Frau Müller aus Bremen hatte die üblichen elektrischen Verbraucher ihres Heims, ein 2014 gebautes Fachwerkhaus mit 180 m² Wohnfläche, schon seit einiger Zeit mit Hilfe von Photovoltaik (PV) plus Stromspeicher weitgehend autark betrieben. Die 8,6 kWh nutzbare Akku-Kapazität und die 9,3 kWp PV-Anlage auf dem Dach hatten für die Küchenmaschinen nebst der Luftwärmepumpe mit Fußbodenheizung bis dato ausgereicht und die Technik hat gut funktioniert. Doch kam im März 2019 als weiterer Konsument ein elektrischer „Fiat Abarth“ hinzu. Diesen Zuwachs verkraftete der vorhandene Batteriespeicher „CrystalTower“ nicht mehr, beziehungsweise nicht effizient genug, denn er sollte zusätzlich tagsüber noch die Solarenergie für die abendliche Tankfüllung des „Abarth“ einlagern. Das bedurfte einer Aufstockung.
Auf rund die doppelte Kapazität (17,3 kWh) errechnete der Speicherexperte Hauke Heitshusen vom Erneuerbare-Energien-Spezialist Powertrust GmbH, Bremen, diese Aufstockung. Die Gesellschaft ist mit leistungsstarken Strom-Akkus seit ihrem Gründungsjahr 2014 unterwegs. Sie empfiehlt in erster Linie für den PV-Speicher zur Pkw-Beladung die weitgehend robusten Bleipakete, weil die sich über mehrere Stunden relativ hoch belasten lassen, ohne zu überhitzen, beziehungsweise ohne sich im Extremen selbst zu entzünden. Diese Gefahr nennt die Literatur für Lithium-Ionen-Batterien. „Des Weiteren sind die Bleibatterie und Blei fast 100 Prozent recycelbar. Lithium theoretisch ebenfalls, aber man sucht noch nach einer entsprechenden Lösung. Die ist bisher nicht gefunden. Zugegeben, sie fehlt deshalb, weil es an überalterten Lithium-Ionen-Batterien mangelt. Die Technologie ist ja relativ jung. Um das Recyceln hat man sich bisher nur halbherzig gekümmert, denn zu einer wirtschaftlichen Wiederaufbereitung bedarf es Masse“, geht Heitshusen auf diesen Punkt ein. Das heißt, bei einer Lebensdauer von 20 Jahren für die Alternative zu Blei dürfte sich die erste „kritische Masse“ erst in zehn bis 15 Jahren angehäuft haben. Noch ist das E-Auto-Zeitalter zu jung, um schon Ionen-Batterie-Schrott zu produzieren.
Welche Mengen fallen spezifisch an? Bleiben wir beim Pkw: In einem aktuellen Lithium-Ionen-Akku der 50-Kilowattstunden-Klasse, gut für rund 250 bis 300 Kilometer Reichweite, stecken etwa zehn Kilo Mangan, elf Kilo Kobalt, 32 Kilo Nickel und etwas mehr als sechs Kilo Lithium. In künftigen Akku-Generationen wird es zwar möglich sein, den Gehalt des vergleichsweise seltenen Kobalts zu halbieren, dafür steigt der Nickelanteil an. Immer an Bord ist zudem mehr als ein Zentner Graphit für die Minus-Seite des Akkus, also Kohlenstoff in kristalliner Struktur, sowie ein flüssiger Elektrolyt.
Freilich weiß auch Powertrust, dass mittelfristig wegen ihrer höheren Leistungsfähigkeit, Energiedichte und Lebensdauer nichts an den Lithium-Ionen-Typen vorbeigeht. Als aktuell umweltverträglichste Akkutechnik am Markt gilt die Lithium-Eisenphosphat-Technologie – Eisenphosphat anstelle von Kobalt. Mit Akkus auf Basis dieser Werkstoffkombination will das Bremer Unternehmen demnächst auf den Markt kommen. LiFePO4 enthält keine giftigen Schwermetalle wie Blei, Cadmium oder eine Nickel-Kobaltmischung. Es entzündet sich nur sehr schwer, ist, wie gesagt, theoretisch recycelbar und Eisenphosphat ist das einzige Akkumaterial, das in seiner chemischen Zusammensetzung auch als natürliches Mineral beinahe überall vorkommt, während ein Teil des Kobaltbedarfs aus Kinderarbeit im Kongo stammt. In dem zentralen afrikanischen Land liegen die größten Reserven. Die Ökologen sehen zwar auch den Lithium-Abbau etwa in der chilenischen Atacama-Wüste kritisch, doch muss der nicht in dem Maße zunehmen, wie die E-Mobilität wächst. Eben wegen der Recycelbarkeit des Lithiums nicht. Die Energiedichte von Batterien mit Eisenphosphat liegt indes beträchtlich unter der von kobaltbasierten Typen, das spezifische Gewicht je 1 kWh damit höher. Was für den stationären gegenüber dem mobilen Einsatz nicht die Rolle spielt – wenn es sich wegen der folglich größeren Materialmenge für ein und dieselbe Kapazität nicht auch im Preis niederschlagen würde.
