Das im Jahr 2017 begonnene Forschungsvorhaben „MEMAP“ verfolgt das Ziel, eine Softwareplattform zu entwickeln, die es ermöglicht, Gebäude im energetischen Verbund zu betreiben, das heißt, in nachhaltigen Quartieren. Ein Energieverbund von Gebäuden birgt erhebliche Einsparungen in der Energieversorgung, da er eine bessere Ausnutzung von regenerativen Energien wie auch von dezentralen Energieerzeugern und Energiespeichern ermöglicht. Schlussendlich lässt sich so eine wirtschaftlichere Energieversorgung bei geringerem CO2-Ausstoß erzielen.
Um die technischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, haben sich insgesamt sieben Unternehmen und Forschungseinrichtungen an der Entwicklung einer offenen Softwareplattform beteiligt, die die Planung und den Betrieb von Quartierslösungen ermöglichen wird. Die Multi-Energie-Management- und Aggregations-Plattform („MEMAP“) wird es erlauben, Gebäude mit unterschiedlichen Anforderungen an Energie zusammenzuschließen, um dadurch die Energieeffizienz im Verbund zu steigern. Als Testgebiet dient das Gewerbegebiet Riemerling bei München. Der Energieverbrauch der dort befindlichen fünf Gebäude wird mittels LoRa-Funktechnik minütlich erfasst. Mit den gewonnenen Lastprofilen werden Berechnungen zu einem möglichen Energieverbund erstellt. Die Lastprofile werden darüber hinaus auch im Reallabor „CoSES“ der TU München eingesetzt, um den geplanten Energieverbund realitätsnah nachzubilden und zu bewerten. Das Reallabor ermöglicht damit ideale Voraussetzungen für den Praxistest der Softwareplattform und eine Verifizierung der Energieeinsparung.
Seit Ende 2020 wird „MEMAP“ im Forschungslabor „CoSES“ (Combined Smart Energy Systems) der TU München einem Test mit realen Anlagen unterzogen. Ziel der Testläufe ist dabei eine generelle und praxistaugliche Validierung des entwickelten Kommunikations- und Schnittstellenkonzeptes im Zusammenspiel mit realer Anlagentechnik, wie Heizkessel und Blockheizkraftwerken (BHKW), sowie die generelle Prüfung der Plattformfunktionalität und der Softwarearchitektur. „MEMAP“ ist auf dem Host-Computer im Labor installiert und die Nachbildung der einzelnen Energie-Management-Systeme (EMS) erfolgt über selbst entworfene Modelle auf Basis verschiedener Software-Umgebungen (National Instruments: „LabVieW“ und „VeriStand“). Über das interne Netzwerk (Ethernet) verbindet sich die Plattform mit den EMS der einzelnen Gebäude, um – über das in der Automatisierungstechnik etablierte OPC-UA-Protokoll – die für die Optimierung benötigten Anlagendaten und die zu erwartenden Lastanforderungen der einzelnen Gebäude (Wärme und Strom) auszulesen. Über die so hergestellte Kommunikationsverbindung erhält das lokale EMS wiederum die Leistungssollwerte von der übergeordneten „MEMAP“, die das Zusammenspiel optimiert. Die Anbindung von „MEMAP“ an die EMS erfolgt mittels eines neuartigen Datenmodells völlig automatisiert.
Die Durchführung der Labortests mit realen Anlagen zeigte diverse Herausforderungen. Eine große Hürde, die es zu nehmen galt, war die zeitliche Synchronisation der Datenkommunikation zwischen „MEMAP“ und den EMS. Dies ist insbesondere im Zusammenhang mit den notwendigen Vorhersagen für die Optimierung relevant. Die benötigten Vorhersagen umfassen prognostizierte Verbräuche, prognostizierte Erzeugungskapazität aus erneuerbaren Energien und prognostizierte zeitvariable Preise (Abb. 2). Diese Prognosen werden im Feld dynamisch eingeholt (z.B. von Drittanbietern), für die Experimente im Laborumfeld werden im Moment fixe Zeitreihen (z. B. gemessen im Feldtest Riemerling) eingelesen. Gleichzeitig werden die Speicherzustände der realen Anlagen gemessen und an „MEMAP“ übermittelt. Die Plattform schickt Sollwerte an die Anlagen zurück.
Es muss sichergestellt werden, dass all diese Datenreihen synchron verlaufen und in „MEMAP“ stets die Daten zusammenkommen, welche sich auf den gleichen Zeitpunkt beziehen. Aufgrund der unterschiedlichen involvierten Datenquellen wird hierfür ein zentraler Trigger inklusive Zeitstempel verwendet, welcher von „MEMAP“ vorgegeben und per OPC-UA an alle involvierten Geräte gesendet wird.
