Ein beispielhaftes Projekt, wie sozialer Wohnungsbau an der Energiewende teilhaben kann, und zwar über den Standard hinaus, entsteht aktuell in Oldenburg. Es zeigt zudem, wie stark das individuelle Verbraucherverhalten prognostizierte Werte beeinflusst.
Die beiden Brüder Carl Herrmann Klävemann, ihres Zeichens Kaufmann und Ratsherr in Oldenburg, und Johann Dietrich, Jurist und Abgeordneter im Oldenburger Land, gründeten im Juni 1871 eine Stiftung mit dem Ziel, in Oldenburg günstigen Wohnraum zu schaffen. Die Klävemann-Stiftung ist nach der Augsburger Fuggerei die zweitälteste dieser Art in Deutschland. Über ihre Stiftung lebt ihr Gedankengut und Ansinnen in Oldenburg weiter. Heute liegt der Stiftungs-Vorsitz beim Rat der Stadt. Im Donnerschweer-Viertel nördlich der Oldenburger Innenstadt wird gerade fortgesetzt, was vor rund 150 Jahren genau dort als die Klävemann-Idee begann. Konkret geht es um zwei Gebäude sozialen Wohnungsbaus. Das erste umfasst elf Wohnungen und das zweite 22.
Die Wohnungen sind zwischen 70 und 100 m2 groß. Der energetische Gebäudestandard ist hoch: Es wird hier schon seit 2019 im Stile „KfW 40“ gebaut. Erst im Jahre 2022 ist „KfW 40“ bekanntlich zur Förderpflicht geworden. Teil des Energiekonzepts ist es, hohe solare Deckungsraten bei der Brauchwarmwasser- und Heizwärmeversorgung der Gebäude zu erzielen. Für beide Häuser ist eine solare Deckungsrate von 30 Prozent angepeilt.
Solarkonzept mit Röhrenkollektoren
Verantwortlich für die Planung und Ausführung des Trink- und Warmwasserversorgungssystems im Klävemann-Projekt ist die WeserSolar GmbH & Co. KG aus Hude. Das Unternehmen hat sich auf erneuerbare Energien spezialisiert und ist unter anderem Systemanbieter für solarthermische Röhrenkollektoren. Gegenüber den weit verbreiteten Flachkollektoren sind CPC-Röhrenkollektoren zwar teurer in der Anschaffung, aber im Ertrag auch deutlich besser. Sie erzielen nicht nur in den Sommermonaten, sondern auch in den Übergangszeiten und sogar noch im Winter bei diffusen Lichtverhältnissen vergleichsweise hohe Energieerträge. Das liegt an den Parabolspiegeln, die unterhalb der Vakuumröhren platziert sind und die die Sonnenstrahlen unabhängig vom Sonnenstand in die Röhren reflektieren.
Im ersten Bauabschnitt mit elf Wohneinheiten beträgt die Kollektorfläche 40,96 m2 und im zweiten Bauabschnitt für 22 Wohneinheiten 70,04 m2. Rein rechnerisch ergeben sich so für Haus 2 etwa 3,2 m2 und für Haus 1 etwa 3,7 m2 Kollektorfläche pro Wohneinheit. Das ist komfortabel. Die meisten Einfamilienhäuser nach KfW wurden in der Vergangenheit oft mit zwei Standard-Flachkollektor-Modulen belegt. Das sind dann zwar in der Regel etwa 5 m2, jedoch oft verbunden mit einer größeren Wohnfläche als hier in Oldenburg die durchschnittliche Wohneinheit. Außerdem liegt der Effizienzfaktor zwischen Röhre und Flachkollektor bei der Warmwassergewinnung bei etwa 1,5.
Allerdings ist die Kollektorgröße nur der eine Teil der Gleichung. Um das Solarpotential nutzen zu können, sind große Pufferspeicher nötig. Auf der anderen Seite muss die „Größe“ immer auch vernünftig sein und im Verhältnis stehen, wie lange die Wärme bevorratet werden soll und was der Zusatznutzen einer größeren Dimensionierung ist. Im Haus 1 in Oldenburg wurde ein Speicher mit 2,80 m3 und in Haus 2 einer mit 5,95 m3 Volumen installiert. Solche Dimensionen wurden vom Speicher-Hersteller Unitec dafür individuell gefertigt. Ziel ist es, die Wärme- und Brauchwarmwasserversorgung von Mai bis Oktober – sprich: über sechs Monate im Jahr – komplett mit Solarthermie bereitzustellen. Bei Unterdeckung bzw. zur Spitzlastdeckung greifen Gas-Brennwertkessel ein. Installiert wurden hier im Bauabschnitt 1 ein Kessel „WGB 38“ von Brötje und im Bauabschnitt 2 zwei „WGB 38“ in Form einer Kaskade.
