In einem größeren Ferienobjekt einer Eigentümergemeinschaft auf der Ostseeinsel Usedom häuften sich die Reklamationen an der Heizungsanlage.
In einem größeren Ferienobjekt einer Eigentümergemeinschaft auf der Ostseeinsel Usedom häuften sich die Reklamationen an der Heizungsanlage.
Das von der Eigentümergemeinschaft beauftragte Planungs- und Projektierungsbüro Kraftland aus Berlin riet zu einer Sanierung, unter anderem mit einer neuen KWK-Anlage anstelle der älteren Kaskade, und einem Full-Service, der die kaufmännische und technische Betriebsführung im Blick hat. Prognostizierte Einsparung: Rund 150.000 Euro über einen Zeitraum von zehn Jahren. Das erste Betriebsjahr bestätigt die Kalkulation.
In der Nacht hatte der Winter die Straßen in Zempin mit silbriger Glätte überzogen. Die gefühlte Kälte am Morgen des 14. Januar 2019, bei grauem Himmel und Windstärke 8 auf dem sandigen Deichweg, lag mindestens zehn Grad unter den plus 2 °C, die das digitale Thermometer an einem Gebäude im Ortskern angezeigt hatte. Die weißgrünen Brandungswalzen der Ostsee zerplatzten auf dem schmalen Strandstreifen in abertausend Wasserfetzen. Der eisige Sturm packte sie, schleuderte sie die niedrigen Dünen hoch und ins Gesicht des Betrachters. Die Kälte kroch durch Jacke und Pullover. Auch auf der Badeinsel Usedom ist der Januar eben ein Januar.
Die Dame an der Rezeption im Hotel "Nordkap" in Karlshagen, nur ein paar Brandungswellen entfernt von Zempin, hatte beim Auschecken mit Blick auf die tanzenden Zierbüsche draußen auf der Terrasse zwar gemeint, das sei gleich vorüber, hier halte sich das Wetter nie sehr lange. Usedom habe amtlich vermerkt die meisten Sonnentage in Deutschland. Sie ignorierte, dass Sonne, Sturm und Frost sich nicht widersprechen müssen.
Ja, es stimmt, der Deutsche Wetterdienst bestätigt, dass Usedom mit 1.900 Stunden Sonnenschein im Jahr in der sonnenreichsten Region Deutschlands liegt. Im vergangenen Sommer 2018 registrierten die Wetterstationen sogar 2.400 Sonnenstunden. Allerdings nicht die heißesten. Die riesige Speichermasse der Ostsee sorgt für relativ moderate Temperaturverhältnisse. Im kürzeren Sommer, gegenüber dem Binnenland, klettert das Thermometer selten auf einen Wert über 22 °C und im längeren Winter, wenn sich die Meerestemperatur bei 2 oder 3 °C festsetzt, kann die Luft einige Wochen um den Gefrierpunkt pendeln, ohne aber tief in den Minusbereich zu fallen. Trotzdem, bei Dauerkälte gefriert schon mal die Meeresoberfläche. Mit dieser Eisschicht unterscheidet sich übrigens die Ostsee von der Nordsee. Drüben im Westen, vor den Ostfriesischen und Nordfriesischen Inseln, bleibt die Quecksilbersäule im Januar im Wasser in der Regel zwei oder drei Grad höher stehen, bei 5 °C. Eis ist dort die Ausnahme. Einfach deshalb, weil der relativ warme Golfstrom den Inhalt des Nordseebeckens permanent austauscht, das so, wie eine Fußbodenheizung, das Einfrieren der Oberfläche weitgehend verhindert. Auf der Ostsee dagegen erstarrt nicht selten die Grenzschicht zur Luft.
