Die Umstellung auf Kältemittel mit geringerem Treibhauspotential wird uns die kommenden Jahre beschäftigen, ...
Interview mit Klaus Ackermann, Geschäftsführer der Nibe Systemtechnik GmbH in Celle
Die Umstellung auf Kältemittel mit geringerem Treibhauspotential wird uns die kommenden Jahre beschäftigen, ...
... erläutert Klaus Ackermann, Geschäftsführer der Nibe Systemtechnik GmbH in Celle, im Gespräch mit dem HeizungsJournal. Ein weiteres Trendthema im Bereich Wärmepumpen sei die Digitalisierung. Die Lieferkapazität sei in den letzten Monaten kontinuierlich gestiegen, Lieferungen wieder planbar.
Herr Ackermann, die Heizungsindustrie durchlebt turbulente Zeiten. Was hat Ihr Geschäft in diesem Jahr am meisten beeinträchtigt – Engpässe bei Ihren Zulieferern oder die Politik?
Beides ist relevant. In der Gesamtschau sind wir trotz aller aktuellen Debatten optimistisch, dass in der Politik die Weichen für eine klimafreundliche Beheizung mit mehr Wärmepumpen gestellt werden. Als Konsequenz planen und investieren wir im Unternehmen entsprechend. Viel Energie mussten und müssen wir jedoch weiterhin in eine bestmögliche Organisation der Auftragsabwicklung stecken.
Wie gestaltet sich denn derzeit die Situation bei Ihren Lieferketten?
Lieferungen sind heute wieder planbar. Viele Vorkomponenten sind sogar ab Lager verfügbar. Es gibt jedoch nach wie vor einzelne Komponenten, die noch unzureichend vorhanden sind und auf deren Beschaffung wir uns im Tagesgeschäft konzentrieren. Gegenüber den Vorjahren liefern wir auf das gesamte Jahr betrachtet zwar mehr Wärmepumpen in den Markt, können aber die hohe Nachfrage derzeit nicht vollständig abdecken. Die Lieferkapazität ist in den letzten Monaten kontinuierlich gestiegen und wird dies weiterhin tun. Bei gleichbleibendem Auftragseingang erwarten wir für Neubestellungen zum Jahreswechsel Lieferzeiten von circa drei Monaten.
Und wie haben Sie die diesjährigen Entscheidungen der Politik in Bezug auf den Heizungssektor erlebt, insbesondere auf die politisch gewollte Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG)?
Die Änderung der in Deutschland überwiegend verwendeten fossilen Heiztechnologie ist notwendig. Das neue GEG setzt dies folgerichtig um. Überrascht wurde ich von der Heftigkeit der politischen Debatte und der medialen Überhöhung. Diese war häufig auch von politisch Verantwortlichen nicht von großer Sachkenntnis geprägt und hat den Inhalt des GEG unzulässig verkürzt. Ein Heizungs- oder Technologieverbot stand dort im Übrigen niemals zur Debatte.
Ein Blick zurück auf das Geschäftsjahr 2022: Die Nibe Systemtechnik GmbH gehört zum Geschäftsbereich Nibe Climate Solutions, der seinen Umsatz um fast 30 Prozent auf über 26 Milliarden SEK (über 2,2 Milliarden Euro) steigern konnte. Wie ist Ihr Geschäft in Deutschland gelaufen?
2022 haben wir zweifelsfrei mit unseren Kunden gelitten. Wir mussten den durch die gestiegene Nachfrage entstandenen Mangel an Produkten und Lieferinformationen bestmöglich verwalten. Das macht keine Freude. Im Jahresergebnis konnten wir unseren Wärmepumpenabsatz zwar moderat steigern, sind jedoch deutlich unter den Möglichkeiten unserer bereits vorhandenen Produktionskapazitäten geblieben.
Wie schätzen sie Ihre Marktposition im deutschen Markt ein?
Wir sehen uns als führende Marke für Handwerker, die sich als Wärmepumpenspezialisten verstehen. In Deutschland sind wir anders als in anderen Märkten nicht marktführend, in den „Top 10“ jedoch sicher dabei. Bei Endkunden sind wir häufig (noch) unbekannt. Wir sind jedoch bereits seit 20 Jahren in Deutschland aktiv und haben mehr als 100.000 Wärmepumpen installiert. Wir sollten eventuell etwas mehr darüber reden.
