
In Kerpen reihen sich drei Module mehr hintereinander als die reine Heizungsberechnung durch das Planungsbüro PBS Energiesysteme, Haan, ergab, weil die Wärmepumpe auch für die Brauchwarmwasserbereitung zuständig ist. Laut den „Technische Angaben“ sollte sich in diesen Fällen die Anzahl der Absorber um 20 Prozent erhöhen. „Damit liegen wir wohl auf der sicheren Seite. Wir wollen auf keinen Fall, dass unsere Mieter in der Früh unter einer lauwarmen Brause stehen. Für das Duschen morgens müssen sie ja eine Gleichzeitigkeit einkalkulieren“, geht Ingenieur Wolf auf diesen Punkt ein.
Das Feld ist in zwei Kreise von je zehn Absorbern aufgeteilt. Das Schaltschema von PBS kuppelt jeweils zwei Absorber zu einer Einheit. Deren Verrohrung mündet im Absorberverteiler im Boden ein. Der Graben mit den Anbindungsleitungen und dem Verteiler verläuft dicht am Haus.
Wolf hatte gefordert, diesen Graben 30 cm oberhalb der Tiefe der Absorberschächte zu belassen, damit bei einem Starkregenereignis die Drainage entlastet wird und der Niederschlag im aufgelockerten Boden in Richtung der Kollektorgräben und damit weg vom Fundament fließt und dort versickert.
Auf den verschiedenen Gebäuden des Grundstücks Wolf spiegelt sich die Sonne in über 100-kWp-PV. Denken die Eigentümer an Eigenstromnutzung als Antrieb für die neue Wärmepumpenanlage? Sie sind sich unschlüssig. Einfach deshalb, weil eine langjährige Lieferbeziehung mit einem Grünstromanbieter besteht und die Vertragskündigung, eventuell verbunden mit einer Pönale, sowie die technische Umrüstung sich unter Umständen nicht lohnen.
Weiterführende Informationen: https://www.terrathech.de/
Mittwoch, 11.05.2022