Komponenten im Detail
WeserSolar wählte zur weiteren technischen Ausführung der Wärmeversorgung dann durchgängig Komponenten von PAW. Das Unternehmen aus Hameln zählt zu den namhaften Systemtechnikherstellern in der SHK-Branche, mit mittlerweile über 150 Mitarbeitern in sechs Niederlassungen weltweit.
Zur Steuerung der Solarerträge in den Pufferspeichern wurden ein bzw. zwei „SolarBloC maxi Basic“ installiert. Der „SolarBloC“ kann sowohl als Low-Flow-System (= 0,25 l/min je m2 Kollektorfläche, bis 125 m2 Kollektorfläche) und auch als High-Flow-System (= 0,5 l/min je m2 Kollektorfläche, bis 80 m2 Kollektorfläche) betrieben werden. Kollektoren unterschiedlicher Bauart benötigen bei gleicher Kollektorfeldgröße sehr unterschiedliche Volumenströme zum störungsfreien und effektiven Betrieb. Einfluss darauf nimmt auch die hydraulische Verschaltung. Solarsysteme werden deshalb in High-Flow- und Low-Flow-Systeme eingeteilt. In beiden Bauvorhaben in Oldenburg laufen die Anlagen im High-Flow-Betrieb.
In die Brauchwarmwasserversorgung der Häuser wurden jeweils auch Frischwasserstationen installiert. WeserSolar verbaute hierzu zwei „FriwaMaxi“ von PAW, inklusive Zirkulation. Mit Frischwasserstationen erübrigt es sich, mit einem Brauchwasserspeicher eine große Menge Warmwasser auf Vorrat zu halten. Durch Anwendung der Frischwasserstationen werden im Beispiel Oldenburg außerdem niedrige Temperaturen im Rücklauf erzeugt. Das kommt der thermischen Solaranlage zugute, denn sie wärmt den Speicher von unten auf.
Erste Werte aus der Praxis
Die mit dem Simulationsprogramm „Polysun“ durchgeführte Solarertrags-Simulation für das Jahr 2022 deutet, laut Planer, darauf hin, dass das 30-Prozent-Ziel nicht erreicht wird, obwohl es ein überragendes Strahlungsangebot gab. Als ein möglicher Grund wird genannt, dass der tatsächliche Gasverbrauch im vergangenen Jahr deutlich höher lag als der Wert, der über die GEG-Berechnung eingestellt wurde.
Die Simulation für 2023 nimmt nun einen höheren Gasverbrauch an, um einigermaßen realistische Werte zu erhalten. Außerdem seien im Dezember und Januar fast gar keine Solarerträge vorhanden gewesen – was auch daran liege, dass sich die Bewohner sofort melden würden, wenn die Heizung im Winter bei etwa 5 °C Außentemperatur nicht mit einem Vorlauf/Rücklauf von 55-60/50 °C fährt. Dadurch hätte der Speicher im unteren Bereich meist schon eine Temperatur von 50 °C.
Einsparungen in Zahlen
Im Ergebnis wird für 2022 mit folgenden Ertragswerten gerechnet: Solarer Deckungsanteil im Haus Klävemann I gesamt 25,3 Prozent (Deckungsanteil Warmwasser: 36,9 %, Deckungsanteil Heizung: 18,6 %). Haus Klävemann II hingegen erreicht fast den angepeilten Wert. Hier wird ein solarer Deckungsanteil gesamt von 29 Prozent prognostiziert (44,2 % Warmwasser, 16,1 % Heizung). Die Heizanteile sind unter anderem damit zu erklären, dass keine Fußbodenheizungen verbaut wurden. Mit einem solchen Verteilsystem könnten sie natürlich höher sein. Nichtsdestotrotz sprechen die absoluten Zahlen auch eine deutliche Sprache: Prognostiziert werden im Haus 1 über die Solarthermie rund 1.570 m3 Erdgas in diesem Jahr eingespart, in Haus 2 sind es rund 2.800 m3. Das ist ein nicht zu unterschätzender Beitrag, Wohnen bezahlbar zu halten. Und die dürfte ganz im Sinne der Stiftungsgründer sein.