Konsequenz: In Wohn- und Ferienobjekten an den deutschen Küsten allgemein und an der Ostsee im Speziellen darf das BHKW durchaus eine solide Größe haben, um auf 6.000 Betriebsstunden im Jahr zu kommen. Der stabile Heizwärmebedarf über acht Monate und der ausgeprägte Warmwasserkomfort in den Urlaubsmonaten garantieren die Auslastung. Das versprachen auch die Sanierungs-Planer den Bauherren eines bestehenden Objekts in Zempin. Im Jahr 2005 entstand für die Eigentümergemeinschaft "ETG Südwind" ein Appartement-Komplex mit 46 Wohneinheiten. Zempin bildet quasi die Brücke zwischen der Westinsel und der Ostinsel. Das Achterwasser auf der südlichen Rückseite zum Stettiner Haff und die Ostsee auf der Nordseite taillieren hier die Insel auf nur einige hundert Meter Breite. Die bekannten Seebäder Ahlbeck, Heringsdorf und Bansin – wie auch das heute polnische Swinemünde, die "Badewanne" der Berliner vor dem Zweiten Weltkrieg – liegen östlich dieser Engstelle. Sie hatten genügend Umland, um sich mit Hotels für jeden Standard, mit Promenade, Seebrücke, Freizeit- und Unterhaltungseinrichtungen touristisch relativ großzügig entwickeln zu können. Im Westen dominiert das Militärgebiet um Peenemünde.
Das beschauliche frühere pommersche Fischerdorf Zempin in der flächenarmen Einschnürung zwischen West und Ost muss touristisch kompakter denken und handeln: mehrgeschossige Ferienwohnungen und Sommerresidenzen für die Zielgruppe Vierpersonenfamilie, unter anderem in Wohnobjekten im Kiefernwald zu einem für beide Seiten, für Investor und Urlauber, attraktiven Preis. Solch ein Konzept setzt überschaubare Betriebskosten voraus. Die erhalten umso mehr Bedeutung, je mehr energieintensive Attraktionen der Komplex umfasst. In der "Seestraße 1" zählen zu diesen Attraktionen ein eigenes Hallenbad und Fitnessräume. Deshalb hatten die Eigentümer beim Entwurf der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA) einer BHKW-Anlage zugestimmt. Die sollte unter anderem die ansonsten hohen Strom- und Wärmekosten für dieses Freizeitangebot reduzieren. Die Anlagenbauer installierten deshalb damals, im Jahre 2005, einen Erdgas-Brennwertkessel und stellten dem eine BHKW-Zweierkaskade mit einer elektrischen Leistung von je 4,7 kW zur Seite. Bei richtiger hydraulischer Einbindung hätten die Maschinen ausreichend zu tun gehabt.
Daran, an der korrekten hydraulischen Einbindung, mangelte es aber. Das übliche Problem. Die Kaskade stand mehr still als sie lief. Die Wartungskosten überstiegen die Kalkulation. Die Eigenstrom-nutzung sowie die Ausspeisung in das öffentliche Netz beschränkten sich auf ein Minimum. Die Betriebskosten für Schwimmbad und Fitness eskalierten. Konkret weist das Gutachten 2013 des eingebundenen Sachverständigen rund 2.400 Betriebsstunden für die erste Maschine und 2.000 Betriebsstunden für die zweite Maschine aus – anstelle der möglichen zweimal 6.000 Stunden.
Die Eigentümergesellschaft entschied sich deshalb genervt für eine Vollsanierung. Zuvor beauftragte sie ein Planungsbüro mit einer Mängelanalyse, um nicht wieder mit den Fehlern der Vergangenheit konfrontiert zu werden. Diese Arbeit übertrug sie der Kraftland GmbH, Berlin. Die ist ein deutschlandweiter Full-Service-Dienstleister im Bereich der Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung im Segment von 1 bis 800 kW elektrische Leistung. Die Kraftland GmbH hat, nach eigener Angabe, mehr als 200 KWK-Projekte erfolgreich umgesetzt. Die Dienstleistungen umfassen die detaillierte Erfassung und Bewertung von Bedarfs- beziehungsweise Verbrauchsdaten zur Erstellung der Wirtschaftlichkeitsprognose eines empfohlenen Betreiberkonzepts, die BHKW-Planung bis hin zur hydraulischen Einbindung und bis hin zu allen formalen Tätigkeiten, wie Netzanmeldung, Fördermittelmanagement und Finanzierungsservice.
