Nach zwei Jahren Corona-bedingter Pause fand Ende Juni 2022 in Bad Nauheim wieder ein BVF Symposium statt.
BVF Symposium 2022 in Bad Nauheim zeigte Potential für die Zukunft auf
Nach zwei Jahren Corona-bedingter Pause fand Ende Juni 2022 in Bad Nauheim wieder ein BVF Symposium statt.
Hier befasste sich der BVF (Bundesverband Flächenheizungen und Flächenkühlungen) mit einem Rückblick auf „50 Jahre Flächenheizung & 50 Jahre BVF“ und mit der Frage, wie die Flächenheizung zur Energiewende beiträgt. Im Vorfeld des Symposiums fand die jährliche Mitgliederversammlung statt, bei der sich der Vorstand neu formierte.
„Mit Flächenheizung und Flächenkühlung zum klimaneutralen Gebäudebestand“ – so lautete das Thema des BVF Symposiums 2022 Ende Juni in Bad Nauheim. Der BVF (Bundesverband Flächenheizungen und Flächenkühlungen) wagte einen Rückblick auf „50 Jahre Flächenheizung & 50 Jahre BVF“ und befasste sich mit praktischen Lösungen und dem möglichen Potential der Technik.
Doch zunächst fand am Vortag des Symposiums die jährliche Mitgliederversammlung statt, bei der sich der Vorstand neu formierte und die Weichen Richtung Zukunft stellte. Dabei warf der Vorstandsvorsitzende Ulrich Stahl zunächst die Frage auf: „Was kommt auf uns zu?“. Er betrachtete den Fachkräftemangel und wie die Branche vor der Notwendigkeit steht, sich für die Zukunft aufzustellen. Über zehn Jahre wurde der Verband von den Vorstandsmitgliedern Stahl, Michael Muerköster und Heinz-Eckard Beele geleitet. Gemeinsam mit der Geschäftsführung achteten sie darauf, dass die Verbandsarbeit kontinuierlich vorangetrieben wird. Mit Eintritt in den Ruhestand im März 2022 steht Beele der Verbandsarbeit nun nicht mehr zur Verfügung. Nachdem Beele für sein beherztes Engagement im Verband als Dankeschön die Ehrenmitgliedschaft im BVF verliehen wurde, stand die Wahl des Nachfolgers an. Als neues Vorstandsmitglied wurde Andreas Piephans, geschäftsführender Gesellschafter von mfh systems, gewählt. Piephans zählt zur nächsten Generation der Unternehmen im Segment Flächenheizungen und Flächenkühlungen. „Eine Verjüngung des Vorstands, die bewusst die Weichen ausrichtet auf ein langfristiges Weiterbestehen des Verbandes“, begründete der BVF diese Personalie. Dazu zählen auch die Erweiterung und Verjüngung des gesamten Führungskreises des Verbandes. Hier haben sich Vertreter der Mitgliedsunternehmen zu Führungsteams zusammengeschlossen, um die verschiedenen Arbeitskreise und deren Ausrichtung zu betreuen.
Die Frage nach dem „Wohin“ stand dann auch auf dem Symposium im Fokus. Stahl gab den Teilnehmern die Richtung vor, um für die Zukunft gewappnet zu sein. Damit die Klimaziele erreicht werden können, müsse der gesamte Markt hin zu einer ganzheitlichen Betrachtung von Bauobjekten und Bauprojekten. Dies beschränke sich nicht nur auf den Heizungskeller, unterstrich Stahl die Notwendigkeit eines geänderten Nachfrageverhaltens. Zur Einstimmung auf die folgenden Fachvorträge erinnerten Stahl und Axel Grimm, Geschäftsführer des BVF, an die Erfolge der vergangenen Jahre. Der BVF wurde 1971 gegründet und präsentiert sich heute als ein Zusammenschluss von über 60 gleichberechtigten Unternehmen aus Heizungsindustrie, Regelungstechnik, Handel und Montage. Die Schwerpunktthemen sind Heizen und Kühlen über Fußboden, Wand und Decke. Dabei werden hydraulische und elektrische Systeme abgedeckt.
