Ein Vorzeigeobjekt für sichere Rettungswege im Hochhaus bietet Lösungsansätze, die auch für viele weitere Bauvorhaben angewandt werden können.
Ein Vorzeigeobjekt für sichere Rettungswege im Hochhaus bietet Lösungsansätze, die auch für viele weitere Bauvorhaben angewandt werden können.
In Deutschlands Städten wird es immer schwieriger, freie Flächen für Neubauten zu finden. Dies ist im klassischen Wohnbereich schon hinreichend bekannt. Doch auch für Unternehmen gestaltet es sich zunehmend schwerer, im innerstädtischen Bereich geeignete Nutzungsflächen aufzuspüren. Bürogebäude werden deshalb meist in die Höhe gebaut und fallen daher unter die Bestimmungen der Hochhausrichtlinie. Mit steigender Gebäudehöhe werden Fachplaner und Architekten mit hohen Brandschutz-Anforderungen konfrontiert. Ein Vorzeigeobjekt für sichere Rettungswege im Hochhaus ist der Neubau des Bürogebäudes des Unternehmens Visteon in Karlsruhe. Die technische Umsetzung sämtlicher Vorgaben bietet Lösungsansätze, die auch für viele weitere Bauvorhaben angewandt werden können.
Sicherheitstreppenräume zeichnen sich dadurch aus, dass sie im Brandfall für eine bestimmte Dauer nutzbar bleiben. Dies ist für sich rettende Personen und für die Feuerwehr lebensnotwendig. Der Feuerwehraufzug ermöglicht einen Zugang, um Ausrüstung und Personal zur Brandbekämpfung sicher und schnell in das jeweilige Geschoss zu bringen. Zusätzlich können über sichere Vorräume und den Feuerwehraufzug Personen, bei denen die Eigenrettung über den Sicherheitstreppenraum nicht möglich ist, in Sicherheit gebracht werden. Mit insgesamt acht Etagen und einer Höhe von knapp über 25 m fällt das Bürogebäude von Visteon unter die Anforderungen der Hochhausrichtlinie. Daher sind ein Sicherheitstreppenraum und ein Feuerwehraufzug gefordert. Die Büroräume schließen über einen notwendigen Flur und über einen Vorraum in den Geschossen an den innen liegenden Sicherheitstreppenraum an. Der Vorraum des Feuerwehraufzugs mündet dabei in den Vorraum des Sicherheitstreppenraums – eine Anordnung, die von Architekten zunehmend häufiger gewählt wird, um den Raum möglichst effizient zu nutzen.
Damit der innen liegende Sicherheitstreppenraum, der Feuerwehraufzug und die jeweiligen Vorräume auch im Brandfall rauchfrei und dadurch nutzbar bleiben, sind die folgenden und wesentlichen Anforderungen zu beachten (Hinweis: Die beschriebenen Anforderungen gelten speziell für dieses Gebäude):
Der Eintritt von Rauch in den innen liegenden Sicherheitstreppenraum, den Feuerwehraufzug und in die Vorräume muss mit Anlagen zur Erzeugung von Überdruck (Rauchschutz-Druckanlagen, RDA) verhindert werden. Da bei diesem Objekt nur ein innen liegender Sicherheitstreppenraum vorhanden ist, übernehmen betriebsbereite Ersatzgeräte bei Ausfall der Anlage die Funktion für die Aufrechterhaltung des Überdrucks. Die Redundanzanforderungen betreffen die Zuluftventilatoren für den Sicherheitstreppenraum (2 Ventilatoren, parallel). Für den Feuerwehraufzug genügt ein Zuluftventilator. Die Durchströmungsgeschwindigkeit der Luft muss durch die geöffnete Türe des Sicherheitstreppenraums zum Vorraum und von der Türe des Vorraums zum notwendigen Flur mindestens 2,0 m/s betragen. Durch die geöffnete Vorraumtüre des Feuerwehraufzugs muss sie mindestens 0,75 m/s betragen. Die maximale Türöffnungskraft an den Türen des innen liegenden Sicherheitstreppenraums und der Vorräume darf, gemessen am Türgriff, höchstens 100 N betragen. Ein Mindestdruck von 15 Pa darf im Sicherheitstreppenraum und Feuerwehraufzug nicht unterschritten werden. Die Rauchschutz-Druckanlage wird durch die Brandmeldeanlage automatisch ausgelöst. Sie muss den erforderlichen Überdruck nach Auslösung umgehend aufbauen. Das Gebäude benötigt eine Sicherheitsstromversorgungsanlage. Bei Ausfall der allgemeinen Stromversorgung übernimmt sie den Betrieb der sicherheitstechnischen Gebäudeausrüstung – insbesondere der Rauchschutz-Druckanlage.
Die Zuluftventilatoren und die beiden Schaltschränke der Rauchschutz-Druckanlagen sind in der RDA-Technikzentrale im Untergeschoss angeordnet. Es handelt sich hierbei um einen gesonderten Raum mit F90 Wänden. Bei Rauchdetektion werden die beiden Rauchschutz-Druckanlagen durch die Brandmeldeanlage automatisch ausgelöst. Die Zuluftventilatoren befördern daraufhin Außenluft in den Sicherheitstreppenraum und in den Feuerwehraufzug.
