Giersch (Enertech GmbH) macht sich zukunftsfähig. Das Unternehmen aus Hemer stellt nicht nur die Ausbildung der Kundenmonteure auf ganz neue Füße. Es reagiert auch auf die veränderten Informationsgewohnheiten der Endnutzer sowie auf die zunehmende Breite der Energieträgerlandschaft. So könnte Wasserstoff hinzukommen und Giersch bereitet sich darauf vor. Die HeizungsJournal-Redaktion erfuhr am Firmensitz dies und einiges mehr zur strategischen Weichenstellung.
„Wenn wir die Wärmewende beschleunigen wollen, müssen wir auch die Schulungen für unsere Kunden akzeptabler gestalten: innovativ, lebendig. Wir müssen ihnen ein Lernerlebnis bieten, das im doppelten Sinn Nachhaltigkeit bewirkt. Erstens nachhaltiges Verankern der, zweitens, unterrichteten und diskutierten nachhaltigen Technologien. Und wir müssen uns nach außen öffnen. Die geschlossene Benutzergruppe ist passé. Wir müssen über die sozialen Medien die Kunden unserer Kunden, die Endnutzer, einbeziehen.“ Der das sagt, Giersch-Geschäftsführer Jens Kater, präsentierte Ende April 2022 die entsprechende Lösung: ein Fortbildungsstudio in der Unternehmenszentrale mit gleichermaßen Set-(Aufnahme-) als auch Kino-(Vorführ-)Atmosphäre.
Das Giersch-Konzept setzt sich aus dem üblichen Praxisraum mit funktionsfähigen Produkten und mit Lernmitteln zur Schulung der Heizungsbauer im Programm des Herstellers zusammen sowie aus dem nicht üblichen Studio nebenan. Dort geht der Hersteller im Dialog mit Besuchern, Kunden und Partnern unter anderem auf Grundsatzfragen der fossilen und regenerativen Wärmeerzeugung ein, erklärt auf der Bühne die entsprechenden Angebote – und stellt die interaktive Aufführung ins Netz.
„Das Studio ist damit gleichzeitig eine digitale Messe. Wir haben einen Schneideraum, von dem wir live ins Internet streamen können. Wir haben einen eigenen Youtube-Channel, den wir damit bespielen werden. Wir werden in Diskussionen gehen: warum Luftwärmepumpe und warum PV, warum PVT und was ist besser an der Sole-Wärmepumpe oder an der Luftwärmepumpe? Warum eine Hybridanlage? Das Studio ist das Diskussionsforum. Im Raum nebenan wird klassisch geschraubt und geschult“, so Kater. „Abgesehen davon werden wir viele Veranstaltungen organisieren, wo wir mit anderen Firmen Interviews führen, wo wir über Gesamtkonzepte sprechen, über die Randprodukte von »Duo-Hybrid«, zum Beispiel Stromspeicher oder Ladetechnologie, Fahrzeuge, geothermische Quellenerschließung, Fördermittel. Das alles werden wir aufzeichnen und online stellen.“
Messebeteiligung ohne physische Produkte
Stichwort „digitale Messe“: Für Jens Kater ist das nicht nur ein Schlagwort. Vielmehr steht bereits ein festes Programm dahinter. Giersch wird zukünftig mit dem Studiomodell auf die Messen gehen: ohne Produkte, mit einer 6 m2 großen Box, in der VR-Brillen hängen, die die Besucher auf den digitalen Messestand nach Hemer „beamen“. Von der ISH in Peking, von Mailand, von Frankfurt/M. „Meine Kunden finden sich, sobald sie die Brille aufsetzen, hier in Hemer auf dem Messestand wieder. Und wir bespielen alle sozialen Netzwerke mit dieser Technologie. Wir werden, wie gesagt, unseren eigenen Youtube-Channel schalten; wir erreichen ja über die sozialen Netzwerke immens viel mehr Menschen mittlerweile. Wenn man sich anguckt, wer heute im Internet unterwegs ist, das ist eigentlich genau die Käuferschicht, die wir ansprechen wollen. Menschen zwischen 18 und 40 Jahren, die einfach auch beruflich viel mit dem Internet zu tun haben. Heute sitzt ja jeder vor dem Rechner. Ich suche eine neue Heizung, dann gucke ich doch mal schnell ins Internet. Und genau diese Medien bespielen wir.“
Nun blättern die realen Käufer, das SHK-Fachhandwerk, nicht in den sozialen Medien herum. Das Internet trägt zur Bekanntheit bei, die kaufenden Kunden betreut aber natürlich nach wie vor der 30-köpfige Außendienst. Giersch hat 25 Vertretungen in Deutschland sowie eigene Niederlassungen und Repräsentanzen in Polen, Kroatien, Slowenien und den baltischen Ländern. Dazu kommen Vertriebspartner in über 50 weiteren Ländern. 1951 in Hemer gegründet, hat sich das Unternehmen in 70 Jahren zu einem führenden Hersteller von Öl-, Gas- und Kombibrennern entwickelt, der seit 15 Jahren auch die alternativen Energietechnologien im Portfolio führt.