Aktuell wird im Labor der Energieverbund von zwei Gebäuden betrachtet (Abb. 3). Hier ist neben zwei 800-Liter-Wärmespeichern und den beiden Wärmesenken ein Brennwertkessel mit 21 kW Leistung und ein BHKW mit 2 kW elektrischer und 5 kW thermischer Leistung vorgesehen. Zudem sind die beiden Gebäude durch Wärmeleitungen über zwei Wärmeübertrager miteinander verbunden. Auch die elektrische Seite wird bei dieser Ausbaustufe berücksichtigt – durch ein elektrisches Netz, welches die Nutzung des BHKW-Stroms zusätzlich zum öffentlichen Strom durch die emulierte Nachfrage beider Gebäude ermöglicht. Die gesamte Anlagentechnik befindet sich als reale Hardware im Labor der TU München.
Die Labortests werden jeweils über Zeiträume von acht bis 36 Stunden in Echtzeit abgefahren. Im Moment ist eine reale Laboruntersuchung von mehr als zwei Gebäuden technisch noch nicht möglich. Um zum jetzigen Zeitpunkt dennoch Aussagen zu Einsparpotentialen und zum Betriebsverhalten in größeren Verbünden und unterschiedlichen Anlagenkonstellationen treffen zu können, werden Simulationsrechnungen durchgeführt. Für diese simulativen Betrachtungen wird eine Simulationsumgebung genutzt, welche auf denselben Software-Kern zugreift, wie ihn „MEMAP“ im Labor verwendet. Das macht einen sinnvollen Vergleich der Ergebnisse aus Laborumgebung und Simulation möglich. Die in der Laborumgebung durchgeführte Validierung der Plattform kann deshalb zudem als Validierung der Simulationsumgebung gesehen werden. Damit sind ganz wesentliche Schritte getan, um das Ziel des Forschungsvorhabens zu erreichen, eine validierte Plattform für den optimierten Betrieb im Energieverbund bereitzustellen. Basierend auf demselben Software-Kern bietet darüber hinaus die Simulationsumgebung ein Werkzeug zur Planung und Analyse solcher Energieverbünde.
„MEMAP“ als Planungswerkzeug – Beispiel: Gewerbegebiet
Im Gewerbegebiet Riemerling bei München konnten die Gebäudeeigentümer von insgesamt sechs Gebäuden für eine Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe gewonnen werden (Tab. 1). Seit Installation der Messtechnik in Q4/2019 ist es möglich, auf den Wärmebedarf dieser Gebäude in Echtzeit zuzugreifen und ihn für den simulierten Gebäudezusammenschluss zu verwenden. Da eine messtechnische Erfassung des Stromverbrauchs im Rahmen des Projekts nicht möglich war, wurden reale Lastprofile ähnlicher Gebäude entsprechend den Verbrauchsdaten der Nebenkostenabrechnung skaliert und für die Betrachtung eingesetzt.
Trotz der Vielfältigkeit in der Gebäudenutzung zeigen die Gebäude ein ähnliches Bild in der Art der Wärmeerzeugung. Alle Gebäude werden zentral über ein bis zwei Kessel mit Wärme versorgt. Das Hotel besitzt als Alleinstellungsmerkmal zusätzlich eine Solarthermieanlage. Bedingt durch die Qualität der Gebäudehüllen wird eine vergleichsweise hohe Vorlauftemperatur zur Beheizung benötigt.
Für die wirtschaftliche Bewertung war es nötig, den Ist-Zustand genau zu untersuchen, um die Kosten für die Umrüstung des Gewerbegebietes zu einem Energieverbund ermitteln zu können. Die Platzsituation in den Gebäuden wurde mittels 3D-Laserscan aufgenommen und die erforderliche Zusatzinstallation an Messtechnik und Anlagenumrüstung ermittelt. Ergänzend dazu wurden die Gebäude untereinander vermessen und die Planung des Nahwärmenetzes durchgeführt. Die Erfassung der Geometrie über den 3D-Laserscan der Technikzentralen sowie die anschließende Drohnenvermessung der Gebäude wurde zudem für die Erstellung eines BIM-Modells (BIM = Building Information Modeling) genutzt (Abb. 4).
In der ersten Variante der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung wurde zunächst nur der Wärmeverbund analysiert. Hierfür wurden die Investitionskosten für das erforderliche Nahwärmenetz sowie die Kosten für die Anbindung der einzelnen Gebäude an „MEMAP“ kalkuliert und in die Berechnung einbezogen. Basierend auf den aufgezeichneten Lastprofilen wurde ein vollständiges Betriebsjahr im „MEMAP“-Planungswerkzeug berechnet – mit dem Ergebnis, dass der Zusammenschluss der Gebäude zu einer Einsparung von 18.643 Euro/a (7,9 %) und einer CO!SUB(2)SUB!-Reduktion von 56,2 t/a (7,6 %) führt. Dieses Ergebnis wird ohne weitere Modifikationen allein durch den Energieverbund erzielt (Abb. 5). Dem gegenüber stehen hohe Investitionskosten für den Bau des Nahwärmenetzes. Eine akzeptable Wirtschaftlichkeit wird mit dieser alleinigen Maßnahme nicht erreicht (Tab. 2).