Ferner bietet Kraftland die Projektbegleitung bis hin zur Inbetriebnahme der BHKW-Anlage an sowie schließlich, in der Betriebsphase, den Abrechnungsservice, die Messstellenbetreuung und die Betriebsoptimierung. Der Kunde kann natürlich auch auf Teilpakete zugreifen, zum Beispiel die Installation seinem regionalen Anlagenbauer übertragen oder Service und Wartung optional externen Spezialisten.
Die Berliner arbeiten im Mini-KWK-Bereich eng mit der Servicegesellschaft Aqua-Energy-Plus (AEP), mit Sitz ebenfalls in der Bundeshauptstadt, zusammen. AEP als Premium-Partner von EC Power ist zuständig für Vertrieb, Inbetriebnahme, Wartung und Service in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Die Kraftland-Analyse in Zempin führte zu einer Umrüstung auf ein "XRGI"-Aggregat (15 kW!SUB(el)SUB! und 30 kW!SUB(th)SUB!) von EC Power als Ersatz für die zwei früheren Typen. Trotz der niedrigen Betriebsstunden hatten die nach 13 Jahren Dienst in vielen Details ihre Nutzungsdauer erreicht und hätten teuer generalüberholt werden müssen. Das wäre nicht wesentlich preiswerter gekommen.
"Wobei die Mehrheit der Reklamationen auch nicht den BHKW anzulasten waren oder sind. Im Appartementcenter ist vieles vonseiten der Planung und der Installation falsch gemacht worden", mildert Goran Babok von Aqua-Energy-Plus die Schuld der Altanlagen an den Ausfällen ab, um damit auch generell die KWK aus einer eventuellen Kritik zu nehmen. Die später vorgelegte Schadens- und Kostenanalyse der Sanierer hatte jedenfalls die Eigentümergemeinschaft Zempin überzeugt. Sie beschlossen, bei KWK zu bleiben, erwarteten aber selbstverständlich eine jetzt bessere Ausführung.
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Kraft-Wärme-Kopplung ist also keine sensible Technik, die nur verständnisvollen, umwelt- und innovationsfreudigen Bauherren empfohlen werden sollte? "Nein, überhaupt nicht. Sie ist robust und stabil, nur muss man bestimmte Randbedingungen einhalten. Wie bei jeder anderen Technologie auch, genauso wie bei einer Wärmepumpe oder selbst bei einem Brennwertkessel. Diese Randbedingungen sind für die »XRGI«-Typen detailliert zu Papier gebracht beziehungsweise digital aufbereitet. EC Power hat für beinahe jede Konfiguration, inklusive Einbindung beinahe jedes Kessels jedes Herstellers, und für beinahe jede Schaltung ein ganz konkretes hydraulisches Schema erarbeitet. Daran muss man sich natürlich halten und nicht irgendwelche Dinge ändern oder weglassen. Eingeräumt, KWK erfordert etwas mehr Aufwand als andere Systeme. Aber dafür gibt es solche Unterlagen und zudem genügend Spezialisten, die den Planern und Anlagenbauern zur Seite stehen. Wie wir zum Beispiel", so Babok.
An den "XRGI"-Aggregaten selbst sei nichts auszusetzen. EC Power verkaufe im Leistungsband 6 bis 20 kW!SUB(el)SUB! die meisten Maschinen in Europa. "Die wissen, wie KWK geht", sind Kraftland und AEP einer Meinung, "sonst könnten sie für das Modell »XRGI 15« nicht ein Wartungsintervall von 8.500 Stunden anbieten. Die für EC Power modifizierte Toyota-Maschine läuft mit 1.500 Umdrehungen pro Minute. Bei einem Pkw entspricht das einer Durchschnittgeschwindigkeit von 50 km/h – mithin einer Wartung von rund alle 400.000 km."
EC Power betreibe darüber hinaus in Berlin eine eigene Akademie. Da könne man die entsprechenden Kurse belegen und sich schlau machen. "Die meisten Störungen laufen einfach deshalb auf, weil der Errichterbetrieb die Installation nicht so umgesetzt hat, wie sie die Planung vorgegeben hat. Er nimmt andere Materialien, er vergisst Filter oder Gasströmungssicherungen einzubauen, die Querschnitte der Elektroleitungen stimmen nicht mit denen in der Zeichnung überein, die Ladepumpen sind nicht an der BHKW-Steuerung angeschlossen usw. All das fanden wir in Zempin vor. Allerdings auch Planungsfehler. Die BHKW-Kaskade war nicht auf die Poolbeheizung abgestimmt."
