Wie der magnetokalorische und der elastokalorische Effekt neuartige effektive Wärmepumpen ermöglichen.
Wie der magnetokalorische und der elastokalorische Effekt neuartige effektive Wärmepumpen ermöglichen.
Die drohende Klimaveränderung mit ihren Folgen machts möglich: Zwei schon länger bekannte physikalische Phänomene könnten die Kühl- und Wärmepumpentechnik auf neue apparative Beine stellen, sowohl der magnetokalorische als auch der elastokalorische Effekt. Maschinen auf Basis dieser Werkstoffeigenschaften von bestimmten Metallen kommen ohne Verdichter aus – und ohne Kältemittel. Das gibt ihnen angesichts der Umweltbelastung der konventionellen Verfahren die neue Attraktivität.
"Die Nachfrage ist immens. Wir erhalten Anfragen für die Gebäude-Klimatisierung, für die Automobil-Klimatisierung – die Elektromobilität ist hier das große Thema, aber nicht nur die –, von Herstellern kleiner mobiler Klimatisierungsgeräte, die man im Sommer ins Büro oder in die Wohnung stellt und die dann die Wärme nach draußen blasen, von der Heizungsindustrie. Sie alle werden wach. Wir arbeiten an Konzepten für den Massenmarkt und denken auch an eine eigene Ausgründung", so Felix Welsch, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Intelligente Materialsysteme der Universität des Saarlands, Saarbrücken, und Spezialist für elastokalorisches Heizen und Kühlen.
Genauso wie das magnetokalorische Prinzip, zu dem schon in den 1970er-Jahren Veröffentlichungen für den Einsatz in der Kühltechnik erschienen, schlummerte die Technologie in der Vergangenheit vor sich hin. Einfach deshalb, weil die Werkstofffrage zu komplex beziehungsweise der Markt zu klein war, um angesichts etablierter und bewährter Systeme, eben den elektromotorischen Verdichtern, von Seiten der Zulieferer, den Stahlschmelzern, in dieses Gebiet der Metallurgie zu investieren.
Die Situation hat sich geändert. Die Themen Klimaveränderung, CO!SUB(2)SUB!-Anreicherung, Energieeffizienz, Treibhauspotential ("GWP") der Kältemittel, Verzicht auf Kern- und Kohleenergie führen zu einer Besinnung auf Effekte, die sowohl wegen ihrer Effizienz als auch ihrer Null-Emissionen die momentan marktbeherrschenden Verfahren zur Wärmebereitstellung eines nicht allzu fernen Tages ablösen könnten.
Im Prinzip handelt es sich um Wärmetransportvorgänge. Darauf basiert generell ein Teil der Erneuerbaren Energien. Auch die gewöhnliche Wärmepumpe ist ja kein Heizenergieerzeuger, der die chemisch gebundene Energie von Öl, Kohle, Gas in Wärme umwandelt. Selbst wenn sie mehrheitlich so bezeichnet wird. Denn sie macht auch nichts anderes, als beispielsweise Erdwärme in die Wohnzimmer zu transportieren und dabei die Temperatur ein wenig anzuheben. Für die Temperaturerhöhung von vielleicht 283 K (= ca. 10 °C) auf 303 K (= 30 °C) und für die Wärmeaufnahme und -abgabe sind klassisch der Kompressor sowie der Phasenwechsel des Kältemittels – Kondensieren und Verdampfen mit entsprechendem Energieumsatz – zuständig.
Doch müssen es die beiden Bauteile Kondensator und Verdampfer nicht unbedingt sein. In erstarrten Metallen und Keramiken nämlich kann unter bestimmten Bedingungen und Temperaturen ein weiterer energieintensiver Phasenwechsel stattfinden und zwar in der Form, dass sich die Elektronen beziehungsweise die Moleküle in den Kristallen des Feststoffes unter Wärmezufuhr und -abgabe hin umordnen. Reversibel umordnen, also auch wieder den Ursprungszustand einnehmen. Nur leider nicht "natürlich" bei Zimmertemperatur. Den Stahlkochern ist es jedoch gelungen, diesen Umkehrpunkt auf die für Heizzwecke obligatorische Ebene abzusenken. Zum Phasenwechsel selbst bedarf es dann lediglich einer Anregung, etwa dem Anlegen eines Magnetfelds (magnetokalorisch) oder einer Dehnspannung (elastokalorisch).
