Neuer Versuch, neues Glück: Die Geschichte der Flächenheizung und -kühlung beginnt einige hundert Jahre vor Christi. Damals ließen wohlhabende römische Patrizier in ihre Villen und der römische Senat in die öffentlichen Thermen doppelte Böden und teilweise doppelte Wände einbauen, durch die von einem Brennofen aus heiße Abgase und heiße Luft strömten. Die Kanalisierung bescherte einen hohen Behaglichkeitskomfort. Doch reagierten die sogenannten Hypokaustenheizungen sehr träge. Es dauerte unter Umständen tagelang, die massive Steinarchitektur zu temperieren. Auf irgendeine Art Regelungstechnik verzichteten die ansonsten sehr ideenreichen Baumeister der Antike völlig. Zudem, sagen die Altertumsforscher, lag die Effizienz nur bei wenigen Prozent. Letztlich mit der Folge, dass die Fußbodenheizung nur so lange Dienst tat, wie genügend Wald in der Nachbarschaft zum Abholzen zur Verfügung stand. Holz war nun mal der einzige Brennstoff und Italien war damit nicht üppig gesät.
Schwieriger Neuanfang
Nach dem Niedergang des römischen Wohlstands führte auch wegen des baulichen Aufwands quasi bis Ende des 19. Jahrhunderts die Fußbodenheizung ein Schattendasein. Die breite Wiederauferstehung leitete erst Ende der vergangenen 60er-Jahre Multibeton ein. Die Rheinländer präsentierten damals erstmals ein System auf Basis von Kunststoffrohren statt Kupfer und Stahl. Das unterschied sich nicht nur in dem elastischen und leicht verlegbaren Werkstoff von den Alternativen Kupfer und Stahl, sondern auch durch die systemische Struktur: Mit Befestigungsmaterialien, Planungshinweisen, Verbindungstechniken und anderem stellte das Unternehmen eine Fußbodenheizung als serielles Produkt vor.
Die Rheinische Post schrieb damals: „Anstelle von Kupferrohren tritt ein Plastikschlauch, auf den das Werk eine Garantie von 30 Jahren gibt, der hohe Druckbelastungen und erforderliche Heißwassertemperaturen konstant aushält. Dieser Plastikschlauch wird mit einer Estrichschicht umgeben, die die Bildung von Rissen im Beton verhindert.“ Nun ging allerdings zeitgleich die Epoche der Schwerkraftheizung zu Ende. Die Heizungstechnik wechselte zu geschlossenen Anlagen mit Druckausdehnungsgefäßen und mit korrosionsempfindlichen Werkstoffen, die deshalb korrosionsempfindlich sein durften, weil die geschlossene Heizungsanlage ja den aggressiven Sauerstoff aussperren sollte. Der schlich sich jedoch wieder über die damals ungesperrten verschiedenen Kunststoffmaterialien in den Wasserkreislauf hinein und nagte an den kesselseitigen Wärmeübertragern und anderen Bauteilen bis zum Durchbruch.
Schach dem Sauerstoff
Den Anlagenbau überflutete eine Welle von Reklamationen. Zur Schadensprävention schaltete das Handwerk einen Wärmeübertrager zwischen Fußbodenheiz- und Kesselkreis, bis die Rohrlieferanten schließlich gasundurchlässige Rohre extrudierten, vornehmlich mit einer Schicht aus Ethylen-Vinylalkohol-Copolymer (EVOH), eine Chemikalie, die hohe Barriereeigenschaften besitzt und für Lebensmittelverpackungen gang und gäbe war und ist.
Mit der Nachrüstung von Fußbodenheizungen im Bestand tat man sich allerdings wegen des relativ hohen Aufbaus schwer. Auch als Wand- und Deckenheizungen boten sich die Systeme aus selbem Grund nicht unbedingt an. In Berlin verfeinerte deshalb das Dienstleistungsunternehmen Donald Herbst das Prinzip zur elastischen Kapillarrohrmatte. Darunter ist ein Geflecht verbundener Rohre, nämlich Kapillare, mit einem Verteilrohr und einem Sammelrohr zu verstehen. Herbst lehnte sich damit an das Adersystem von Blättern und der Hautoberfläche von Lebewesen an. Das Adersystem versorgt den Organismus nicht nur mit Nährstoffen, es dient auch zur Wärmeregulierung. Also knüpfte der Entwickler ein ähnliches Netzwerk quasi in Form von Teppichmodulen zum Verlegen auf Böden und Befestigen an Wänden und Decken, um es zur Temperierung der Räume mit warmem oder kühlem Wasser zu durchströmen.
Schach den Korrosionsprodukten
Doch auch dieser Variante der Flächenheizung und Flächenkühlung war kein großer Erfolg beschert, obwohl nach wie vor gute Argumente für die dünnlagigen elementierten Heizflächen sprechen: Neben den baulichen Vorteilen verspricht die Kapillarrohrmatte wegen des geringen Wärmewiderstands eine schnellere Reaktion auf Temperaturwünsche – im Gegensatz zum Urprodukt, der Hypokaustenheizung – und wegen ihres vergleichmäßigten Strahlungsklimas reicht eine Vorlauftemperatur aus, die nur wenige Grad von der gewünschten Raumtemperatur entfernt liegt.