1. Sicherheitstreppenraum
Im Untergeschoss des Sicherheitstreppenraums befindet sich eine Einblasstelle für die Zuluft. Aufgrund der großflächigen Treppenraumgeometrie und des vorhandenen Treppenauges ist keine weitere Einblasstelle in anderen Geschossen notwendig. Über diese Einblasstelle wird im Brandfall ein Zuluftvolumenstrom von ca. 22.000 m³/h in den Sicherheitstreppenraum befördert. Über die automatisch geöffnete Lichtkuppel im obersten Geschoss erfolgt eine konstante Durchströmung des Treppenraums mit frischer Luft zur Verdünnung und Ausspülung eventuell eingedrungener Rauchgase. Der sich im Treppenraum aufbauende, geregelte Überdruck verhindert bereits in einer sehr frühen Phase eine Raucheindringung und sorgt für die Rauchfreihaltung des Rettungswegs.
Die RDA öffnet zudem automatisch eine kontrollierte Abströmöffnung im Brandgeschoss, über die die Zuluft ins Freie entweicht. In diesem Bürogebäude wurde hierfür aus Platzgründen ein aktiv geregelter Abströmschacht eingesetzt. Die erforderliche Differenzdruckregulierung im Sicherheitstreppenraum erfolgt hierbei durch ein aktiv geregeltes System. Differenzdrucksensoren sorgen für eine permanente Aufnahme der Drucksituation im zu schützenden Bereich. Dadurch kann die Anlage auf sich verändernde Bedingungen reagieren und eine geordnete Rauchfreihaltung realisieren. Tür-Öffnungskräfte werden dadurch nicht überschritten.
Die Rauchschutz-Druckanlage passt den Zuluftvolumenstrom der jeweiligen Situation an. Dies erfolgt durch eine Ansteuerung des Ventilators über einen Frequenzumrichter. Flüchtende Personen oder ein Feuerwehrangriff bedingen das Öffnen und Schließen von Türen. Dies führt zu ständig wechselnden Druckverhältnissen im Treppenraum. Auf diese muss die Rauchschutz-Druckanlage innerhalb kürzester Zeit (3 Sek.) mit einer ausgefeilten Differenzdruckregulierung reagieren. Die Ausgangstüre im Erdgeschoss hat einen besonderen Einfluss auf die Funktionsfähigkeit der Anlage. Sie ist mit einem Obentürschließer ausgerüstet um sicherzustellen, dass sie bei Betrieb der Rauschschutz-Druckanlage auch entgegen dem Überdruck sicher schließt. Dadurch wird eine unnötige Leckagefläche verhindert und der Überdruck kann im Sicherheitstreppenraum hergestellt werden. Die integrierte Lüftungsfunktion der RDA erlaubt zusätzlich eine bedarfsgerechte Lüftung des Treppenraums bei hohen Temperaturen. Diese Funktion ist insbesondere bei innen liegenden Sicherheitstreppenräumen zu empfehlen, da sie durch die Druckbelüftung über keine öffnenden Fenster verfügen.
2. Feuerwehraufzug
Die Rauchschutz-Druckanlage des Feuerwehraufzugs verhindert durch den geregelten Aufbau von Überdruck das Eindringen von Rauchgasen in den Fahrschacht vom Feuerwehraufzug sowie in dessen Vorraum. Die Differenzdruckregulierung und die Zuluft von ca. 10.000 m³/h erfolgen analog der beschriebenen Technik des Sicherheitstreppenraums. Die Rauchschutz-Druckanlage öffnet automatisch eine Überströmöffnung im Brandgeschoss, so dass eine lufttechnische Verbindung zwischen Fahrschacht und Vorraum entsteht, über die der Zuluftvolumenstrom aus dem Fahrschacht in den Vorraum strömen kann. Die Überströmöffnung wurde mit einer Klappe ausgeführt, um eine Luftmenge von ca. 6.000 m³/h – selbst bei geschlossener Fahrschachttüre im Brandgeschoss – in den Vorraum hin-einströmen zu lassen.
Die Rauchschutz-Druckanlage stellt beim Öffnen der Vorraumtüre eine Tür-Durchströmungsgeschwindigkeit von mindestens 0,75 m/s her. Hierfür ist eine kontrollierte Abströmöffnung unabdingbar. Eine Rauchausbreitung in den Vorraum des Feuerwehraufzugs wird effektiv verhindert – der komplette Feuerwehraufzug und dessen Vorräume werden rauchfrei gehalten.
