Moderne Holzenergienutzung im Südwesten

Gute Beispiele aus Stuttgart und dem Nordschwarzwald

Mit welcher Vielfalt an Lösungen eine moderne Holzenergienutzung realisiert werden kann, zeigte eine 1,5-tägige Pressefahrt der Agentur für Erneuerbare Energien e.V. (AEE) zusammen mit dem Deutschen Energieholz- und Pellet-Verband e.V. (DEPV). Sie führte in die Region Stuttgart und den Nordschwarzwald, wo Holzpellets, Holzhackschnitzel und Biogas in verschiedensten Projekten zum Einsatz kommen.

"Baden-Württemberg ist das Land, in dem die moderne Holzenergie zu Hause ist", beschrieb Martin Bentele, geschäftsführender Vorsitzender des DEPV, die – auch wegen des Waldreichtums – vorteilhafte Ausgangssituation.

In Stuttgart werden elf kommunale Pellet- und vier Holzhackschnitzelheizungen betrieben. Diese Anlagen seien ein Beitrag, um die Landeshauptstadt bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu machen, informierte Dr. Jürgen Görres, Leiter der Abteilung Energiewirtschaft im Amt für Umweltschutz der Landeshauptstadt.

Dabei stammten die Holzhackschnitzel im Wesentlichen sogar aus der eigenen Gemarkung und auch die Pellets kämen immerhin aus einem Umkreis von 50 km. In diesem Sinne sei man doppelt nachhaltig unterwegs. "Die Luftsituation in der Innenstadt ist ja kritisch", so Görres. Daher wolle man aber die Biomassenutzung nur außerhalb der City weiter ausbauen. Da die Anlagen mit Filtern ausgerüstet seien, leisteten sie zwar ihren Beitrag zur Luftreinhaltung. Und doch: "Wir wollen den Zielkonflikt nicht offen ausbrechen lassen."

Kirchengemeinde und Schulzentrum versorgt

Die erste Station der Pressefahrt war der Stadtteil Stuttgart-Möhringen: Dort werden sowohl die Kirchengemeinde St. Hedwig als auch das nur wenige hundert Meter entfernte Rembrandt-Schulzentrum über Pelletheizungen versorgt. Bei der Kirchengemeinde stammen 95 Prozent der benötigten Wärme aus einer 100 kW starken KWB-"Multifire"-Anlage. Den Rest liefert ein Gas-Spitzenlastkessel. "Er kommt aber nur im eiskalten Winter zum Einsatz", berichtete Franz-Xaver Friedel, der Vorsitzende der Kirchengemeinde.

Durch eine Kombination mit drei 10.000 l Pufferspeichern wird der Pelletkessel immer im optimalen Leistungsbereich gefahren, um Emissionen zu minimieren und eine möglichst hohe Effizienz zu erzielen. Die Wärme wird anschließend über ein Mikronetz an die Kirche, das Gemeindehaus, das Pfarrhaus und den direkt dabei ansässigen Kindergarten verteilt. Die Heizung war Teil einer energetischen Sanierung des Gesamtkomplexes, der unter anderem der Bau einer großen Photovoltaik-Anlage auf dem Kirchendach vorangegangen war.

Im nahe gelegenen Rembrandt-Schulzentrum sorgt ebenfalls eine KWB-Pelletheizung, eine "Powerfire" mit einer Leistung von 300 kW, kombiniert mit einem Gas-Spitzenlastkessel, für ausreichende Heizleistung. Die Anlage produziert nach Angaben von Jürgen Görres jährlich 1,1 Mio. kWh Wärme. Dies reiche noch nicht ganz für das Schulzentrum, man wolle aber durch Sparmaßnahmen noch höhere Wirkungsgrade erreichen.

Beim Einsatz biogener Brennstoffe in der Bundesrepublik ist nach Ansicht der Organisatoren der Reise noch viel zu tun: "Die Wärmewende ist noch längst nicht auf Kurs", konstatierte Philipp Vohrer, Geschäftsführer der Agentur für Erneuerbare Energien aus Berlin. "Der Anteil der erneuerbaren Energien am Wärmemarkt stagniert seit Jahren um die 13 Prozent, außerdem ist hier bislang keinerlei Dynamik zu sehen", so Vohrer.

