Die Studie "Was kostet die Energiewende" des Fraunhofer ISE zeigt mögliche Wege zu einem klimafreundlichen Energiesystem. Ihre Basis ist "REMod-D", das detaillierte intersektorale Simulationsmodell des deutschen Energiesystems einschließlich Verkehr und Prozesswärme. Um Szenarien für optimale Transformationspfade aufzuzeigen, bringt es Erzeugung und Bedarf für jeden Verbrauchssektor zu jeder Stunde eines Jahres in Einklang. Zielfunktionen und Randbedingungen sind dabei unter anderem minimale Kosten und Einhaltung des Klimaziels der Bundesregierung von 80 Prozent weniger CO!SUB(2)SUB!-Emissionen im Jahre 2050 gegenüber 1990.
Abb. 1 zeigt zwei miteinander zu kombinierende Wege, um diese Verringerung für den Wärmesektor zu erreichen.
Die Abszisse zeigt den Einfluss geringeren Wärmebedarfs durch baulichen Wärmeschutz, die Ordinate die Dekarbonisierung der Heiztechniken. Aus den Simulationen erscheint für das Zielsystem 2050 eine Reduktion des Wärmebedarfs zur Raumheizung des gesamten Gebäudebestands auf 45 bis 60 Prozent des heutigen Werts sinnvoll. Das schließt auch eventuelle Zuwächse an beheizter Gebäudefläche ein. Gleichzeitig sind die spezifischen CO!SUB(2)SUB!-Emissionen der Wärmebereitstellung auf 30 bis 35 Prozent des heutigen Werts zu reduzieren.
Heizungen und Häuser müssen also effizienter werden. Insgesamt errechnet "REMod-D" eine nötige Reduktion von 40 bis 50 Prozent des Primärenergiebedarfs im gesamten Energiesystem bis 2050. Dabei ist es sinnvoll, die Qualität der Energie, die Exergie, zu beachten. Exergie bezeichnet den Anteil der Energie, der in mechanische Arbeit umgewandelt werden kann. Ein optimiertes Energiesystem der Zukunft stellt Energiedienstleistungen auf der niedrigstmöglichen Stufe an Exergie bereit. Fossile Energieträger scheiden auch deshalb als Heiztechnik für die Zukunft aus, da ihr hoher Exergiegehalt für eine niederexergetische Dienstleistung verfeuert wird.
Heiztechnik der Zukunft
Gebäude verbrauchen in Deutschland rund 40 Prozent der Endenergie, davon gehen nach Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) mehr als vier Fünftel in Raumwärme und Warmwasser.
Abb. 2 zeigt, wie sich die Heiztechniken bis 2050 wandeln könnten, um die Klimavorgaben zu erfüllen.
Nach diesem Szenario würde zunächst die Nutzung von Ölkesseln auslaufen, im Weiteren die von Gaskesseln. Auch die Zahl der Biomassekessel sollte nach schwacher Zunahme ab 2040 deutlich abnehmen. Da ihr Potential begrenzt ist, wird die Biomasse dort eingesetzt, wo Speicherbarkeit und Exergiegehalt besser zum Einsatz kommen. Eine zentrale Rolle in der Heiztechnik der Zukunft spielen in diesem Szenario Wärmepumpen. Auch andere Studien gehen von einem starken Anstieg der Bedeutung der Wärmepumpen aus – wenn auch mit deutlich geringeren Anteilen wie dargestellt.
Gut geplante und installierte Wärmepumpenanlagen besitzen in geeigneten Anwendungsbereichen eine hohe Effizienz. Sie ist umso höher, je niedriger die Heiztemperatur ist. Wärmepumpen nutzen niederexergetische Umweltwärme, die nicht direkt für Heizzwecke genutzt werden kann. Sie brauchen zwar mit Strom hochexergetische Antriebsenergie, vervielfachen aber deren Nutzen durch Einbezug von Umweltwärme. In einem "Smart Grid" können Wärmepumpen zudem Netzdienstleistungen erbringen. So kann bei Stromüberschuss ein Wärmespeicher beladen und bei Strommangel die Wärmepumpe ausgeschaltet bleiben und Heizwärme aus dem Speicher bezogen werden.
Fokus auf Mehrfamilienhäuser
Von knapp 21 Millionen zentralen Wärmeerzeugern im Bestand waren laut Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie e.V. (BDH) 2016 rund vier Prozent Wärmepumpen. Bei Neubauten entschieden sich in demselben Jahr 40 Prozent der Bauherren von Ein- und Zweifamilienhäusern für eine Wärmepumpe als primären Wärmeerzeuger.
Bei Neubauprojekten im Mehrfamilienhausbereich liegt der Anteil mit 20 Prozent nur bei der Hälfte. Da laut der Deutschen Energie-Agentur GmbH (dena) Gebäude mit drei und mehr Wohneinheiten für knapp 40 Prozent des Endenergieverbrauchs aller Wohngebäude in Deutschland verantwortlich sind, ist es aus Sicht des Klimaschutzes wünschenswert, die Gründe für den zögerlichen Einsatz von Wärmepumpen im Mehrfamilienhaus zu untersuchen und möglichst zu beseitigen. Dies gilt umso mehr für Bestandsgebäude, deren Potential für CO!SUB(2)SUB!-Reduktion besonders hoch ist.