Nun hat das typische Kapillarrohr einen Außendurchmesser zwischen 3 und 5 mm. Diese sehr schlanken Kapillare tragen den Nachteil in sich, aufgrund von Verunreinigungen im Heizungssystem und den Anbindeleitungen zu Verstopfungen zu neigen, wenn die Verarbeiter nicht sorgfältig arbeiten und die Systemarchitektur nicht darauf reagiert. Trotz der Trennung mithilfe eines Wärmeübertragers – mehrheitlich sind die Matten genauso wie die damaligen Rohre nicht sauerstoffdicht –, reichen wenige Korrosionsprodukte aus, die Hydraulik durcheinanderzubringen. Nur wenige Anbieter konzentrierten sich deshalb auf diesen Flächenheizungstyp.
Reduzierte Umbaumaßnahmen
Dieser verspürt jetzt aber wieder einen leichten Aufwind: Im Zug der Wärmewende ist der Altbau hinsichtlich der energetischen Sanierung kein Tabu mehr und für die Wärmepumpe ist die Kapillarrohrmatte erstens wegen des geringen Temperaturhubs ein idealer Wärmeübertrager. Zweitens bedarf es gegenüber der Fußbodenheizung keines größeren Eingriffs in die Bausubstanz. Wärmepumpen-Anbieter sehen daher in den Modulen eine empfehlenswerte Ergänzung zu ihren regenerativen Wärmeerzeugern.
Giersch CTC (Teil von Enertech und Nibe) geht bereits einen Schritt weiter und vereinbarte eine Allianz mit einem Produzenten der „Heizteppiche“. Jens Kater, Geschäftsführer der Enertech GmbH, begründet es: „Wir müssen, vor allem wenn wir in den Altbau wollen, heute ganzheitliche Konzepte anbieten. Die bestehen aus einer Quelle, einer Senke und einer Wärmepumpe. Die Kapillarrohrmatte ist die optimale Wärmesenke, weil Sie nicht in den Boden müssen beziehungsweise in der Sanierung teilweise gar nicht in den Boden können. Die Türen passen nicht mehr, die Fensterhöhe stimmt nicht mehr, tageweise sind die Zimmer oder die Wohnung nicht benutzbar und Staub und Schmutz verteilen sich über die Räume. Hinzu kommt: Je weniger Schnittstellen ich habe, um so reibungsloser verlaufen die Sanierungen und das Sanierungsgeschäft.“
Giersch CTC arbeitet mit der GeoClimaDesign AG zusammen. Das relativ junge Unternehmen aus Fürstenwalde an der Spree produziert Heiz- und Kühlsysteme, thermische Absorber für Solarwärme, Prozesswärme und Wärmespeicher. Diese Palette vereint ein Herzstück: Alle Produktlinien basieren auf der Kapillarrohrtechnologie.
Gute Gründe
Marius Vargas, Geschäftsführer bei GeoClimaDesign, zählte im Gespräch mit dem HeizungsJournal verschiedene Pluspunkte für seine „Bluemat“-Kapillare auf und unterstrich drei ganz besonders: „Die Deckenheizung ist der Königsweg der energetischen Sanierung. Gebäude, die bisher mit Heizkörpern ausgestattet waren, bekommen mit einer Deckenheizung eine ganz neue Komfortqualität und ein weiteres Effizienzplus. Der Transmissionswärmeverlust an den Außenwänden, der durch hohe Übertemperaturen der Heizkörper verursacht wurde, verringert sich drastisch.“
Zweitens: „Mit den »Bluemats« werden besonders im Altbau nach Austausch der Heizkörper höchste Effizienzen, vor allem mit der Wärmepumpe, erreicht. Sinkt die Systemtemperatur, steigt der Wirkungsgrad der Wärmepumpe, gleichgültig, ob das Haus gedämmt oder ungedämmt ist. Dieses Effizienzplus spiegelt sich auch in denkmalgeschützten Gebäuden wider, wo Eingriffsmöglichkeiten behördlicherseits beschränkt sind.“
Drittens: „Gerade im Bestand wird ohnehin häufig eine abgehängte Decke eingebaut – aus Gipskarton. Es genügt, auf diese Decke unsere Kapillarrohrmatten zu legen und fertig ist die Strahlungsheizung. Die Kosten halten sich so in Grenzen, denn die Gipsdecke wollte der Bauherr ja ohnehin.“
Sichtbar und unsichtbar
Das Geflecht muss sich nicht unbedingt verstecken. Bürobetreiber und Industrieunternehmen nehmen es, laut Marius Vargas, gerne auch als sichtbare Heizfläche. „Wenn die Auftragnehmer die Heizfläche als Gestaltungselement wählen, muss nicht einmal eine Gipskartondecke eingezogen werden.“ Verschiedene Farben stehen standardmäßig zur Verfügung, ferner lassen sich die Matten auf beinahe jeden gewünschten Farbton einfärben.