Konkret zum Poolthema ist zu sagen, dass hier eine Rücklauftemperaturbegrenzung fehlte. Zwischen dem Schwimmbad und dem BHKW sitzt zwar ein Wärmeübertrager, aber wenn der keine Wärme abgibt, weil die Wassertemperatur ihren Sollwert hat, fließt der Vorlauf sozusagen direkt wieder als Rücklauf zur Maschine. Eine Motorkühlung ist dann nicht mehr gewährleistet. Das BHKW schaltet ab. Das kommt der Laufzeit natürlich nicht zugute. Die Regelung hätte hierauf reagieren und kälteres Rücklaufwasser aus den Heizkreisen beimischen müssen.
Die technischen Mängel führten nicht nur zu hohen Wartungs- und Reparaturkosten. Ganz besonders schlug der lange Stillstand der Maschinen negativ zu Buche. Denn nun musste mangels Eigenstromnutzung Netzstrom zugekauft werden. "Und schließlich addierte sich zu dem hohen Wartungsaufwand, den erhöhten Kosten aufgrund der Kaskadierung mit zwei Wartungsverträgen und einer mangelhaften Auslegung der Anlage, gerade in Bezug auf die Poolheizung, noch die unzureichende administrative Betreuung des Heizungssystems beziehungsweise der Eigentümer." Was damit gemeint ist: Wer beantragt etwa bei einer Eigentümergemeinschaft beim Hauptzollamt die Rückerstattung der gezahlten Energiesteuer für den BHKW-Brennstoff? In Zempin reicht dieser Betrag an knapp 20.000 Euro heran.
2016 legten Kraftland und EC Power Partner AEP der "ETG Südwind" einen Sanierungsplan mit einer Kostenschätzung vor. Die Maßnahme basiert im Wesentlichen auf einer neuen KWK-Anlage, nämlich dem Typ "XRGI 15" von EC Power, des Weiteren auf der Nutzung des vorhandenen Spitzenlastkessels, der Installation eines Pufferspeichers mit 1.000 l Inhalt, der Montage und Inbetriebnahme durch einen zertifizierten Betrieb, einem Wartungsvertrag und einem Finanzierungsservice.
Über zehn Jahre betrachtet, kommt unter dem Strich eine prognostizierte Ersparnis von über 150.000 Euro gegenüber dem Ist-Zustand heraus. Diesen Betrag teilen sich einerseits die Reduktion der Betriebskosten und andererseits die abrufbaren Fördergelder nebst den Entlastungen in den verschiedenen Abgaben, wie Energiesteuer-Rückerstattung, EEG-Umlage und anderes. In der Prognose steht zwar ein höherer Gasverbrauch von etwa 100.000 kWh aufgrund der angesetzten 6.720 Betriebsstunden pro Jahr für das "XRGI 15". Nur bedeuteten die bei einem Gaspreis von etwa 4 Cent/kWh eine Mehrausgabe von 4.000 Euro. Demgegenüber steht wegen der hohen KWK-Eigennutzung nur noch ein Bezug von 18.300 kWh Netzstrom zum Preis von total 4.750 Euro pro Jahr im Vergleich zu den 81.000 kWh der unsanierten Anlage, respektive einer Belastung von 21.000 Euro, ergo eine Differenz von etwa 16.000 Euro.
Im Jahr 2017 startete der Umbau. Von der Betriebsphase von gut einem Jahr liegen erste Ergebnisse vor. Die bestätigen die im Jahr zuvor präsentierte Wirtschaftlichkeitsprognose, unter anderem die geplante preiswerte Stromproduktion des "XRGI 15" zu mehr als 6.000 Stunden im Jahr. Das schaffte nicht nur diese Leistung, sondern lief bisher auch absolut störungsfrei.
Dienstag, 08.10.2019