Mit zwei Fachvorträgen war Prof. Dr.-Ing. Bert Oschatz vom iTG (Institut für Technische Gebäudeausrüstung Dresden) auf dem BVF Symposium 2022 vertreten. So berichtete er zunächst von Ergebnissen der Studie „Energetische Effizienz der elektrischen Flächenheizung in den Jahren 2020 bis 2050“. Im Bereich der Wärmeversorgung von Gebäuden komme es bedingt durch klimapolitische Ziele und energiewirtschaftliche Rahmenbedingungen zu fundamentalen Umwälzungen. Um die bis 2045 angestrebte Klimaneutralität für den Gebäudesektor zu erreichen, fokussiere sich die aktuelle deutsche Energie- und Klimapolitik sehr stark auf Wärmepumpen und Wärmenetze. Alternative Versorgungslösungen stünden bisher kaum im Fokus. Deshalb wurde untersucht, welchen Beitrag elektrische Flächenheizungen zur Erreichung der Ziele leisten können. Wobei eine abschließende Bewertung derzeit nicht möglich sei, da viele Randbedingungen bisher nicht geregelt seien. Beispielsweise seien die zukünftigen Anforderungen zur Nutzung erneuerbarer Energien gegenwärtig immer noch ungewiss. Jedenfalls seien, laut Oschatz, direktelektrische Systeme in gut gedämmten Gebäuden in Verbindung mit einer Photovoltaikanlage und Zu-/Abluftanlagen mit Wärmerückgewinnung gut geeignet zur Erfüllung der Anforderungen. Maßgeblich für die Bewertung des Primärenergiebedarfs, der Treibhausgasemissionen und des Anteils erneuerbarer Energien sei die Anrechnungsmöglichkeit des selbst erzeugten Photovoltaikstroms auf die Gebäudebilanz.
In seinem zweiten Vortrag betrachtete Oschatz das Thema „Hallenbeheizung auf Basis erneuerbarer Energien“. Explizit ging es um Vorschläge für die Überarbeitung der DIN V 18599-5 („Energetische Bewertung von Gebäuden“) bezüglich Hallenfußbodenheizungen und der Dämmung von Bodenplatten. So bestünden teilweise Unklarheiten bei der Erfassung von Hallenfußbodenheizungen in Energiebedarfsberechnungen nach DIN V 18599 (Energieberatung/Energieausweis), besonders hinsichtlich der Dämmausführung (bei Hallen oft Randdämmung). So habe das iTG eine Kurzstudie erstellt zur überwiegend redaktionellen Fortschreibung/Klarstellung entsprechender Normpassagen. Beispielsweise sollten Dämmniveaus besser mit expliziten Kennwerten beschrieben werden, als allein mit Normverweisen. Unterschiedliche Dämmniveaus innerhalb derselben Bodenplatte könnten als separate Wärmeübergabesysteme abgebildet werden. Oder es sollte eine Klarstellung erfolgen, dass eine „Randdämmung“ nur dann vorliegt, wenn der Randbereich einen höheren Wärmeschutz aufweist als die restliche Bodenplatte. Das heißt, vollflächig gedämmte Bodenplatten sind nicht automatisch auch randgedämmt.