Die Zahl der Anbieter von Wärmepumpen hat in diesem Jahr weiter zugenommen. Besonders Marken aus dem asiatischen Raum machen dabei auf sich aufmerksam. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Das halte ich für eine natürliche und berechtigte Entwicklung. Es gibt aktuell viele Versuche auch mit teils günstigen Angeboten, Absatz zu skalieren. Dies gibt es auch in anderen Branchen. Wie groß dieses Marktsegment wird, wird sich zeigen. Es wird aus meiner Sicht nicht dominierend. Der Vergleich mit der Photovoltaik-Branche greift hier zu kurz. Insbesondere in der Installation im Bestand ist eine umfassende kompetente Beratung durch qualifizierte Handwerksbetriebe Grundlage einer sicheren Installation. Den gleichen Anspruch haben wir dann auch an die Qualität und die Anpassungsfähigkeit der verwendeten Produkte. Insbesondere bei den härteren Anforderungen einer Anlage im Bestand mit Heizkörpern lassen sich Angebote ausreichend differenzieren. Ich glaube, dass europäische Hersteller dazu in der Lage sind und sich dem Wettbewerb stellen können. Wir selbst sind dort zuversichtlich.
Der Nibe Konzern ist im Laufe der Jahre unter anderem auch durch die Übernahme von Unternehmen mit starken Marken gewachsen. Im Jahr 2022 stieg der Konzernumsatz um rund 30 Prozent auf über 40 Milliarden SEK (über 3,4 Milliarden Euro). Mittlerweile gibt es weltweit unzählige Tochtergesellschaften. Bekannte Warenzeichen des Konzerns im Heizungsbereich sind neben Nibe hierzulande auch alpha innotec, Novelan, Enertech, Giersch oder Waterkotte. Auf der ISH im Frühjahr 2023 waren alle vertreten. Wie funktioniert das? Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit?
Die Wachstumsstrategie der Nibe-Gruppe definiert sich aus organischem Wachstum und durch Zukauf zu ähnlichen Anteilen. Wir stehen mit der Marke Nibe für Ersteres. In der Gruppe gibt es eine hohe Eigenständigkeit der einzelnen Marken. Trotz Zugehörigkeit zur gleichen Gruppe werden die Marken eigenverantwortlich geführt. Das entspricht auch der Nibe-Philosophie von flachen Hierarchien und kurzen Entscheidungswegen. Das ist eventuell etwas untypisch für einen Konzern dieser Größe, hat sich jedoch in der Praxis bewährt.
Nibe zählt – unter anderem profitierend von den rauen klimatischen Bedingungen in dem Mutterland Schweden – seit vielen Jahren zu den Trendsettern bei Wärmepumpen. In welchen technologischen Bereichen sehen Sie aktuell noch Entwicklungspotential?
Gut beobachtet. Bekannt ist die Umstellung auf Kältemittel mit geringerem Treibhauspotential. Das wird uns die kommenden Jahre beschäftigen. Schweden ist auch bekannt für einen progressiven Umgang mit der Digitalisierung. Eine schnellere Entwicklung erwarte ich in diesem Bereich in unseren Gebäuden. Unterhaltungsmedien sind hier bereits bestens vernetzt.
Unsere Wärmepumpen sind erst zu circa 50 Prozent überhaupt online. Ich vermute, das ist sogar führend in der Branche. Die Kombination mit Photovoltaik-Anlagen ist bereits sehr intelligent möglich. Die Kombination mit preisvariablen Tarifen ist technisch möglich, in Schweden üblich und in Deutschland noch kaum vorhanden.
Ein unerwartetes „Trendthema“ auf der ISH war das Kältemittel Propan (R290). Eigentlich war der kontrollierte Ausstieg aus der Nutzung von F-Gasen (fluorierte Treibhausgase) seit vielen Jahren beschlossen. Wie haben Sie den „Hype“ um Propan verfolgt?
Das Thema wurde medial überhöht. Zunächst einmal ist die Klimabilanz jeder aktuellen Wärmepumpe besser als jede fossile Heizung, selbst dann, wenn das Kältemittel bei einer Havarie in die Umwelt entlassen werden würde. Der Ausstieg aus den F-Gasen ist bekannt und wird von den Wärmepumpenherstellern breit unterstützt. Die Entwicklung und die Praxistests der für langlebige Wärmepumpen notwendigen Komponenten erfordert jedoch etwas mehr Zeit und wird in den kommenden Jahren Schritt für Schritt, aber konsequent, umgesetzt.
Wie steht Nibe zu diesem natürlichen Kältemittel? Kann Propan „die Lösung“ für die Wärmepumpenbranche sein?
