Ursachen beseitigen, nicht Symptome behandeln!

Interview mit Willibald Schodorf und Karl Willemen

Willibald Schodorf, Leiter Technische Geschäfte bei BWT, plädiert seit Jahren für den Einsatz von optimalem Heizungswasser ohne Zusatzstoffe. Nun hat er sich mit Karl Willemen, CEO von Resus, einen Partner im Geiste an die Seite geholt. Im HeizungsJournal-Interview verraten sie mehr zu ihrer Kooperation.

Herr Schodorf, Herr Willemen, in der HeizungsJournal-Ausgabe 7-8/2022 (August) hatten Sie in Ihrem Fachbeitrag „Nachhaltiges Heizen beginnt beim Heizungswasser“ (S. 42 bis 47) betont, dass „Schlammabscheider, Luftabscheider und Magnetitfilter entfallen können. Sie sind im Grunde nur als »Camouflage« notwendig, wenn die VDI 2035 nicht konsequent beachtet wird.“ Nun werden Ihnen da die einschlägigen Hersteller dieses „Technik-Equipments“ gewiss nicht applaudieren. Und auch der Installateur müsste bei einer korrekt ausgelegten und gewarteten Heizungsanlage ja auf einen gewissen Umsatz mit dieser „Hardware“ verzichten …

Willemen: Das ist richtig. Aber er kann diesen Umsatz auf andere Weise generieren: mit einer elektronischen Überwachung der Heizungsanlage! Sein zusätzlicher Gewinn ist, dass er seinen Kunden eine ebenso nachhaltige wie stabil funktionierende Anlage gewährleistet. Der elektronische Wächter informiert den Installateur frühzeitig darüber, dass in der Anlage irgendetwas nicht so funktioniert, wie es sollte – und er kann das bei der nächsten Wartung abstellen: Beispielsweise den Vordruck beim Ausdehnungsgefäß wieder korrekt einstellen (am besten mit Stickstoff!) oder irgendwo entstandene Leckagen abstellen.

Schodorf: Die einschlägig interessierte Industrie hat der Branche in den vergangenen Jahrzehnten sehr erfolgreich nahegebracht, dass diese technischen Lösungen zur Sicherheit der Anlage notwendig seien. Das ist mit dem heute verfügbaren Know-how in Sachen Heizungswasseraufbereitung und mit innovativen Überwachungsmöglichkeiten überholt. Wir alle müssen gewohnte Pfade verlassen, müssen umdenken. Wir befinden uns mitten in einem „Change“-Prozess. Es geht im weitesten Sinne auch um die „Purpose“-Frage – was will ich als Unternehmen erreichen? Worin liegt der Sinn des Unternehmens?

Warum handeln noch immer viele Heizungsbauer im Grunde vorsätzlich gegen die Vorgaben der VDI 2035 („Vermeidung von Schäden in Warmwasser-Heizungsanlagen – Steinbildung und wasserseitige Korrosion“), wenn es beispielsweise um Zusatzstoffe geht?

Schodorf: Weil viele Akteure in der Branche an altem Wissen, an alter Herangehensweise festhalten. Als wir bei BWT rund um das Jahr 2006 mit der Philosophie am Markt antraten, mit salzarmem Wasser zu arbeiten, war die Reaktion vieler Heizungsbauer schlicht und ergreifend: „Ich mach das schon 30 Jahre so und es hat sich bewährt.“ Was diese Heizungsbauer damals wie vielfach noch heute ignorieren, sind die veränderten technischen Verhältnisse: Wir fahren heute in den Heizungsanlagen mit reduzierten Temperaturen und die Kesselbauer haben deutlich kleinere Volumina im Primär-Wärmeübertrager durchgesetzt. Mit Wärmepumpen geht dieser Trend noch weiter.

