Für 2030 geht die Bundesregierung von einem Wasserstoffbedarf von jährlich 95 bis 130 Terawattstunden in Deutschland aus, um die Dekarbonisierung der deutschen Volkswirtschaft zu unterstützen.
Für 2030 geht die Bundesregierung von einem Wasserstoffbedarf von jährlich 95 bis 130 Terawattstunden in Deutschland aus, um die Dekarbonisierung der deutschen Volkswirtschaft zu unterstützen.
Die inländische Produktion wird aber nicht ausreichen, um diesen Bedarf an Wasserstoff zu decken. Daher hat sich das Bundeskabinett auf eine Importstrategie für Wasserstoff und Wasserstoffderivate festgelegt. Reaktionen kamen prompt.
Grünem Wasserstoff (H!SUB(2)SUB!) wird eine Schlüsselrolle für die sichere, nachhaltige Energieversorgung Deutschlands zugesprochen. Doch woher soll er in ausreichenden Mengen kommen? Das Fraunhofer ISE (Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme) hatte sich im Auftrag der Stiftung H!SUB(2)SUB!Global mit dieser Frage beschäftigt. Bereits im September 2023 legte man denn auch schon das Ergebnis einer Untersuchung von 39 Regionen in zwölf Ländern vor. Geklärt werden sollte, wo die Herstellung von grünem Wasserstoff und seinen Folgeprodukten (wie Ammoniak, Methanol oder synthetisches Kerosin) bis zum Jahr 2030 in Verbindung mit dem Transport nach Deutschland am günstigsten umsetzbar wäre. Das Ergebnis: Für grünes Ammoniak, Methanol und Kerosin bieten Brasilien, Kolumbien und Australien besonders gute Importbedingungen bei Ferntransport per Schiff; gasförmiger grüner Wasserstoff könnte aus Südeuropa oder Nordafrika stammen, sofern dafür rechtzeitig Pipelines zum Transport zur Verfügung stehen.
Am 24. Juli 2024 hat nun das Bundeskabinett, als Ergänzung der nationalen Wasserstoffstrategie, eine Importstrategie für Wasserstoff und Wasserstoffderivate beschlossen. Sie beschreibt einen klaren und verlässlichen Rahmen für die dringend benötigten Importe von Wasserstoff und -derivaten nach Deutschland und ist damit ein wesentlicher Baustein der deutschen Wasserstoffpolitik und ergänzt das Engagement der Bundesregierung zum heimischen Marktaufbau, betonte das BMWK (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz).
„Ein Großteil des deutschen Wasserstoffbedarfs wird mittel- bis langfristig durch Importe aus dem Ausland gedeckt werden müssen. Die Importstrategie bildet dafür den Rahmen. Sie sendet ein klares Signal an unsere Partner im Ausland: Deutschland erwartet im Inland eine große und stabile Nachfrage nach Wasserstoff und Derivaten und ist ein verlässlicher Partner und Zielmarkt für Wasserstoffprodukte. Damit schafft die Importstrategie Investitionssicherheit für die Wasserstoffproduktion in Partnerländern, den Aufbau notwendiger Importinfrastruktur und für die deutsche Industrie als Abnehmer“, erklärte der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Dr. Robert Habeck (Abb. 1).
Die Bundesregierung geht von einem nationalen Bedarf an Wasserstoff und dessen Derivaten in Höhe von 95 bis 130 Terawattstunden in 2030 aus. Dabei müssen voraussichtlich rund 50 bis 70 Prozent aus dem Ausland importiert werden. Es sei davon auszugehen, dass der Importanteil nach 2030 weiter steigt. Nach ersten Einschätzungen könnte sich der Bedarf bis zum Jahr 2045 auf 360 bis 500 Terawattstunden an Wasserstoff sowie etwa 200 Terawattstunden an Wasserstoffderivaten erhöhen. Ziel der Importstrategie sei es daher, die Deckung des deutschen Importbedarfs an Wasserstoff und seinen Derivaten sicherzustellen sowie eine resiliente Versorgung zu gewährleisten.