Klare Regeln für den Bleibatterie-Betrieb
Stichwort Lebensdauer: Die verträgliche Zyklenzahl Beladen/Entladen liegt bei Bleibatterien gegenüber den Ionen-Typen gerade mal bei maximal der Hälfte, wenn überhaupt. Das Energiemanagement der „CrystalTower“-Bleiakku-Speicher berücksichtigt den Verschleiß insofern, dass es gegensteuert. Hauke Heitshusen erklärt das Schema: „Wir können den Bleiakku über einen langen Zeitraum verwenden, weil wir ihn sauber zyklisch betreiben. Normalerweise schwimmt ein Speicher im Netz parallel mit. Wenn Sie 200 Watt zum Kaffeekochen brauchen, die gerade nicht vom Dach kommen, liefert die der Akku. Und wenn später 100 oder 200 Watt Überschuss fließen, beladen Sie damit die Batterie. Be- und Entladen pendeln ständig. Beim Bleispeicher machen wir es anders. Unser Energiemanagement packt tagsüber ausschließlich die Solarüberschüsse in die Batterie. Es findet keine Entladung statt. Das, was unser Hybridwechselrichter als 230-Volt-Wechselstrom nicht direkt an die Verbraucher loswird, fließt als Gleichstrom in den »CrystalTower«. Wenn in der Mittagszeit zum Essenkochen 300 Watt an direktem PV-Strom fehlen sollten, stellt die das öffentliche Netz zur Verfügung. Wir lassen den Speicher in Ruhe. Wir drehen den chemischen Prozess in der Batterie nicht ständig um. Am Abend dann, wenn die Sonne weg ist, schaltet das Batteriemanagement um. Jetzt wird ausschließlich entladen. Am nächsten Morgen ist der Akku leer und das Spiel beginnt von vorne. Wir arbeiten also mit nur zwei Zyklen pro Tag. Jede Unterdeckung kommt aus dem Netz. Nur mit solch einem Betrieb erhalten Sie die Bleibatterie über einen langen Zeitraum, bis zehn Jahre. Lassen Sie sie netzparallel mitschwimmen, kann sie schon, je nach Zyklenzahl, nach zwei Jahren hinüber sein.“
Da die Hauseigentümerin berufstätig, mithin tagsüber nicht zu Hause ist, passt ihre Tagesganglinie genau in das genannte Powertrust-Schema. Also: Tagsüber sammeln, abends den Fiat befüllen. Im März 2019 wechselte der Speicherlieferant deshalb den 9,3er- gegen einen 17,3er-„CrystalTower“ aus, dreiphasig und mit Notstromfunktion. In Ortsrandlage von Bremen geht schon mal das städtische Licht aus. Die Anlagen von Powertrust springen in diesen Fällen automatisch ein. Auch deshalb, weil ihnen der Hersteller eine garantierte 30-Prozent-Notstromreserve einprogrammierte. So gesehen puffert die Einheit rund 26 kWh ab, 17,3 kWh nutzbare Kapazität (Netto-Kapazität) zuzüglich 8,6 kWh garantierte Notstromreserve, die immer zur Verfügung steht, selbst wenn die Netto-Kapazität aufgebraucht sein sollte. So steht im Falle eines „Blackouts“ genug Strom zur Verfügung, um Haus und Wärmepumpe bei Stromausfall einige Stunden im Inselbetrieb zu versorgen.
Wie sehen Bedarf und Verbrauch des E-Mobils aus? Der „Fiat 500-e“ hat eine Akkukapazität von 24 kWh und verbraucht auf 100 Kilometern 13 kWh. Für ihren Arbeitsweg nutzt die Hausherrin rund 9 kWh der gesamten Akkukapazität. Bei dem 17,3er-„CrystalTower“ beträgt die Lade- und Entladeleistung 7,2 kW. Der Fiat zieht maximal 3,7 kW aus dem Speicher, mehr kann er nicht.