Die Folgen seien verheerend: Ginge die Entwicklung weiter wie bisher, würden die Klimaschutzziele für Deutschland "krachend verfehlt". Die Gründe dafür seien vielfältig: Neben dem zu billigen Öl gäbe es auch falsche Anreize des ­Staates, wie die weiterhin bestehende Förderung fossiler Heizungen oder das sich verzögernde Gebäudeenergiegesetz, dessen Gesetzesinitiative darauf zielt, die Energieein­sparverordnung (EnEV) und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) miteinander zu verbinden. Hinzu kämen weitere Herausforderungen, etwa, dass unterschiedlichste Akteure im Wärmesektor miteinander kooperieren müssten.

Kommunen stärker in die Pflicht nehmen

Bei all den Herausforderungen sind paradoxerweise die Voraussetzungen für die Wärmewende gar nicht so schlecht. Die technologischen Lösungen seien vorhanden, um das Potential von 100 Prozent erneuerbaren Energien im Wärmemarkt auszuschöpfen, war zu erfahren. Nötig sei aber auch eine deutliche Reduktion des Endenergiebedarfs für Wärmezwecke. Außerdem müssten der Strom- und Wärmesektor effizient miteinander verknüpft und überschüssige Erzeugung von Wind- und Solarstrom zur Wärmeversorgung herangezogen werden.

Ein besonderes Augenmerk, so Vohrer, verdiene dabei auch die Prozesswärme, die etwa zwei Drittel des industriellen Endenergieeinsatzes ausmache und bisher nur zu etwa fünf Prozent mit erneuerbaren Energien gedeckt werde: "Hier ist noch viel Aufklärungsarbeit nötig". Künftig müsse man auch die kommunale Wärmeplanung verstärkt in den Mittelpunkt stellen sowie die kommunalen Akteure wie Stadtwerke stärker in die Entwicklung einbeziehen.

Martin Bentele verwies als Verbandsvertreter darauf, dass man mit Holz am meisten CO!SUB(2)SUB! einsparen könne. Zudem reiche die Pelleterzeugung in Deutschland aus, dass sich das Land selbst damit versorgen könne. Man sei derzeit sogar noch Netto-Exporteur. "Das Ganze bekommt man aber nicht geschenkt", mahnte er.

Initiativen, wie die des Landes Baden-Württemberg, mit dem Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWärmeG) für bessere Ausgangsbedingungen zu sorgen, hätten nicht gerade zu einem Boom im Heizungsmarkt geführt. Bentele mahnte daher: "Wir sehen die neue Bundesregierung in der Pflicht, durch ein maßvolles Ordnungsrecht steuernd einzugreifen." Man müsse den Verbraucher eben ein wenig mehr zu seinem eigenen Glück hinbewegen.

Untersteller fordert Wärmegesetz für den Bund

Der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller (Grüne), der für ein Kamingespräch zur Delegation hinzustieß, bekräftigte, man werde sich dafür einsetzen, dass das in seinem eigenen Land geltende Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWärmeG) auch als Vorbild für den Bund dient: "Wenn wir mit der Wärmewende weiterkommen wollen, müssen wir das Wärmegesetz auf die Bundesebene bekommen. Was aber nicht heißt, dass es dort eins zu eins wie in Baden-Württemberg umgesetzt werden muss", so Untersteller.

Als weitere Möglichkeiten, die Wärmewende anzuschieben, nannte Untersteller die Einführung von steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten sowie einer CO!SUB(2)SUB!-Steuer, die ja derzeit immer häufiger gefordert werde. "Des Weiteren ist wünschenswert, den Strompreis zu entlasten, um neue Anwendungen wie Power-to-Gas oder Speichermodelle rentabler zu machen."

Der Förderung von Effizienzmaßnahmen und der Erstellung von objektbezogenen Sanierungsfahrplänen misst Untersteller ebenfalls hohe Bedeutung bei: "Die meisten Hausbesitzer befassen sich dann zum ersten Mal auf diese Weise mit ihrem Gebäude." Es bestehe berechtigte Hoffnung, dass hieraus auch Sanierungsschritte erfolgten. Er hoffe aber genauso, dass auch die Installateure noch mehr die Chance erkennen, dass sie dank des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes eine höhere Wertschöpfung erzielen können, als würden sie weiter fossile Heizungen verbauen.