Markus Gundendorfer von my-PV aus Österreich stellte an einem Praxisbeispiel vor, wie Photovoltaik in ein modernes und effizientes Gebäude integriert und der Heizbedarf mit elektrischen Flächenheizungen gedeckt werden kann. Als Projekt wurde der Neubau des Firmengebäudes von my-PV ausgewählt. Das Gebäude mit einer Bruttogeschossfläche von 858 m² ist in Holzriegelbauweise ausgeführt. Basis ist eine 100 kWp Photovoltaikanlage (bestehend aus 300 Solarmodulen je 0,335 kWp). Es verfügt über eine elektrische Bauteilaktivierung der monolithischen Fundamentplatte sowie eine elektrische Fußbodenheizung im Estrich des Obergeschosses. Ergänzend gibt es eine kontrollierte Be- und Entlüftung mit Wärmerückgewinnung sowie eine Klimatisierung mittels VRF-System. „Es funktioniert“, fasste Gundendorfer das Ergebnis aus über einem halben Jahr Praxisbetrieb zusammen. „Das solarelektrische Betriebsgebäude hat eine bilanzielle Autarkie geschafft, sogar in der Heizsaison – und das über gleich alle Sektoren. Es gibt einen Wandel im Energieverbrauch. In hochgedämmten Gebäuden sind die Verbraucher alle gleichwertig (Haushaltsstrom, Heizstrom, Warmwasser, Elektromobilität), das bisher bestehende Ungleichgewicht ist in der Realität nicht mehr festzustellen.“
Ein Höhepunkt des Symposiums war am Mittag die Vergabe der BVF Awards 2022. In diesem Jahr konnte Stahl insgesamt vier Unternehmen prämieren. Die Laudatio sprach Alexandra Borke vom BVF. Feierlich ausgezeichnet wurden mfh systems in der Kategorie elektrische Flächenheizung mit dem Produkt E-Energy Controller IQ, Roth Werke in der Kategorie wasserbasierte Systeme mit dem Produkt Roth Original Tacker-System, Hottgenroth Software in der Kategorie Kühl- und Heizdeckensysteme mit dem Produkt Wand- und Deckenheizung 3D Plus sowie dibauco in der Kategorie Innovation mit Freiflächensystemen mit regenerativen Energien bzw. Abwärmenutzung. Die Auszeichnungen entgegen nahmen Andreas Piephans und Daniel Schuschan (mfh systems), Michael Georg und Christin Roth-Jäger (Roth Werke), Björn Wolff (Hottgenroth Software) sowie Tanja Funke (dibauco).
Am Nachmittag wurden noch durch die BVF-Mitglieder ArgillaTherm (Umbau eines Lagerhauses in moderne Büroflächen mit Natur-Klimadecken) und mfh systems (Einfamilienhaus aus 1962 mit Boden-, Wand- und Deckenheizung) Referenzprojekte der energetischen Sanierung im Bestand mit Flächenheizungen vorgestellt. Zuvor referierte Prof. Thomas Giel von der Hochschule Mainz zudem über das Thema Kalte Nahwärme. „Ein kaltes Nahwärmenetz verfügt über ein zentrales Erdsondenfeld“, erklärte Giel das Funktionsprinzip. „In den Sonden nimmt ein Wärmeträgermedium, ein Gemisch aus Wasser und Frostschutzmittel, die Wärme des Erdreichs mit seinen ganzjährig konstanten Temperaturen von 10 bis 12 °C auf. Durch eine Ringleitung gelangt das erwärmte Trägermedium zu den Abnehmern, den Gebäuden. Dort heben Wärmepumpen die bereitgestellte Energie auf das individuell gewünschte Temperaturniveau. Neben der Heizung im Winter bietet das Netz auch die Möglichkeit, die Häuser im Sommer ökologisch und wirtschaftlich zu kühlen (Freecooling). Die in den sommerlich-heißen Innenräumen aufgenommene Wärme führen die Leitungen zurück ins Erdreich und ermöglichen damit gleichzeitig eine Regeneration des Erdsondenfeldes.“
Giel berichtete von zahlreichen, bereits umgesetzten Projekten und hob die Vorteile von kalten Nahwärmenetzen hervor. Aufgrund des niedrigen Temperaturniveaus des zirkulierenden Wärmemediums gebe es Leitungsgewinne und keine Leitungsverluste. Dadurch seien im horizontalen Netz auch große Leitungsdistanzen von bis zu zwei Kilometern möglich. Zudem erlaube es die dezentrale Wärmeerzeugung, auf die Anforderungen und Bedürfnisse der einzelnen Verbraucher einzugehen, was sich bei herkömmlichen Nahwärmenetzen schwierig gestaltet. Auch ein Ausbau des Netzes in Etappen sei problemlos umsetzbar, betonte Giel. „Damit ist ein kaltes Nahwärmenetz ideal für Neubaugebiete oder andere Areale, die in mehreren Bauabschnitten erschlossen werden. Auch Erweiterungen zu späteren Zeitpunkten sind denkbar, wenn beispielsweise Vertragsbindungen abgelaufen sind oder weitere Sanierungen anstehen.“
Die informative Festschrift „die Fläche.“ zum 50-jährigen Jubiläum des BVF ist hier verfügbar: www.flaechenheizung.de/download/festschrift-die-flaeche
Weiterführende Informationen: https://www.flaechenheizung.de/
Freitag, 14.10.2022