Die Kerninhalte und Ziele sind
erstens: Sicherstellung einer resilienten, das heißt nachhaltigen, stabilen, sicheren und diversifizierten Versorgung mit ausreichend Wasserstoff und Wasserstoffderivaten, um die Dekarbonisierung der deutschen Wirtschaft zu gewährleisten und die nationalen Klimaschutzziele einzuhalten.
Zweitens: Erreichen einer zuverlässigen Versorgung mit grünem, auf Dauer nachhaltigem Wasserstoff und seinen Derivaten. Um den notwendigen raschen Wasserstoffhochlauf zu ermöglichen, bezieht die Importstrategie auch kohlenstoffarmen Wasserstoff und seine Derivate in die Bedarfsdeckung mit ein.
Drittens: Die Bundesregierung unterstützt für den Import von Wasserstoff eine diversifizierte Produktpalette. Neben molekularem (das heißt gasförmigem oder flüssigem, nicht in Derivaten gebundenen) Wasserstoff kommen diverse Wasserstoffderivate (zum Beispiel Ammoniak, Methanol, Naphtha/Rohbenzin, strombasierte Kraftstoffe) und Trägermedien (zum Beispiel LOHC – Liquid Organic Hydrogen Carrier) in Frage.
Viertens: Die Bundesregierung verfolgt den parallelen Aufbau von Importinfrastrukturen für Pipeline- und Schiffstransporte. Für Transporte per Schiff, Schiene oder Straße kommen vor allem Wasserstoffderivate, Trägermedien und Folgeprodukte in Frage. Der Schiffstransport ermöglicht Wasserstoffimporte aus Regionen, die aus technischen und ökonomischen Gründen nicht per Pipeline angebunden werden können.
Fünftens: Neben enger Kooperation mit europäischen Partnern zu regulatorischen Fragen, Erzeugungspotentialen und Infrastruktur arbeitet die Bundesregierung auch international mit einer Vielzahl an Partnerländern, Partnerregionen und Akteuren zusammen. Ziel ist, die Lieferquellen möglichst breit zu diversifizieren. Dazu kooperiert das BMWK im Rahmen der mehr als 30 Klima- und Energiepartnerschaften sowie Energiedialoge. Zudem wurden in den vergangenen Jahren mit zahlreichen Partnerländern explizite Wasserstoff-Abkommen geschlossen.
Reaktionen dazu kamen prompt, beispielsweise vom BDEW (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft). „Importe von Wasserstoff und Derivaten werden eine entscheidende Rolle spielen, um die Verfügbarkeit von Wasserstoff in Deutschland sicherzustellen. Es ist daher gut, dass die Bundesregierung ihre Wasserstoffimportstrategie nun endlich vorgelegt hat“, erklärte Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung (Abb. 2). „Aktuell aber fehlt der Strategie die Priorisierung der Maßnahmen und Ziele.
Die bisherigen Instrumente zur Mengenbeschaffung müssen sinnvoll ergänzt und weiterentwickelt werden. Zudem erscheint die Importstrategie überfrachtet. Aus Sicht des BDEW sollte sie sich auf ihr Kernziel fokussieren: in kurzer Zeit große Mengen Wasserstoff und Derivate zu möglichst wettbewerbsfähigen Preisen importieren zu können. Denn es gilt: Je schneller und je mehr Wasserstoff und Derivate verfügbar gemacht werden, desto besser ist es für den Wasserstoffhochlauf und damit für das Gelingen von Energiewende und Transformation der Wirtschaft. Die Importe von Wasserstoff sollten nun ähnlich ambitioniert angegangen werden wie der Bau des Wasserstoff-Kernnetzes.“
Für Dr. Timm Kehler, Vorstand des Branchenverbands Zukunft Gas (Abb. 3), fehlen der Strategie in ihrer aktuellen Form klare Prioritäten und konkrete Maßnahmen. Deutschland müsse ein klares Signal an die internationalen Anbieter senden. „Die Strategie bringt zwar zum Ausdruck, dass Wasserstoffimporte ein wichtiger Baustein des zukünftigen Energiesystems sein werden, sie gibt aber keinen Hinweis auf eine verlässlich wachsende Nachfrage in Deutschland. Die internationalen Lieferanten von Wasserstoff warten auf klare Signale und Impulse, Investitionen in die kapitalintensive Wasserstoffproduktion auszulösen. Außerdem ist ein einheitliches, internationales Zertifizierungssystem für Wasserstoff von zentraler Bedeutung. Erst damit kann ein globaler Markt entstehen, der unseren Bedarf langfristig deckt.