Powertrust-Mann Heitshusen geht noch einmal auf das werkspezifische Speicherlademanagement ein. „Das heißt, im Grunde nutzen wir 24 Stunden am Tag den Solarstrom. Am Tag direkt vom Dach, was das Effizienteste ist. Und in der Nacht aus der Batterie. Die PV-Absorber legen wir bis 2 kW größer aus als unsere Mitbewerber. Die sparen wir aber an der Batterie ein. Die darf 1 oder 2 kW kleiner sein. Nur weil irgendwann tagsüber die Waschmaschine läuft und zwischendurch 50 Watt fehlen, weil eine Wolke vorbeizieht, kommen dann so Aussagen von den Herren Solarteuren, na ja, eine 8-kWp-Anlage, da muss ein 8-Kilowattstunden-Speicher dran. Warum? Das muss alles aufeinander und auf das Verbrauchsverhalten des Kunden abgestimmt sein. Wir müssen draußen beim Kunden den Lastgang aufnehmen, ihn ordentlich beraten. Was brauchen Sie wann? Welche Leistungen haben Ihre einzelnen Geräte? Wann laden Sie das Auto? Können wir für die Wärmepumpe Sperrzeiten eintragen, damit sie nicht mitten in der Nacht läuft? Diese und noch mehr Fragen müssen Sie stellen!“ Und was macht Powertrust mit den Antworten? „Wir verlegen Datenkabel, damit die Geräte miteinander kommunizieren können. Zum Beispiel bei einem größeren Objekt die Wärmepumpe mit dem BHKW und dem Stromspeicher. Nur so wird aus einem ineffizienten Stückwerk ein effizientes Energiesystem. Ansonsten rumpeln drei oder vier Geräte nebeneinander her.“
Energie-Kommunikation entscheidend
Im Detail ist das gemeint: „Die erneuerbaren Energiesysteme müssen einfach auf das Verbrauchsverhalten zuhause zugeschnitten sein, damit sie auch wirklich funktionieren. Man muss die wesentlichen Komponenten miteinander kommunizierfähig machen. Was nützt eine Wallbox, die einfach stumpf 11 kW raushaut, Stecker rein, 11 kW raus, vom Dach kommen aber nur 5 kW? Es wäre doch schön, wenn der Absorber das der Wallbox meldet und die daraufhin langsam nur mit 3,7 kW lädt, weil es Samstagmittag ist und laut Plan erst Sonntag wieder gefahren werden soll. Die Wallbox muss doch nicht teuren Netzstrom dazupacken müssen. Wenn eine modulierende Wärmepumpe und PV kommunizieren, schaltet bei geringem Solarangebot die Wärmepumpe auf kleine Stufe und füllt den Puffer in einer statt in einer halben Stunde mit Warmwasser. Entscheidend ist einfach, dass man eine Modbus-Schnittstelle hat. Das ist die Kommunikationsschnittstelle für die Haustechnik.“
Die ausgefeilteste Nachhaltigkeitsarchitektur kann jedoch eine große Unbekannte zum Einsturz bringen, nämlich die politische Auslegung des Messstellenbetriebsgesetzes. Das nämlich hat die Bundesregierung zur Stabilisierung des öffentlichen Stromnetzes erlassen und das verlangt deshalb die Ausstattung von energieerzeugenden Anlagen ab 7 kW, auch der Stromspeicher, mit Smart-Metern zur Fernbedienung durch den Netzbetreiber. Den schert leider wenig die zulässige Zyklenzahl der Batterien und die Regelungsphilosophie von Powertrust et al., denn der hat die Schaltungshoheit und den interessiert ausschließlich die aktuelle Beladungsrespektive Entladungskapazität des Stromspeichers. Hauke Heitshusen besorgt selbstverständlich dieser Punkt. Nur schiebt er ihn im Moment noch zur Seite. Weil sich erstens das zuständige Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zum Handling noch nicht klar geäußert hat und zweitens noch viel Wasser den Rhein herunterlaufen wird, „bis eine neue VDE-AR-N 4105 Anwendungsregel »Erzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz« die konkreten Anschlussbestimmungen vorgibt. Smart-Metering kommt, das ist klar. Aber wie und mit welchen Protokollen ein Speicher oder ein PV-Wechselrichter mit Smart-Metern verknüpft werden soll, das weiß noch keiner. Warten wir das erst einmal ab.“
Das mit der Schaltungshoheit sei aber auch aus rechtlicher Sicht eine ganz spannende Frage: „Wer zahlt mir eine neue Batterie, wenn der Netzbetreiber meine durch den permanenten Wechsel zwischen Be- und Entladen, verbunden mit einer hohen Zyklenzahl, nach ein oder zwei Jahren zerstört hat?“