So etwa ganz aktuell das schon erwähnte „Duo-Hybrid“-Konzept: Dabei handelt es sich um die Kombination von Gas-Brennwerttechnik mit regenerativer Wärmepumpentechnologie und einem PVT-Dachabsorber als sowohl thermische als auch elektrische Energiequelle. Vornehmlich dachte Giersch bei dieser Entwicklung an den Bestand. Der hänge mehrheitlich ohnehin an einer Erdgasleitung und da in deutschen Wintern die Außentemperaturen selten über eine längere Periode im Frostbereich blieben – der Gasbrenner mithin nur selten anspringe –, sei diese Vernetzung gleichermaßen ökologisch wie ökonomisch wie sozial verträglich. Sozial verträglich soll sagen, „laute“ Luft als Kalorienspender hat es in engen Bestandsquartieren schwer und für Geothermie fehlt es an Fläche oder an Finanzmitteln oder an beidem.
Apropos Gas – in Hemer hält man sich alle Türen offen. Wir werden, hatte Jens Kater im Vorgespräch gesagt, via Studio unsere Kunden ebenfalls in Wasserstoff (H!SUB(2)SUB!) und Großwärmepumpen fit machen. Wohin die Energieträgerreise im Wärmemarkt geht, ist tatsächlich nicht detailliert vorherzusagen. Grüner Strom und Wärmepumpe ja, aber vielleicht doch auch zusätzlich zu Wasserstoff dekarbonisiertes norwegisches Erdgas. Das H!SUB(2)SUB! müsste dann über ein zentrales Netz verteilt werden. An den Aufbau solch einer Struktur glaubt man in Hemer aus verschiedenen Gründen aber nicht. Eher an eine dezentrale Lösung, die grünen Überschussstrom, statt in einen Batteriespeicher einzulagern, in einem dezentralen häuslichen Wasserstoffkessel verfeuert. Das Verfahren habe den Charme, dass man im Bestand kein neues Wärmeverteilungs- und Wärmeübergabesystem benötige, keine Geothermie, keine Niedertemperaturheizung. Alter Öl- oder Gaskessel raus, neuer Wasserstoffkessel nebst Elektrolyseur hinein – fertig.
Wasserstoffkessel im nächsten Jahr
Jens Kater: „Wir sind dabei, solch eine Kessel- und Brennereinheit zu entwickeln, die zu 100 Prozent Wasserstoff verarbeitet und über einen eigenen Elektrolyseur verfügt, sodass diese Unit nur noch mit dem Heizungsvor- und -rücklauf verbunden werden muss. Sie kriegt einen Wasseranschluss und einen 230-V-Stromanschluss und produziert Wärme.“ Giersch hat ein Patent darauf angemeldet. Die Leistung reicht bis 50 kW für das Sechs- bis Zehnfamilienhaus. Ende 2023 könnte der Wärmeerzeuger auf den Markt kommen.
Noch in diesem Jahr werden die Sauerländer eine 50-kW-Hochtemperatur-Wärmepumpe für den industriellen Einsatz für Vorlauftemperaturen bis 90 °C präsentieren. Denn die Politik und die Industrie entdecken die Abwärmenutzung als Beitrag zum Klimaschutz. Giersch will sich da nicht ausklammern. Ebenfalls gehört quasi ab sofort eine Luftwärmepumpe für Leistungen bis 90 kW zum Programm. Das heißt indes nicht, dass das Werk die traditionellen Kernprodukte vernachlässigt. Der Absatzschwerpunkt liegt, nach eigenen Aussagen, noch immer auf Öl- und Gasbrennern, allerdings mit 60 Prozent Exportanteil. Inländisch ist die von CTC designte Wärmepumpenreihe der Verkaufsschlager. „Und zunehmend kommen natürlich Produkte wie »Duo-Hybrid« zum Tragen, nicht von den Stückzahlen her, aber von den Umsatzzahlen, weil wir hier einen sehr großen Teil der Wertschöpfungskette in der Hand halten.“
Klare Identität
Wir – wer ist wir? Der Hersteller in Hemer hat sich in den letzten Jahren mit einer klaren Identität schwergetan. Das Werk ging in seinen 70 Jahren Existenz durch verschiedene Hände und jeder Eigentümer versuchte, seinen Namen mit einzubringen: Giersch, Giersch CTC, Enertech, Enertech Division CTC. Giersch gehört, wie CTC, alpha innotec, Novelan und Waterkotte, zur Nibe Group. Die Schweden halten sich aber im Hintergrund und lassen zu, dass sich jede Firma am Markt mit ihren Kunden etabliert. Die verschiedenen Giersch-Logos trübten jedoch den Wiedererkennungswert des Hemeraner Feuerungsspezialisten ein. Der Geschäftsführer: „Wir führen gerade eine Namensbereinigung durch. Wir werden den einzigen Namen, der in der Branche seit 70 Jahren bekannt ist, wieder nach vorne bringen. Und das ist Giersch.“