Dafür müssen auch die Investitionen in die notwendige Infrastruktur durch den Staat abgesichert werden. Die Finanzierung eines europäischen Verbundnetzes und die Unterstützung von Investitionen in Erzeugerländern, wie Nordafrika, sind hierbei besonders wichtig. Wir brauchen jetzt konkrete Maßnahmen und Zeitpläne, insbesondere was die Stimulierung von gesicherter Nachfrage, die Finanzierung der europäischen Importinfrastruktur sowie die Schaffung eines einheitlichen Zertifizierungssystems angeht. Nur mit diesen Maßnahmen kann die Wasserstoff-Importstrategie ihre Wirkung als wichtiges Instrument für die deutsche Energiewende entfalten, die Energieversorgung der Zukunft sichern und im In- und Ausland deutlich demonstrieren: Deutschland wird zum Wasserstoffland.“
Neben regulatorischen Aspekten beschäftigt Investoren und Infrastrukturbetreiber gleichermaßen kaum eine Frage so sehr wie die ausreichende Versorgung mit Wasserstoff gewährleistet werden kann, bestätigte der DVGW (Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches). „Es ist gut und für die klimaneutrale Energiewende unverzichtbar, dass die Koalition nun mit der Importstrategie – insbesondere in der Markthochlaufphase – kohlenstoffarmen Wasserstoff und seine Derivate als Ergänzung zu grünem Wasserstoff für die Bedarfsdeckung mit einbezieht. Nur so lassen sich die enormen Bedarfe nach klimaneutralen Gasen in Zukunft decken“, erklärte Prof. Dr. Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des DVGW (Abb. 4).
„Positiv zu bewerten ist in diesem Zusammenhang, dass mit dem geplanten Aufbau diversifizierter Importrouten zum Bezug von Wasserstoff und seinen Derivaten über ein transeuropäisches Wasserstoffnetz und einen schiffsbasierten Import das Risiko von Lieferausfällen reduziert werden soll, um so die Versorgungssicherheit in unsicheren geopolitischen Zeiten insgesamt zu stärken. Zu begrüßen ist auch, dass der Forderung der Gasbranche, bestehende Infrastrukturen für Wasserstoff zu nutzen bzw. umzuwidmen, in der Strategie der Bundesregierung als ressourcenschonende und kostengünstige Option Rechnung getragen wird.“
„Es ist ein positives Signal, dass die Wasserstoffimportstrategie ausdrücklich auch den Import von kohlenstoffarmem Wasserstoff berücksichtigt“, erklärte Ulf Heitmüller, Vorstandsvorsitzender der VNG (Abb. 5). „Kohlenstoffarmer Wasserstoff spielt eine wichtige Rolle in der Übergangsphase zur vollständigen Dekarbonisierung der Energieversorgung. Damit ist er ein wichtiger Bestandteil des Wasserstoffhochlaufs. Nachdem die Strategie Klarheit über die Leitplanken und übergeordneten Ziele der Bundesregierung für Wasserstoffimporte geschaffen hat, wird es nun darauf ankommen, durch Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen die Nachfrage nach grünem Wasserstoff als Voraussetzung für Importe zu erhöhen.“
Mittwoch, 06.11.2024