Die spezifische Heizleistung beträgt für eine Raumtemperatur von 20 °C und einer Vorlauf-/Rücklauftemperatur von 32/28 °C rund 60 W/m2, die maximale Heizleistung für die Spreizung 75/70 °C und 20 °C Raumtemperatur 240 W/m2. Die Leistungswerte im Kühlbetrieb lauten: Normleistung 80 W/m2, maximal 114 W/m2. Statisch verlangt die Matte keine besonderen Vorkehrungen. Mit Wasserfüllung wiegt sie nicht mehr als 0,67 kg/m2. Die einzelnen Elemente bietet der Hersteller in Längen zwischen 0,5 und 8 m an und in Breiten zwischen 0,3 und 1,13 m.
Das System ist dabei nicht auf die In-Haus-Anwendung begrenzt: Es bietet sich ebenfalls als horizontaler Erdkollektor an. Die Fürstenfelder sprechen von einer besonders hohen Entzugsleistung aufgrund der Dichte der Kapillarrohre. Natürlich ist die Leistung abhängig von der Beschaffenheit des Erdreichs.
Als Referenzen führt GeoClimaDesign neben anderen das 20-stöckige „Iduna“-Hochhaus in Osnabrück an, das für die Nutzfläche von 7.500 m2 eine Deckenstrahlungsheizung auf Basis der „Bluemats“ erhielt, ferner das historische Speichergebäude in Fürstenwalde aus dem Jahr 1837. Das ist mittlerweile zum Null-Energiehaus (Nutzfläche: 2.800 m2) energetisch aufgerüstet worden. Das nicht gedämmte Gebäude heizt und kühlt mit dem Energieinhalt der Spree und ist mit Wasserkraftstrom, unter anderem für die Wärmepumpe, elektrifiziert.
Ohne korrosive Werkstoffe
Wie begegnet GeoClimaDesign also dem Zusetzen der dünnen Heizleiter, jenem Betriebs- und Schadensrisiko, das in den 90er-Jahren den Durchbruch der Kapillarrohre verhinderte? „Indem wir komplette Systeme ausliefern, die keine korrosiven Materialien enthalten – also nur Rotguss, Edelstahl, Kunststoff, Bronze. Im Bestand trennen wir das Mattensystem mit dem Edelstahlwärmeübertrager von den eventuell zu nutzenden Steigeleitungen. Damit ist ausgeschlossen, dass korrosive Produkte in die Kapillare gelangen. In der Vergangenheit hatte man daran zu wenig gedacht. Wir bieten deshalb heute auch den Planern und Heizungsbauern zur Unterstützung einen eigenen Montagetrupp an, der die Verlegung, inklusive des hydraulischen Abgleichs, beherrscht“, erklärt Marius Vargas zum Punkt „Korrosionsprodukte“.
GeoClimaDesign präsentierte das Verfahren auf einer Journalistenreise zu mustergültigen Wärmepumpen-Installationen, zu der der Bundesverband Wärmepumpe (BWP) eingeladen hatte. Station war in diesem Fall die neue Niederlassung von Giersch CTC in Hohenaspe bei Itzehoe. Die Vertretung für Norddeutschland hat dort das Heizungsbauunternehmen Hans-Heinrich Otte übernommen.
Gutes für die Wärmewende
Der Hersteller aus dem sauerländischen Hemer erweitert mit der Mattentechnik das Angebot für die Sanierung. Das besteht damit im Prinzip aus zwei Linien: Die erste Linie basiert auf dem „Duo-Hybrid“-Konzept, das vorrangig auf die energetische Sanierung von Mehrfamilienhäusern abgestimmt ist. Bei „Duo-Hybrid“ darf es bei den vorhandenen Heizkörpern bleiben. „Hybrid“ steht zum einen für den eingebunden PVT-Kollektor, der Wärme und Strom bereitstellt – den Strom etwa für die Wärmepumpe. Zum anderen steht „Hybrid“ für das im Wärmepumpen-Gehäuse integrierte Brennwertgerät. Das übernimmt zum Beispiel bei -3 °C den Heizbetrieb.
Giersch CTC geht mit der „Duo-Hybrid“-Lösung, die keine Eingriffe in die einzelnen Wohnungen verlangt, vor allem auf die Wohnungswirtschaft zu. „Wir haben uns gesagt, es müssen ja nicht gleich 100 Prozent Erneuerbare sein. Wenn man die Regenerativen auf 80 Prozent deckelt und den Rest konventionell die Brennwerttechnik übernimmt, spart man schon erhebliche Kosten und tut der Wärmewende Gutes“, so Jens Kater bei der Vorstellung der neuen Niederlassung Hohenaspe. „Und wer nicht nur der Umwelt Gutes tun, sondern sich selbst auch den Komfort einer angenehmen Strahlungswärme gönnen will, also Baumaßnahmen in den eigenen vier Wänden nicht scheut, für den sind wir die Allianz mit GeoClimaDesign eingegangen.“