Die "Deutsche Kälte- und Klimatagung" (20. bis 22. November 2019, Ulm) des Deutschen Kälte- und Klimatechni-schen Vereins – DKV e.V. ist jüngst beispielsweise in mehreren Vorträgen auf den Stand dieser Technik eingegangen. Der Veranstalter reagierte damit auf die Relevanz des Themas: Aufgrund der Erfolge in der Entwicklung entsprechend sensibler Materialien räumt die Branche dem Verfahren durchaus das Potential ein, sich in serienreife Wärme- und Kälteerzeuger umsetzen zu lassen.
Magnetokalorische Materialien erwärmen sich bei Anlegen eines magnetischen Felds und kühlen nach dem Abschalten wieder ab. Das Verblüffende: Sie kühlen unter die Ausgangstemperatur ab. Das hat etwas mit der Umordnung der Elektronen im Material, dem Phasenwechsel des Elektronenspins, zu tun. Das Magnetfeld aktiviert ihn. Die notwendige Umwandlungsenergie entzieht die Legierung der Umgebung (Kühlen). Das Abschalten des Magnetfelds setzt die aufgesaugte Umweltenergie wieder frei (Heizen). Die Elektrizität gleicht ausschließlich die Verluste aus, wie sie bei jedem Prozess anfallen. Das heißt, das Material würde ohne Magnetfeld-Strom nicht in dem Maße unter Starttemperatur abkühlen, wie es sich erwärmt.
Ein Mitarbeiter des Fraunhofer-Instituts für Physikalische Messtechnik (IPM), Freiburg: "Das Ausrichten der Elektronen müssen Sie sich wie beim Militär vorstellen. Einschalten können Sie mit »Stillgestanden« gleichsetzen, mit Aufstellen in Reih und Glied, Ausschalten mit »Rührt euch«". Die Erhitzung muss natürlich außerhalb des Kühlschranks geschehen, sonst würde die Butter wieder schmelzen. In der Praxis rotiert das Material also ins Magnetfeld hinein und wieder heraus.
Die Schwierigkeit liegt darin, eine Legierung zu finden, die bereits bei niedrigen magnetischen Feldstärken, wie sie Permanentmagnete erzeugen, hohe Temperaturen generiert. Lanthan, Gadolinium, Nickel, Mangan, Eisen eignen sich dafür. Die Legierung muss aber hochrein sein, weil sonst der Effekt darunter leidet. Darüber hinaus darf das Material die Spinveränderung nicht ausschließlich bei einer ganz exakten Temperatur gestatten, sondern großzügig innerhalb eines Temperaturbands. Die Rede ist ja unter anderem von einer Wärmepumpe, mithin von der Einbindung von Umweltenergie. Die strömt die unterkühlte Seite des Materials an und der Umbau der Elektronenstruktur speichert sie latent. Nun tun sich magnetokalorische Legierungen mit wechselnden Temperaturen schwer. Der Energietransport dieser Art findet nur innerhalb eines sehr schmalen Kelvinbereichs statt. Geothermie kommt deshalb als Wärmequelle eher infrage als die Außenluft mit ihrer erheblichen Temperaturspanne. Die Metallurgen forschen. Wobei neben der Qualität natürlich auch die Verfügbarkeit, sprich der Preis, eine tragende Rolle spielt. Der Idealwerkstoff Gadolinium etwa scheidet wegen seiner Seltenheit für die Massenherstellung aus.
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Ebenfalls hält sich die Temperaturspreizung des thermischen "Verdichters" in Grenzen. Das IPM baut als Alternative an einer gestuften Wärmepumpe, an einer Reihenschaltung von Zellen mit Werkstoffen unterschiedlicher Reaktionstemperatur. Im Fall der Reihung bedarf es eines inneren Wärmeträgers, etwa Dampf. Der erhitzt sich von Stufe zu Stufe mehr, um 2 bis 5 K, indem er im Verbund mit dem Magnetfeld in den einzelnen Stufen jeweils die beschriebenen Abläufe auslöst. Einige Werkstoffe sind schon als Serienprodukte auf dem Markt. Die BASF bietet seit rund fünf Jahren "Quice" an, ein Metallcompound auf Eisen- und Mangan-Basis, der aus einem Projekt mit der niederländischen TU Delft stammt. Andere Unternehmen und Institute experimentieren ebenfalls mit verschiedenen Metallverbindungen. Laut IPM dürfte in Serienprodukten ein halber Carnot-Wirkungsgrad machbar sein: zur Raumerwärmung ein COP zwischen 6 und 8.
