Noch fehlt es an grünem Strom

Ariadne-Projekt analysierte den Bedarf für Wärmepumpen-Hochlauf

Zieht der Erdgasmangel respektive der beabsichtigte Schwenk zu 6 Mio. Elektro-Wärmepumpen einen Strommangel nach sich?

Nein, denn erstens ist Erdgas hierzulande nur zu 15 Prozent an der Stromerzeugung beteiligt und zweitens kommt die Elektrizität nicht aus heimischen Kraftwerken, sondern aus dem europäischen Verbundnetz mit etwa 1.500 GW Gesamtleistung. Die zusätzlichen rund 35 GW für Deutschlands Wärmepumpen-Hochlauf verschwinden darin. Wenn aber bis 2030 unser Strom zu 80 Prozent, statt derzeit 41 Prozent, bilanziell gesehen klimaneutral sein soll, wo müssen wir ansetzen, damit die Wärmepumpen nicht zu viel grünen Strom absaugen? Das fragte die Bundesregierung das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).

2022 installierte der Heizungsbau mit 236.000 Einheiten oder nahe 60 Prozent aller Wärmeerzeuger mehr als doppelt so viel Wärmepumpen in Neubauten wie Erdgasheizungen. Die Betonung liegt auf Neubauten. Im Bestand nähert sich ihr Anteil gerade Mal den drei Prozent. Öl und Gas mit zusammen 74 Prozent sind der Wärmepumpe heute noch um den Faktor 25 überlegen. Er, der Faktor, schmilzt jedoch auf einen Wert unter drei, sollten die 6 Mio. Umweltwärmelieferanten von hochgerechnet 25 Mio. Heizungen 2030 tatsächlich Realität sein. Mit grünem Strom als Antrieb der Maschinen hat dieser Ausbau seinen höchsten Klimaschutzeffekt und er erspart uns Erdgasimporte.

Hält der aktuelle Zuwachs von Wind- und PV-Strom Schritt mit dem Hochlauf der elektrischen Wärmepumpen? Das DIW ging als Teilarbeit des Ariadne-Projekts dieser Frage nach. Ariadne (Evidenzbasiertes Assessment für die Gestaltung der deutschen Energiewende, Projektleitung: Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung) wiederum ist ein Teilprojekt der Kopernikus-Projekte. Kopernikus, mit 400 Mio. Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bis 2025 ausgestattet, steht für eine der größten Forschungsinitiativen der Bundesregierung zum Thema Energiewende.

Über 200 Institute als Auftragnehmer und Unterauftragnehmer konzentrieren sich auf die vier Sektoren Industrie, Gebäude, Mobilität und Strom. Gemeinsam wollen sie die Basis für eine sichere, klimaneutrale und bezahlbare Energieversorgung für Deutschland legen. Ariadne spielt in alle vier Sektoren hinein, indem die Studie politische Maßnahmen, mit denen sich die Energiewende erfolgreich umsetzen lässt, aus den Ergebnissen der vier Bereiche ableitet. Nach bisherigem Kenntnisstand reichen die politischen Bemühungen der Bundesrepublik weder aus, die eigenen, ambitionierten Klimaschutzziele zu erreichen, noch die Abhängigkeit von Energieimporten wesentlich abzumildern. Ariadne zeigt Möglichkeiten auf, das zu ändern.

Ariadne macht Vorschläge

Grundlage aller Ariadne-Arbeiten ist zunächst eine Bestandsaufnahme, der Status quo. Welche politischen Maßnahmen zur Erreichung der Klimaschutzziele gibt es bereits? Reichen sie aus, um die Klimaziele zu erreichen? Welcher Maßnahmen bedienen sich andere Staaten? Sind sie auf Deutschland übertragbar? Welche Instrumente kommen noch infrage? Was sind rechtliche Hindernisse? Von der CO!SUB(2)SUB!-Steuer bis zum Verbot fossiler Brennstoffe – Ariadne analysiert alle Möglichkeiten und fasst sie in einem Grünbuch zusammen.

Die Optionen des Grünbuch-Prozesses diskutieren die Beteiligten in einer zweiten Konsultations-Runde mit Politikern und Akteuren der Energiewende. Die Empfehlungen fließen in das Weißbuch ein. Das hält fest, welche politischen Maßnahmen auf Zuspruch in der Bevölkerung stoßen und welche nicht. Beispielsweise bis zu welchem Preis die Bevölkerung eine CO!SUB(2)SUB!-Steuer mitträgt und ab wann sie sich dagegen ausspricht.

Ariadne bündelt so sämtliche Kopernikus-Projekte zu einem politischen Maßnahmenkatalog. Die von der Regierung anvisierten 6 Mio. Wärmepumpen bis 2030 berühren die Stromerzeugung, beziehungsweise spezifischer die erneuerbare Stromerzeugung. Hält der Ausbau in Deutschland Schritt mit dem Wärmepumpen-Hochlauf? Die installierte Leistung der Erneuerbaren beträgt derzeit grob 150 GW, davon 65 GW Photovoltaik (PV).

Für die Analyse verwendete das DIW in Berlin das am Institut entwickelte Open-Source-Stromsektormodell „DIETER“. Das Programm berechnet unter anderem den erneuerbaren Strombedarf für verschiedene Szenarien, die sich vor allem in Hinblick auf den Bestand von Wärmepumpen unterscheiden, und vergleicht den mit einem Referenzszenario. Das schreibt die momentanen Anteile von Wärmepumpen in verschiedenen Gebäudetypen fort: Es kommt also kaum etwas hinzu. Unter dieser Annahme umfasst der Bestand im Jahr 2030 1,7 Millionen Anlagen und damit gerade mal 300.000 Wärmeerzeuger dieser Art mehr, als die Statistiker Ende 2022 zählten: 1,4 Mio. Die 1,7 Mio. Wärmepumpen 2030 verlangen kein zusätzliches erneuerbares Stromangebot.