Ähnlich forderte auch Dr.-Ing. Amany von Oehsen, Projektleiterin am ifeu–Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg GmbH, neue Politikinstrumente für die Wärmewende: "Wir brauchen jetzt ein sehr starkes Signal durch eine ökologische Steuerreform, die Öl und Gas verteuert", betonte sie.

Die bisherige Erhöhung der Förderung für die Modernisierung von Heizungen hätte bisher nämlich nicht allzu viel gebracht. Zudem sei der Bereich des Handwerks genauer unter die Lupe zu nehmen, in wie weit dieser bevorzugt Öl- und Gasheizungen verbaut. Hilfreich könne vielleicht ein Prämienmodell sein, das genau jene "Hightech-Handwerker" belohnt, die gezielt nach komplexeren Lösungen suchen und nicht wie üblich fossile Standardpakete anbieten.

!PAGEBREAK()PAGEBREAK!

Best-Practice "Holzenergie"

In dem südlich von Freudenstadt gelegenen Loßburg wurde eine Brennerei besichtigt, in der Gin für den Weltmarkt hergestellt wird. Im Jahr 2015 wurde dort eine Pelletheizung mit 50 kW Leistung installiert. Die Anlage dient der Beheizung und der Warmwasserbereitung für das Gebäude der Destillerie. Die Besonderheit der KWB-"Pelletfire Plus"-Anlage ist eine Wanderrostfeuerung mit einem hohen Wirkungsgrad und niedrigen Emissionen von "weniger als 15 mg Staub ohne ­Filtermaßnahmen". Die Wanderrostfeuerung wird unter dem Begriff "Raupenbrenner" auf dem Markt angeboten. Die Betreiber berichteten von positiven Betriebserfahrungen und dass das Thema Pelletheizung gut zu ihrem Produkt passe.

In Pfalzgrafenweiler nordöstlich von Freudenstadt wurde am zweiten Tag das genossenschaftliche Nahwärmeprojekt der Energiegenossenschaft WeilerWärme eG besichtigt. 2008 war es die erste Nahwärmegenossenschaft in Baden-Württemberg. Inzwischen gehören ihr über 800 Bürger an und rund 80 Prozent aller Gebäude des Ortes sind über ein Nahwärmenetz angeschlossen. "Es war ursprünglich gar nicht geplant, den ganzen Ort zu versorgen", bekundete Vorstand Klaus Gall gegenüber den Besuchern. Das Angebot jedoch sprach sich schnell in der Bevölkerung herum und so betreibt man inzwischen ein über 28 km langes Wärmenetz, das knapp 600 Liegenschaften mitsamt aller kommunalen Gebäude, Schwimmbäder, Sporthallen und Kirchen versorgt.

85 Prozent des Jahreswärmebedarfs werden in Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) produziert. Die Hauptlast tragen dabei zwei ORC-Holzheizkraftwerke (ORC = Organic Rankine Cycle) mit einer Leistung von 5,8 MWth und 560 kWel sowie eine Biogasanlage mit 380 kW Leistung, hinzu kommen drei Gas-BHKW mit 680 kW. Für die Mittellast können außerdem in örtlichen Möbelfabriken drei Holzhackschnitzelanlagen mit 2,4 MWth sowie zwei Holzspänekessel hinzugeschaltet werden, was sieben Prozent des Jahreswärmebedarfs deckt.

Weitere acht Prozent des Jahresbedarfs liefern acht Ausfallreserve- und Spitzenlastkessel, die mit Gas und Öl betrieben werden und weitere 5,7 MW bereithalten. Insgesamt konnten damit im Jahr 2016 über 26 MWh Wärme verkauft und über 2,5 Millionen l Heizöl eingespart werden. Der ökologische Anspruch drückt sich auch darin aus, dass das verwendete Holz aus einem Umkreis von weniger als 50 km bezogen wird.