In zwei weiteren Betrachtungen wurde die Wirtschaftlichkeit der Anfangsinvestition verbessert, indem in der zweiten Variante ein BHKW an zentraler Stelle aufgestellt und das System in der dritten Variante mit einer PV-Anlage auf dem Dach einer Produktionshalle (180 kWp) erweitert wurde. Somit konnte die Amortisationszeit von 32 Jahren auf 18 Jahre in der zweiten Variante und auf 15 Jahre in der dritten reduziert werden (Tab. 2)
Auf Basis der bisherigen Ergebnisse lässt sich feststellen, dass eine Vernetzung von Gebäuden bereits in kleinen Quartieren positive Effekte entfaltet. Sowohl CO!SUB(2)SUB!-Emissionen als auch Energiekosten lassen sich im Verbund deutlich reduzieren. Variante 3 zeigt mit einer CO!SUB(2)SUB!-Reduktion von 42 Prozent und einer Amortisationszeit von etwa 15 Jahren Ergebnisse, die trotz hoher Investitionskosten interessant sind und das eigentliche Potential einer Quartierslösung aufzeigen. Wesentlicher Erfolgsfaktor ist dabei die Eigenstromerzeugung.
Rechtliche Rahmenbedingungen berücksichtigen
Um das Geschäftsmodell, das sich hinter „MEMAP“ verbirgt, beurteilen zu können, ist es notwendig, den geltenden regulatorischen Rahmen genauer zu betrachten. Insbesondere die Trennung zwischen der Energielieferung an Dritte innerhalb einer Kundenanlage und der Einstufung als Energieversorger spielt dabei eine Hauptrolle. Während Strom, der innerhalb einer Kundenanlage erzeugt und verbraucht wird, in der Regel von Netzentgelten und netzseitigen Abgaben und Umlagen befreit ist, sind sämtliche andere Anlagen, die nicht unter diese Definition fallen, davon nicht befreit.
Für das Quartierskonzept spielt diese Unterscheidung eine tragende Rolle. Zwar gibt es Quartiere, in denen die darin eingesetzten Anlagen als Kundenanlagen eingestuft werden können, jedoch ist die Unterscheidung gerade bei größeren Quartieren nur durch eine Einzelfallprüfung möglich. Vom Ausgang dieser Prüfung ist ganz wesentlich abhängig, ob sich der Betrieb eines Energieverbunds als wirtschaftlich erweist. Eine gesonderte Regelung für Energieverbünde wäre sinnvoll – besonders da diese nicht nur das Potential einer Kostenersparnis bei der Energieversorgung bergen, sondern auch zur Reduktion klimaschädlicher Emissionen beitragen können. Die Situation ist insofern besonders prekär, da Quartiere als ein Schlüsselelement zum Gelingen der Energiewende angesehen werden.
Ausblick
Vernetzte Quartiere bilden bei der Erreichung der Klimaziele einen wesentlichen Baustein, der noch längst nicht ausreichend genutzt wird. Das Planungswerkzeug in „MEMAP“ erlaubt die Vorbetrachtung von Quartieren und kann damit zur Lösungsfindung beitragen. „MEMAP“ – oder ähnliche Software-Lösungen – unterstützen später den laufenden Betrieb.
Eine Umsetzung von nachhaltigen Quartieren, die sich dadurch auszeichnen, dass Gebäude auf intelligente Art und Weise Energie optimal einsetzen und sich untereinander austauschen, wird im Moment noch von regulatorischen Hürden erschwert und ist daher im Markt noch kaum etabliert. Faktoren, die die Rahmenbedingungen in den nächsten Jahren vereinfachen könnten, sind eine Verteuerung der CO!SUB(2)SUB!-Preise, eine mutige Förderpolitik – aber vor allem eine Änderung des regulatorischen Rahmens.
[Verfasser und Forschungsgruppe (in alphabetischer Reihenfolge): Bayern Innovativ GmbH: Dipl.-Inf. (Univ.) Maximilian Irlbeck, M.Sc. Lea Schumacher/Fenecon GmbH: M.Eng. Nicole Miedl, M.Eng. Fabian Eckl/fortiss GmbH – Forschungsinstitut des Freistaats Bayern für softwareintensive Systeme und Services: Dr. Jan Mayer, Denis Bytschkow, Dr. Markus Duchon/Holsten Systems GmbH: Elena Holsten/IBDM GmbH: Dipl.-Ing. (FH) Detlef Malinowsky, B.Eng. Patrick Täubrich/Sauter-Cumulus GmbH: Ralf Nebel, Dipl.-Ing. (FH) Claudius Reiser/Technische Universität München: M.Sc. Thomas Licklederer]
Im HeizungsJournal ist ein weiterer Artikel zum Thema erschienen – zu finden unter: https://tga.li/Xmf