Ein Viertel des Bestands

Im Szenario „Unteres Ziel“ liegt die Zahl der verbauten Geräte 2030 bei 3,9 Millionen, wobei der Zubau ausschließlich in Ein- und Zweifamilienhäusern der beiden Gebäudeklassen mit den höchsten Energieeffizienzen A+ und A (nach Energieausweis) mit maximal 50 kWh/m2a erfolgt. Im Szenario „Oberes Ziel“ beheizen im Jahr 2030 6,5 Millionen Wärmepumpen auch weniger effiziente Ein- und Zweifamilienhäuser. Das dritte Szenario „Oberes Ziel +“ bezieht Mehrfamilienhäuser verschiedener Effizienzklassen mit ein; die Gesamtzahl der installierten Wärmepumpen beträgt dann 7,5 Millionen. In dieser Betrachtung liefern die elektrischen Wärmepumpen den bundesdeutschen Wohnungen knapp ein Viertel der gesamten Raumwärme und des Warmwassers.

Das Habeck-Ministerium nannte ein Ziel von rund sechs Millionen Wärmepumpen 2030 sowie einen Zubau von mindestens 500.000 Anlagen pro Jahr ab 2024. Soll der verstärkte Einsatz dieser Produkte bilanziell vollständig aus erneuerbaren Energien gedeckt werden, müssen die entsprechenden Kapazitäten erweitert werden. Da die Windenergie bereits ohne Wärmepumpen an die für das Jahr 2030 angenommenen Ausbaugrenzen von 115 Gigawatt (Windkraft an Land) beziehungsweise 30 GW (Windkraft auf See) stößt, muss vor allem mehr Photovoltaik ans Netz.

Verbrauchter Überschussstrom

Gegenüber dem Referenzszenario muss im „Unteren Ziel“ eine zusätzliche Kapazität von knapp 4 GW Photovoltaik geschaffen werden, im Szenario „Oberes Ziel“ von gut 18 GW. Dies entspricht 1,7 beziehungsweise 3,8 kW je Wärmepumpe. Der höhere Bedarf im zweiten Szenario erklärt sich unter anderem damit, dass die zusätzlichen 2,2 Mio. Wärmepumpen gegenüber der Referenz im Szenario „Unteres Ziel“ noch teilweise mit Überschussstrom aus erneuerbaren Energien gespeist werden können, die im Referenzszenario vorhanden sind. Im Szenario „Oberes Ziel“ sind diese Überschüsse weitgehend aufgebraucht. Es wird folglich mehr Erzeugungskapazität benötigt.

In der Annahme „Oberes Ziel +“ erhöht sich der zusätzliche Bedarf an Photovoltaik mit 37 GW (6,3 kW je Wärmepumpe) noch einmal deutlich. Dies entspricht einem Zuwachs von rund 23 Prozent PV gegenüber den geplanten 135 GW PV 2030. Laut DIW liegt dies nicht nur an der nochmals höheren Zahl von Wärmepumpen, sondern auch daran, dass in Mehrfamilienhäusern eingesetzte Wärmeerzeuger eine größere Fläche beheizen und daher einen höheren Energiebedarf haben als Ein- und Zweifamilienhäuser. Zudem rechnet dieses Szenario über die Photovoltaik hinaus in gewissem Umfang Gasturbinen und Batteriespeicher ein (gut 4 beziehungsweise knapp 2 GW), um die von Wärmepumpen in der Heizperiode verursachten zusätzlichen Spitzenlasten zu decken.

Zuwachs Batteriespeicher

Stromspeicher zur Ergänzung von Photovoltaik helfen, die „Dunkelflaute“ zu überwinden. Das DIW schaute sich deshalb auch das optimale Speichervolumen an. Bei den Batteriespeichern steigt es gegenüber der Referenz um etwa acht Gigawattstunden im Szenario „Oberes Ziel“, beziehungsweise um gut 22 GWh im Szenario „Oberes Ziel +“.

Das DIW: „Noch etwas kostengünstiger wäre, wegen des gut zur Heizperiode passenden saisonalen Profils (sonnenarmer Winter), eine Kombination von Wärmepumpen und Windenergie. Grundsätzlich bleiben die modellierten Effekte auf andere Technologien im Stromsektor, insbesondere auf Stromspeicher, moderat. Dies gilt auch unter alternativen Annahmen, selbst wenn eine besondere Schlechtwetterperiode berücksichtigt wird. Die Gründe hierfür sind unter anderem der im Rahmen der Möglichkeiten flexible Einsatz der Wärmepumpen sowie ausgleichende Effekte im Stromverbund mit den Nachbarländern. […] Wird Deutschland als Insel ohne jeglichen Stromaustausch mit seinen Nachbarländern modelliert, sind die für den stärkeren Einsatz von Wärmepumpen erforderlichen zusätzlichen Kapazitäten zur Erzeugung von Strom deutlich höher als unter den Basisannahmen. Vor allem die Investitionen in Photovoltaik und Batteriespeicher steigen. Dieser Befund verdeutlicht die Vorteilhaftigkeit eines europäischen Stromaustauschs.“

Fazit: „Aus Sicht des Stromsektors gibt es somit keine wesentlichen Hindernisse für einen deutlich forcierten Ausbau von Wärmepumpen; mit Blick auf die Gesamtkosten kann er sogar deutlich vorteilhaft sein.“

Weiterführende Informationen: https://ariadneprojekt.de/

Freitag, 21.07.2023