Was die noch immer vielfach zum Einsatz kommenden Inhibitoren betrifft: Die VDI 2035 ist da glasklar, beschreibt den Einsatz von Inhibitoren als möglich bei offenen Heizungsanlagen. Bei geschlossenen Heizungsanlagen – um diese geht es bei einem Großteil aller Heizungsanlagen – sind, laut VDI 2035, Inhibitoren nicht erforderlich und damit unzulässig. Das hat auch damit zu tun, dass man durch die Zugabe von Inhibitoren (das sind organische Verbindungen) den an sich im sauerstoffarmen Heizungswasser nicht überlebensfähigen Anaerobiern gern genommene Nahrung anbietet. Konsequenz: Diese Bakterien vermehren sich im Heizungswasser.

Willemen: Beim Heizungswasser gibt es viele Missverständnisse und/oder falsche Annahmen. Beispielsweise denken nicht wenige in unserer Branche, dass die Verschlammung durch das Nachfüllwasser verursacht wird. Tatsache ist aber, dass weder die Erstbefüllung noch das Nachfüllwasser einen relevanten Einfluss auf die Menge des gebildeten Schlamms im Heizungswasser haben. Viel schlimmer ist der Einfluss durch das gern zitierte „Atmen“ der Anlage. Das sind schon extreme Unterschiede. Insbesondere haben uns Tausende von Praxisfällen gezeigt, dass die Erstbefüllung – sie erfolgt ja naturgemäß nur einmal im Leben einer Anlage – im Grunde vernachlässigbar ist, wenn es um den Schlamm geht. In einigen EU-Ländern wie Belgien und den Niederlanden ist dieses Ergebnis bereits, mit Zahlen belegt, offiziell bis in die zuständigen Richtlinien durchgedrungen, in Deutschland leider noch nicht.

Weil das im Markt offensichtlich schwer zu vermitteln ist, starten Sie eine gemeinsame Schulungsoffensive. Was ist geplant?

Willemen: Zielgruppe sind, neben den Fachplanern (die die Problematik im Grunde physikalisch-chemisch-technisch grundsätzlich am besten verstehen sollten), vor allem die Mitarbeiter der Heizungsbauer – und für die müssen die Zusammenhänge so einfach und kompakt wie möglich präsentiert werden. Es werden also keine Vorlesungen auf Hochschulniveau sein, sondern einfach strukturierte Themenfelder, die unter Verzicht auf irgendwelche Spezialitäten oder besondere Gegebenheiten stattfinden werden.

Schodorf: Eine wichtige Basis sind die von Resus erarbeiteten Risikokarten („Risycards“) – dazu wurden zehn Karten bereits entwickelt. Deren zentrales Thema: Korrosion ist quasi immer eine Folge von Sauerstoffeintrag. Sauerstoff kann auf verschiedene Weise in geschlossene Systeme gelangen. Die „Risycards“ erläutern die möglichen Ursachen dafür.

Warum sind sowohl BWT als auch Resus davon überzeugt, dass der Markt das Thema „Nachhaltiges Heizungswasser“ wichtig findet?

Willemen: Der französische Schriftsteller Victor Hugo hat bereits im 19. Jahrhundert gesagt: „Nichts auf der Welt ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“ Und schauen Sie sich um in der Welt: Überall wird „Nachhaltigkeit“ angesprochen, versprochen und eingefordert. Nicht nur Greta Thunberg ist aktiv, schauen Sie sich doch den Erfolg der Grünen bei den letzten Wahlen an. Es ist Zeit dafür! Wer, wie BWT und Resus, ein Konzept der Vermeidung verfolgt, darf logischerweise die üblichen Probleme mit Heizungswasser (Korrosion, Ablagerungen, Leckage) nicht so bekämpfen, dass man die Resultate von nicht perfektem Heizungswasser quasi übertüncht (Zusatz von Korrosionsinhibitoren, Bioziden, Luftabscheider, Schlammabscheider, Magnetitfilter). Wir wissen doch alle, dass Probleme vermeiden viel besser und günstiger ist, als Probleme zu bekämpfen.