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Insbesondere bei hohen oder freistehenden Objekten, komplexen Gebäudegeometrien sowie bei Gebäuden in Regionen mit starkem Windaufkommen, kann die kontrollierte Abströmöffnung nur selten über Fenster als Fassadenabströmung realisiert werden. In diesen Fällen ist ein Abströmschacht bei der Planung zu berücksichtigen. Dieser wird exklusiv für die Abströmung der RDA genutzt und funktioniert unabhängig von Windeinflüssen. Der Zuluftvolumenstrom wird bei dieser Form der Abströmung unmittelbar nach erfolgter Tür-Durchströmung, mittels vertikal verlaufendem Abströmschacht, abgeführt. Die Gebäudegeometrie und die innen liegende Anordnung des Flurs in der Raumfabrik Karlsruhe erforderten auch einen vertikalen Abströmschacht. Dieser ist in direkter Angrenzung zum notwendigen Flur angeordnet. Zwingend erforderlich war hierbei, dass der Abströmschacht in entsprechendem Feuerwiderstand ausgeführt wird. Die Einströmung der Luft erfolgt durch Entrauchungsklappen in den jeweiligen Geschossen. Dabei muss die Anlage sicherstellen, dass lediglich die Entrauchungsklappe im Brandgeschoss geöffnet wird. Alle sonstigen Szenarien, die ein Öffnen von weiteren Entrauchungsklappen in anderen Geschossen zur Folge hätten, sind in der Steuerung gesperrt.
Durch die geringen Platzverhältnisse für die Anlagentechnik und die Abströmschächte wurden die Fachplaner und Architekten vor eine besondere Herausforderung gestellt: Abströmschächte müssen in der Regel mit Querschnitten von bis zu 1,50 m² ausgeführt werden, da für die Abströmung der gesamten Luftmenge nach der erfolgten Türdurchströmung lediglich der geringe Überdruck aus dem Treppenraum bzw. Feuerwehraufzug zur Verfügung steht. Um die Anforderungen an eine maximale Tür-Öffnungskraft von 100 N einhalten zu können, werden hierbei meist Drücke von lediglich 30 bis 40 Pa eingestellt. Dieser Überdruck muss ausreichen, um den Tür-Durchströmungsvolumenstrom von ca. 18.000 m³/h durch den Abströmschacht zu befördern. Große Schachtquerschnitte sind meist die unangenehme Folge. Um sie in diesem Bürogebäude nun deutlich kleiner ausführen zu können, kam ein aktiv geregelter Abströmschacht zum Einsatz.
Die Abströmung erfolgt hierbei ebenfalls mittels eines vertikal verlaufenden Abströmschachts. Dabei werden die Druckverluste durch einen Ventilator überwunden. Dieser ist auf dem Schacht positioniert und saugt die Luft aus dem Brandgeschoss ab.
Durch den Einsatz dieser Technologie kann ein Abströmschacht (auch mit geringem Querschnitt) selbst in hohen Gebäuden vorgesehen werden. Eingesetzt wurde ein Ventilator der Temperaturklasse F300, der je nach Druckverhältnissen und Brandgeschoss mittels Frequenzumrichter geregelt wird. Zur präzisen Steuerung der Absaugung erfolgt die Differenzdruckmessung unmittelbar vor der Absaugstelle im notwendigen Flur. Daher ist in jedem Geschoss ein Differenzdrucksensor mit Druckabnahmestelle im notwendigen Flur zu installieren (Anbringung des eigentlichen Sensors jedoch im Vorraum). Von der Rauchschutz-Druckanlage wird im Brandfall nur der relevante Sensor im Brandgeschoss ausgewertet. Um Druckspitzen bei sich öffnenden und schließenden Türen zuverlässig vermeiden zu können, ist eine schnell regelnde Bypassklappe zwischen Ventilator und Abströmschacht angeordnet. Die Steuerung vom aktiv geregelten Abströmschacht ist in einem separaten Schaltschrank untergebracht. Bei der Einregulierung ist eine sorgfältige Abstimmung vom Zuluftventilator und dem Ventilator auf dem Abströmschacht notwendig, um stets die maximal zulässige Tür-Öffnungskraft einhalten zu können. Die Abströmung aus dem Ventilator ist frei von brennbaren Gegenständen und für Personen unzugänglich, da unter gewissen Bedingungen mit erhöhten Temperaturen an der Luftaustrittsstelle zu rechnen ist.
Rauchschutz-Druckanlagen (RDA) haben sich in den letzten Jahren als zuverlässige Technik für die Rauchfreihaltung in Sicherheitstreppenräumen und Feuerwehraufzügen bewährt. Die genauen Anforderungen unterscheiden sich meist für die jeweiligen Gebäude, sind jedoch vorrangig zum Beispiel in der Hochhausrichtlinie und der Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) beschrieben. Meistens sind individuelle Lösungen für eine optimale Anforderungserfüllung erforderlich. Daher sollten alle beteiligten Personen sich bereits in einer sehr frühen Planungsphase verständigen. Lösungen, wie beispielsweise der aktiv geregelte Abströmschacht, bieten Planern und Architekten viele Möglichkeiten und halten den Platzbedarf für die Anlagentechnik gering. Eine zuverlässige Anlagentechnik für ein hohes Maß an Sicherheit kann dadurch kostengünstig und unauffällig im Gebäude integriert werden. Futuristische, kreativ gestaltete Gebäude und die sicherheitstechnischen Anforderungen können clever kombiniert werden.
Freitag, 08.01.2021