Seit 1.4. 2015 gibt es alternativ zur vertrauten Bruttokollektorflächen-Förderung für große Solarthermieanlagen auch eine ertragsabhängige Förderung im MAP und seit 1.9. 2015 hat sich als Antwort auf das europäische ErP-Label, das thermische Kollektoren zu indifferenten Anhängseln von Kesseln zur Verbesserung derer Label herabsetzt, ein freiwilliges Kollektoreffizienzlabel etabliert [1]. Beides beruht auf dem sogenannten ACO (Annual Collector Output) aus Datenblatt 2 der Solar-Keymark-Kollektorzertifikate.
Mit der Solar-Keymark (SK)-Zertifizierung hat sich ein weltweit anerkanntes Instrument zur Angabe standardisierter Kollektorjahreserträge etabliert. Standardisiert sind dabei die Betriebstemperaturen, Standortwetterdaten, Ausrichtung, Wasser als Betriebsmittel und ein Mindestbedarf, bei dem die gesamte Einstrahlung genutzt wird. Das dazu von allen Testinstituten einheitlich verwendete Werkzeug heißt „ScenoCalc“ und ist frei im Internet verfügbar, so dass von jedermann auch der Jahresertrag beliebiger Standorte, beliebiger Temperaturen und beliebiger Ausrichtung einheitlich und eindeutig bestimmt werden kann [2].
Die Etablierung einer ertragsabhängigen MAP-Förderung und des Kollektorertragslabels erfährt den erbitterten Widerstand der großen Heizungskonzerne. Das dabei verwendete Hauptargument, man dürfe Kollektoren entweder gar nicht oder nur im System vergleichen, muss jedoch als ziemlich heuchlerisch entlarvt werden. Die Gegner von solarthermischer Effizienz- und Ertragstransparenz argumentieren schon immer, dazu müsse man die Systemerträge, das ist de facto nichts Komplizierteres als die Primärenergieersparnis, messen – wissend, dass beim Betrieb mit Glykol bereits die Messung von Kollektorerträgen nur sehr aufwändig und fehlerhaft möglich ist, geschweige denn der Primärenergieersparnis im System. Man kann dies scheinheilig getrost zu bedenken geben, solange diese Option ewig in weiter Ferne ruht.
Das Paradoxe dabei besteht in Folgendem:
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Grundsätzlich werden beim standardisierten SK-Kollektorertrag gegenüber dem Systemertrag Kollektoren umso besser gestellt, je ertragsschwächer sie sind. Denn alle ungefähr gleich dimensionierten Kollektoranlagen haben in absoluten Zahlen auch etwa die gleichen, nicht unerheblichen Wärmeverluste über ihre Rohre, Armaturen und Speicher. Weniger effiziente Kollektoren schneiden deshalb im System nach Abzug der Verluste automatisch sowohl absolut und erst recht prozentual noch schlechter ab.
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Das Dilemma weniger effizienter Kollektoren besteht darin, dass dies vor allem unter anspruchsvollen Bedingungen gilt, also bei suboptimalem Wetter, niedrigen Außentemperaturen, hohen Speichertemperaturen und bei Starkwind. Kompensiert man dies mit mehr Kollektorfläche, liefert die größere Anlage im Sommer bei wenig Wärmebedarf mehr Überschüsse als die effizientere kleinere, so dass mit den Kollektoren auch Rohre, Speicher usw. größer ausgelegt werden müssen. Dann hat diese insgesamt größere Anlage aber automatisch größere Verluste als die kleinere Anlage mit den effizienteren Kollektoren.
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Der SK-Kollektorertrag stellt automatisch auch Glykol-Systeme besser. Erstens müssen diese größere Rohre verwenden als Wassersysteme, zweitens brauchen sie immer einen Solarwärmeübertrager und stärkere Pumpen und drittens sind mit Glykol höhere Absorbertemperaturen notwendig, was den Wirkungsgrad senkt. Nur um eine Dimension größere Rohrdurchmesser haben den doppelten Leitungsinhalt und die knapp anderthalbfache Oberfläche gegenüber Wassersystemen, woraus deutlich größere Wärmeverluste folgen, denn die meisten Verluste entstehen beim Aufwärmen am Morgen und nach dem Abschalten am Abend.