Schodorf: Wir sprechen doch bereits seit Jahren über Energieeffizienz – Nachhaltigkeit ist doch im Grunde nur der darüber liegende Begriff. Wer energieeffizient arbeitet, ist nachhaltig. Klar ist: Nachhaltigkeit umfasst mehr als das, will auch Rohstoffe sparsam nutzen, will die Umwelt wo immer möglich entlasten. BWT hat sich entschlossen, das Unternehmen dazu entsprechend zu positionieren. Ausgangspunkt war unser Slogan „For You and Planet Blue“, der unsere Mission auf den Punkt bringt: Nämlich das Bestreben, als Unternehmen nachhaltig und verantwortungsvoll zu handeln – sowohl für die Bedürfnisse des einzelnen Menschen als auch für den Erhalt unserer Erde als einzigartigen Lebensraum. Nun konkretisieren wir das: reduce, reuse, recycle. „Aqa therm HSS“ ist ein klar definiertes Konzept in Sachen Nachhaltigkeit und Schutz der Anlagentechnik. Man könnte sogar sagen: mit „Aqa therm HSS“ kommt „retain“ (beibehalten) noch dazu.

Wie funktioniert Ihr Korrosions-Monitoring in Heizungsanlagen genau?

Willemen: Es geht im Grunde um eine vergleichende Messung. Ein Näherungssensor schaltet sich ein und identifiziert Metall in seiner Nähe, das ist der metallische Coupon. Wenn das Metall durch Korrosion an Masse abnimmt, identifiziert der Sensor durch den Vergleich der vorherigen Messungen eine Veränderung, konkret eine Schrumpfung des Metallplättchens im Mikrometerbereich. Anhand eines Algorithmus werden die Daten verglichen und es werden Trendberechnungen durchgeführt. Auf der Basis einer Kombination von Faktoren schlägt die Technologie dann rechtzeitig Alarm.

Schodorf: Auch in der VDI 2035 wird auf ein automatisiertes Überwachungssystem hingewiesen. Von Luftabscheidern, Schlammabscheidern, Magnetitfiltern steht da nichts geschrieben. Im Grunde geht es beim System „HSS“ um „Predictive Maintenance“: Ich messe permanent, um sich anbahnende Fehlzustände frühzeitig zu erkennen. Nicht zuletzt bleibt natürlich eine regelmäßige Wartung der Anlagentechnik weiter unerlässlich.

BWT bietet im Bereich Trinkwasser das System „Thermisch hydraulischer Abgleich und Monitoring durch Wasser-4.0-Technologie“ und nun im Bereich Heizungswasser das System „Aqa therm HSS“. Wird Monitoring zum Trend?

Schodorf: Ja, unbedingt! Und ganz neu ist es zudem nicht, wenn wir uns die Idee des „Smart Home“ anschauen: Das sind Sensoren, die über kluge Algorithmen und mit digital vernetzten Aktoren eine automatisierte Haustechnik realisieren. Der Nutzen: Vor allem ein Mehr an Komfort für die Bewohner des Hauses oder der Wohnung, zudem eine höhere Sicherheit/Verfügbarkeit der Technik und nicht zuletzt wirtschaftliche Vorteile. Das sind auch die Nutzenvorteile von solchen Systemen. Der digitalisierte thermische Abgleich sorgt für einen dauerhaften Schutz der Trinkwassergüte in Gebäuden: Eine intelligente Steuerung, die mit „Smart“-Ventilen in allen Leitungen der Trinkwasseranlage für gleiche Volumenströme und richtige Temperaturen sorgt, die Hygiene sicherstellt und dokumentiert. Und die elektronische Coupon-Überwachung „Aqa therm HSS“, welche per Dauerüberwachung mit frühzeitiger Alarmmeldemöglichkeit eine langfristige Werterhaltung und Schutz vor Korrosionsschäden bietet.

Das permanente Monitoring über digitale Werkzeuge ist die Lösung für viele bestehende Probleme in der Branche. Und wie viele Entwicklungen beim „Smart Home“ gezeigt haben, erfordern kluge Lösungen die Kooperation mit Partnern. In unserem Fall ist das Resus (HSS).

Dienstag, 13.12.2022