Propan ist sicher ein wesentlicher Beitrag. Wir verwenden das Kältemittel bereits seit vielen Jahren für Wärmepumpen in Außen- und Innenaufstellungen. Bei größeren Leistungen gibt es insbesondere für innen aufgestellte Wärmepumpen noch Aufgaben für die Entwicklung. Wir stehen auch noch am Anfang der Lernkurve für den korrekten Umgang in der Breite des Handwerks.
Wieweit ist Ihrer Meinung nach – wie von der Politik postuliert – ein kompletter Umstieg des Heizungssektors von Heizöl und Erdgas auf die mit Strom betriebene Wärmepumpe möglich?
In Deutschland werden in jedem Jahr circa eine Million neue Heizungen installiert, die dann jeweils 20 Jahre in Betrieb sind und maßgeblich für die Kohlendioxid-Emission des Gebäudes verantwortlich sind. Der Wärmpumpenanteil ist mit circa elf Prozent am jährlichen Absatz nach wie vor sehr gering. Selbst wenn wir zunächst nur die Hälfte des Bedarfes mit klimafreundlichen Wärmepumpen liefern, werden die politisch postulierten 500.000 Wärmepumpen pro Jahr erreicht. Das halte ich für ein sehr realistisches Minimalziel. Damit sollten wir erst einmal anfangen, dann sehen wir weiter. Grundsätzlich ist der Umstieg bei den allermeisten Wohngebäuden möglich.
Man kann schnell den Eindruck in Bezug auf die Politik gewinnen, Heizungen gebe es nur in freistehenden Einfamilienhäusern auf dem Land. Was ist mit den vielen Bestandsgebäuden in den Städten und Gemeinden, sprich: Mehrfamilienhäuser, Gewerbebetrieben, Verwaltungsgebäuden oder kommunalen Einrichtungen? Können Wärmepumpen für all die unterschiedlichen Gebäudegrößen und Nutzungsarten überhaupt die Lösung sein?
Unterschiedliche Aufgaben erfordern unterschiedliche Lösungen. Der mit Abstand höchste Anteil im Bereich Mehrfamilienhaus sind Häuser mit bis zu zwölf Wohneinheiten und Baujahr vor 1979 (circa zwei Millionen Gebäude, Quelle: FFE 2021). Hierfür gibt es standardisierbare Konzepte mit 100 Prozent Wärmepumpe. Kindergärten, Gewerbebetriebe und Werkshallen sind ebenfalls häufig vollständig mit Wärmepumpen zu betreiben. Vorlauftemperaturen müssen gegebenenfalls über neue Wärmeverteilsysteme gesenkt werden. Für die Warmwasserversorgung gibt es unterschiedliche zentrale oder dezentrale Ergänzungen. Wenn es gar nicht anders geht und keine Fernwärme zur Verfügung steht, können Hybridanlagen Verwendung finden. Wichtig ist dabei, dass die Wärmepumpe eine ausreichend große Leistung hat, die Regelung übernimmt und den fossilen Kessel wirklich nur als Spitzenlast zuschaltet.
Im Neubau gewinnt Flächeneffizienz zunehmend an Bedeutung, die Häuser werden immer enger gebaut. Damit rückt bei der Wärmepumpe das Thema Lärmbelastung in den Fokus. Abstandsregelungen beispielsweise sind immer schwerer einzuhalten. Wie beobachten Sie diese Entwicklung?
Außenluft-Wärmepumpen sind im Laufe der letzten Jahre immer leiser geworden. Der Umgang ist mittlerweile gut eingeübt. Notwendig wäre noch eine Vereinheitlichung der regional unterschiedlichen Bauordnungen und deren lokal unterschiedlichen Interpretationen. In der Praxis empfiehlt sich, neben dem Studium der technischen Katalogdaten, durchaus auch ein Probehören im normalen Betrieb. Die Anzahl an Reklamationen ist bei steigenden Absatzzahlen in den letzten Jahren geringer geworden. Sehr gute Alternativen, beispielsweise bei Reihenhausanlagen, finden sich mit innenaufgestellten und trotzdem platzsparenden Lösungen. Dazu gehören innen aufgestellte Abluft-Wärmepumpen – die Wärmequelle ist hier die Raumluft – oder auch sogenannte PVT-Anlagen – die Wärmequelle wird hier mit einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach ohne bewegte Teile verbunden.
Ihre Wünsche für die kommenden Monate?
Den Mut, ein GEG zu verabschieden, das tatsächlich Veränderung unterstützt. Die Gesellschaft ist zu dem notwendigen Wandel bereit, wenn Rahmenbedingungen und Richtung stimmen. Mit der Erfahrung aus Schweden sind wir hier zuversichtlich.
Dienstag, 02.01.2024