Deshalb erscheint es unlogisch, wenn sich ausgerechnet Verfechter von Glykolsystemen gegen die Kollektorertragsvergleiche mit Hinweis auf deren Unzulänglichkeit gegenüber Systemvergleichen wehren, denn ein Systemvergleich wäre für sie nur noch nachteilhafter. Sofern sie nicht weiterhin jeden Ertragsvergleich vermeiden können, müssten sich auch die Verteidiger weniger effizienter Kollektoren grundsätzlich eher für Kollektor¬erträge einsetzen und die Vertreter der effizientesten Kollektoren für Systemerträge. Wenn sich aber die Lobby der stärksten Kollektoren für den standardisierten Kollektorertrag einsetzt, kommt sie allen leistungsschwächeren Kollektoren sowie Glykolsystemen pragmatisch weit entgegen, damit es wenigstens überhaupt erst einmal zu einer Ertrags- und Effizienz-diskussion in der Solarthermie kommt.
Auch Institute und Lehreinrichtungen weisen gern darauf hin, dass ein Kollektorertragsvergleich noch kein Systemertragsvergleich ist (was auch nie behauptet wurde). Wünschten sie sich aus rein wissenschaftlichem Interesse lieber einen Systemertrag, müssten sie anerkennen, dass ein standardisierter Kollektorjahresertrag bereits sehr viel objektiver ist als alles Vorherige und ihn deshalb so lange aktiv unterstützen, bis etwas Besseres verfügbar ist. Allerdings ist die Diskussion über vielfältige Betrugsmöglichkeiten bei der Ermittlung von Systemerträgen so alt wie die Solarthermie selbst, so dass man diese Tore pragmatisch vielleicht besser überhaupt nie öffnen sollte. Jenen aber, die sich noch nie für Ertragsvergleiche engagierten und erst vom SKN (Solar-Keymark-Network) vom SK-ACO auf Seite 2 der Zertifikate überrascht wurden, können ihre Kritik an dessen wissenschaftlicher Abstraktion nun auch nur schwer als echte Besorgnis um einen Mangel an Genauigkeit glaubhaft machen.
Der Kollektor besitzt als Energiewandler hinsichtlich seiner Effizienz und seines Wirkungsgrades bei jeder solarthermischen Anlage dieselbe Schlüsselfunktion wie der Motor in einer Kraftmaschine, die Batterie in einem netzunabhängigen elektrischen Gerät oder Fahrzeug, das Kollektorpanel bei einer PV-Anlage oder das Triebwerk bei einem Flugzeug. Es ist evident, dass bei allen diesen Energiewandlern auch alle übrigen Komponenten funktionieren müssen, aber damit kann das Ergebnis der Energiewandlung nicht mehr verbessert, sondern nur noch eine Verschlechterung durch Verluste, Ausfälle, Betriebsrisiken usw. minimiert werden. Jedes solarthermische System wird überproportional umso schlechter, je leistungsschwächer der Kollektor ist, weil die Verluste, das heißt, die Differenz zwischen Kollektor- und Systemertrag, umso stärker zu Buche schlagen, je weniger Kollektorertrag zur Verfügung steht. Das ist wie beim Fliegen. Auch hier muss das Triebwerk immer erst einmal das betankte Flugzeug tragen können. Nur der Leistungsüberschuss, der auch noch Last zu tragen vermag, ist für das „System Flugzeug“ relevant. Kollektoren müssen zunächst eine Menge Wärmeverluste kompensieren, bevor sich ihr Mehrertrag als Primärenergieeinsparung niederschlagen kann. Dafür ist der Kollektorertrag maßgebend verantwortlich.
Zusammenfassung
Die SK-Zertifikate sind ein riesiger Meilenstein auf dem Weg zu mehr Verbraucherschutz in der Solarthermie, weil die standardisierten Kollektorerträge auf Seite 2 der Dokumente in ihrer Klarheit unanfechtbare Benchmark-Instrumente liefern. Deshalb sollte jeder, der sich mehr solarthermische Transparenz wünscht, das SKN unterstützen. Wenn ausgerechnet bisherige Transparenzverweigerer nun plötzlich noch mehr Genauigkeit fordern, kann dies nur sehr verwundern, weil die Verlierer beim Kollektorertragsvergleich aufgrund elementarer Zusammenhänge beim Systemvergleich automatisch noch schlechter abschneiden.
[1] A. Witt: Initiative Sonnenheizung promotet Kollektorlabel, Solarthemen 456 (2015)
[2] ScenoCalc-Download: http://www.sp.se/en/index/services/solar/ScenoCalc