Der hohe Anteil erneuerbarer Energien und der Einsatz der Kraft-Wärme-Kopplung verbessere auch die energetische Beurteilung jedes angeschlossenen Wohnhauses: "Das schlägt sich im jeweiligen Energieausweis nieder", nannte Klaus Gall den weiteren Vorteil für diejenigen, die sich freiwillig angeschlossen haben. Hinzu komme die regionale Wertschöpfung: "Jedes Jahr verbleiben dank unserer Aktivitäten eine Mio. Euro in der Region", so Gall.

Einstieg ins Strom- und Mobilitätsgeschäft

Und so geht es zuversichtlich weiter: Man wolle die Energiewende möglichst umfassend im Ort umsetzen. Daher nutze man konsequent auch Synergieeffekte, die sich etwa bei der Verlegung der Nahwärmeleitungen ergeben. Klaus Gall: "Immer wenn wir einen Graben ausheben, verlegen wir zusätzlich auch Leerrohre." Das ermög­liche Breitbandversorgung und künftig auch, eigene Stromkabel zum Kunden zu verlegen. Bei einer späteren Stromlieferung könne man wesentlich günstiger sein als externe Anbieter, wenn sonst übliche Netznutzungsentgelte wegfallen.

Unter der Prämisse "bevor wir den Strom verschenken, verfahren wir ihn lieber", nutze man inzwischen auch fast 100 kWp von Photovoltaik-Anlagen, um derzeit zwölf Elektromobile zu betreiben und ordere dank guten Zuspruches gerade weitere Fahrzeuge für die Genossenschaft.

Die WeilerWärme kommt gut an in der Bevölkerung. Zwar liege man mit einem Wärmepreis von etwa neun Cent pro Kilowattstunde etwas höher als der momentane Öl- und Gaspreis, aber in einer Vollkostenrechnung sei es letzten Endes günstiger. Dass der Anschluss immer freiwillig erfolgt, trage mit zur Akzeptanz bei.

Gefragt danach, was die örtlichen Heizungsbauer von dem Engagement der Genossenschaft halten, erklärte Gall: "Sie reagieren höchst unterschiedlich. Viele wollen primär Öl- und Gasheizungen verkaufen, andere hingegen werben jetzt auch damit, dass sie sich mit Übergabestationen auskennen und den Anschluss an Nahwärmenetze realisieren können." Und er ist sich sicher: "Letzten Endes sind wir doch auch ein kleines Konjunkturprogramm für das örtliche Handwerk."

Holzvergasungsanlage der Stadtwerke Horb am Neckar

Den Abschluss der Rundfahrt durch den Nordschwarzwald bildete ein Besuch bei den Stadtwerken Horb am Neckar. Diese besitzen ein Fernwärmenetz von knapp neun Kilometern Länge, welches von einer Pellet-Holzvergasungsanlage versorgt wird. Dieses befindet sich am Betriebssitz und ist zur Optimierung mit einem 3.000 m³ großen Warmwasserspeicher gekoppelt.

Betriebsleiter Eckhardt Huber berichtete, man versorge derzeit neben kommunalen Gebäuden auch 420 Haushalte – mit steigender Tendenz. Die Holzvergasungsanlage hat eine thermische Leistung von 540 kW und eine elektrische Leistung von 400 kW. Zur Holzvergasung seien Pellets als besonders homogener Stoff ideal geeignet, war zu erfahren. Im Jahr verbrauchen die Stadtwerke 1.300 t Pellets und können gegenüber dem Einsatz von Heizöl jährlich über 2.000 t CO!SUB(2)SUB! einsparen.

Voller Eindrücke ging es anschließend wieder zurück an den Ausgangspunkt der Reise in Stuttgart. Die einzelnen Projekte boten einen guten Überblick, wie mittels moderner Technik Holzenergie zur Erzeugung von Wärme und Strom eingesetzt werden kann. Es wurde aber auch immer wieder deutlich, wie wichtig neben der Technik stets auch das persönliche Engagement von Einzelpersonen ist, um solche manchmal komplexen Projekte umzusetzen. Gefragt sind also weiterhin Visionäre aus Kirchenvorständen, Genossenschaften, Stadtwerken und vielen anderen Bereichen – selbstverständlich auch aus dem Heizungsbauhandwerk!

Donnerstag, 25.01.2018