Der Charme der Magnetokalorik, ohne rotierenden Verdichter und ohne umweltbelastende Kältemittel leise und bis 30 Prozent effizientere Wärmepumpen designen zu können, hat bereits die Immobilienwirtschaft hellhörig gemacht. Vor wenigen Wochen teilten Deutsche Wohnen und die WirMag AG die Beteiligung des Vermieters an dem Start-up aus Bad Dürkheim mit. Die WirMag bietet seit kurzem Wärmepumpen nach dem magnetokalorischen Prinzip an. Und zwar in fünf Leistungsgrößen von 3 bis 30 kW. Den COP gibt sie mit 5 an. Die Deutsche Wohnen SE mit Sitz in Berlin besitzt als das zweitgrößte deutsche Wohnungsunternehmen, nach der Vonovia, aktuell 163.000 Wohnungen und 2.600 Gewerbeimmobilien. Zum Immobilienbestand gehören auch Pflegeeinrichtungen und Appartements für betreutes Wohnen. Sollte sich das WirMag-Produkt bewähren, hätte man ein eigenes System für Bestand und Neubau.
Der elastokalorische Effekt ähnelt dem magnetokalorischen Effekt. Er fällt ebenfalls in das Kapitel "Heizung und Kühlung mit Festkörpern statt mit Fluiden". Die Rolle des Elektronenspins übernimmt hier der Wechsel der Kristallstruktur im Material, beispielsweise in Nickeltitan. Kühlt Nickel unter 360 °C ab, seiner Curie-Temperatur, verändern sich die magnetischen Eigenschaften beziehungsweise die kubisch-flächenzentrierte Austenit-Struktur geht in eine metastabile raumzentrierte Martensit-Struktur über. Den Metallurgen ist es nun in speziell konvektionierten Legierungen unter anderem durch schnelles Abkühlen (Härten) gelungen, den 360 °C-Punkt in den Niedertemperatur-Bereich zu transformieren. So lassen sich heute durch Dehnungsspannung und -entspannung im Wechsel martensitische und austenitische Gefüge bei Raumtemperatur anregen. Wie gesagt, die angelegte Spannung initiiert den Wechsel nur, die eigentliche Energie zur Gefügeveränderung liefert die Enthalpie der Umwelt. Die Energieaufnahme und -abgabe beim jeweiligen Phasenwechsel geht je nach Material und Spannung über das Zwanzig- bis Dreißigfache der verbrauchten Dehnungsenergie hinaus. Von der Seite her übertrifft der elastokalorische offensichtlich den magnetokalorischen Effekt.
Ein weiterer Vorteil: In einem Niedrigstenergiehaus mit einem mechanischen Lüftungssystem könnte das elastokalorische Prinzip das Herz einer Sole/Luft- oder einer Luft/Luft-Wärmepumpe sein, über deren heiße Drähte die Zuluft fließt, bevor sie in der Wohnung verteilt wird. Außenluft als Umweltenergielieferant darf es hier sein, da der Heiz- und Kühleffekt selbst bei einer relativ breitbandigen Quellentemperatur erhalten bleibt.
Der apparative Aufbau von Wärmepumpen nach diesen beiden Prinzipien übersteigt freilich im Moment noch die Wettbewerbsfähigkeit zur konventionellen Wärmepumpen- und Kühltechnik. Industrie und Wissenschaft arbeiten an den Verbesserungen. Die bekannten und großen Wärmepumpenbauer beobachten aufmerksam, wenn sie nicht selbst schon im Labor damit experimentieren.
"Wärmepumpen müssen zukünftig vier Kriterien erfüllen: erstens hocheffizient, auch der Förderung wegen, zweitens umweltfreundlich hinsichtlich CO!SUB(2)SUB! und Ozon, drittens preiswert und viertens »plug-and-play«-fähig", bemerkt ein Industrievertreter zu dem Thema, "es sieht doch so aus, dass sich das Produkt eigentlich immer noch in der Nische befindet, dass vielleicht auf acht Kessel eine Wärmepumpe kommt, weil Heizungsbauer auch wegen des Kältekreises diese Technologie solange wie es geht ignorieren. Der Kältekreis entfällt schon mal bei den beiden kalorischen Prinzipien. Über die Hocheffizienz müssen wir nicht reden, die ist unschlagbar. Die Umweltfreundlichkeit ebenfalls, denn selbst das neue Kältemittel R32 mit seinem GWP um 700, das nach der F-Gase-Verordnung ab 2025 im Prinzip nur noch erlaubt ist (beziehungsweise Kältemittel mit diesem GWP), kann nur eine Brückenfunktion haben."
Hocheffizient, "plug-and-play"-fähig und ein Treibhauspotential von 0 – darin liegt die Chance der magnetokalorischen und elastokalorischen Phänomene, wenn sie sich preiswert und praxistauglich umsetzen lassen.
Donnerstag, 13.02.2020