Der 2017 gestartete Projektverbund "LowEx-Konzepte für die Wärmeversorgung von sanierten Bestandsgebäuden (LowEx-Bestand)" soll Lösungen für den Einsatz von Wärmepumpen in (energetisch sanierten) Bestandsgebäuden in enger Kooperation mit Unternehmen entwickeln und demonstrieren. In einem Schirmprojekt "LowEx-Bestand" werden vom Fraunhofer ISE und dem KIT Lösungsansätze erarbeitet und im Verbundprojekt "LowEx Demo" entstehen in enger Zusammenarbeit mit Wohnungswirtschaft und Heizungsindustrie Demonstrationsobjekte. Im Rahmen des Annex 50 des Wärmepumpenprogramms der Internationalen Energieagentur IEA erfolgt ein Austausch zu den Erfahrungen in anderen Ländern. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie fördert das fünfjährige Projekt.
Der Fokus liegt auf der Entwicklung wirtschaftlich tragfähiger Ansätze für Heizung und Lüftung in Mehrfamiliengebäuden. Häufig steht die Komplexität von Sanierungsprozessen einer breiten Umsetzung neuer Lösungen im Weg. Ein wichtiger Arbeitsbereich in dem Projekt ist daher die systematische Vereinfachung von Sanierungsprozessen.
Ein Ziel des Projektverbunds ist die Erarbeitung einer umfassenden Matrix, die unterschiedlichen Gebäudetypen und Sanierungsstandards geeignete Systemkonzepte zuordnet. Hierbei werden neben unterschiedlichen Betriebsweisen der Wärmepumpe (monoenergetisch oder bivalentes System mit Gaskessel) verschiedene Ansätze der Trinkwassererwärmung, der Speichereinbindung und der Quellenerschließung für die Wärmepumpe betrachtet. Neben energetischen Untersuchungen des Gesamtsystems werden auch Komfortfragen im Zusammenhang mit Lüftung und Raumheizung Thema sein.
Für den Einsatz in Bestands-Mehrfamilienhäusern stellen hohe Temperaturen eine Herausforderung dar. Ein Grund für hohe Temperaturen im Trinkwasserkreis ist der Legionellenschutz. Hersteller werden deshalb im Projektverbund hocheffiziente Elektrowärmepumpen mit hohen Vorlauftemperaturen auch bei niedrigen Verdampfertemperaturen entwickeln.
Für den Einsatz von Wärmepumpen in Mehrfamiliengebäuden, insbesondere im städtischen Kontext, ist die Verfügbarkeit und Erschließbarkeit von Wärmequellen eine Herausforderung. Hierbei sind Multi-Quellen-Systeme eine Option, um die nötige Wärmemenge zu erschließen, wenn eine Wärmequellenart nicht ausreicht. So werden in dem Technologieprojekt "Heaven", das dem Projektverbund angegliedert ist, unter anderem Dimensionierungs- und Betriebsstrategien für ein Mehrquellensystem zur Einbindung des Erdreichs und der Außenluft entwickelt.
Gaswärmepumpen sind eine vielversprechende Technik, die in größeren Gebäuden mit Erdgasanschluss eine Alternative zum reinen Gaskessel-Betrieb bietet. Sie benötigen eine geringere Leistung der Wärmequelle als Elektrowärmepumpen bei gleicher Heizleistung. Sowohl Systeme mit Absorptions- als auch Adsorptionstechnologie sind vorgesehen.
Für die wirtschaftlichen Aspekte ist die Einbindung der Heizungserneuerung in den Sanierungsprozess wichtig. Dafür wollen die Projektpartner unter anderem Verfahren mit geringen Eingriffen in den Bestand optimieren. Dabei befinden sich die Leitungen für Heizmedien und Lüftung in der Fassade und reduzieren so Belästigungen für die Nutzer und Kosten für die Bauherren.
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Fortschritte bei Wärmepumpen im Einfamilienhaus
Bei den Arbeiten für Wärmepumpen im Mehrfamilienhaus kann das Fraunhofer ISE auf mehr als zwölf Jahre Monitoring von Anlagen in Einfamilienhäusern aufbauen. Vor Kurzem konnte das Institut das erste Jahr des neuesten Feldtests "WP-smart im Bestand" von Wärmepumpen in Bestandsgebäuden auswerten.
27 Anlagen haben mindestens elf Monate Einsatz hinter sich, am Ende des Projekts werden es 60 Anlagen sein. Die Gebäude sind älter als zwanzig Jahre; die meisten Häuser wurden in den Jahren 1950 bis 1995 gebaut. Der energetische Zustand reicht von unsaniert bis Neubaustandard, die Wärmeübergabesysteme umfassen Radiatoren, Konvektoren und Fußbodenheizungen. 15 Anlagen nutzen Außenluft als Wärmequelle, zwei davon werden bivalent, in Kombination mit einem fossilen Kessel betrieben. Keine der zwölf Erdreich-Anlagen besitzt einen fossilen Kessel, drei verfügen zusätzlich über Solarthermie.
Die Systemgrenze zur Bestimmung der Jahresarbeitszahlen schließt bei den "WPsmart"-Messungen folgende elektrische Verbraucher als Input ein: Wärmepumpe, Wärmequellenantrieb (Solepumpe bzw. Ventilator) und Heizstab. Der thermische Output wird vor dem Speicher gemessen. Die mittlere Jahresarbeitszahl JAZ beträgt 3,1 für Außenluft-Anlagen beziehungsweise 3,7 für Erdreich-Anlagen. Die JAZ liegen damit um 19 beziehungsweise zwölf Prozent über den Werten einer ähnlichen Messkampagne in Bestandsbauten vor rund zehn Jahren.
Im aktuellen Projekt sind die Heizkreistemperaturen in den Anlagen im Schnitt geringer als in dem damaligen Projekt und damit günstiger für einen effizienten Wärmepumpenbetrieb. Die Ursachen hierfür sind vielfältig. Zum einen haben die jetzt untersuchten Gebäude einen (leicht) geringeren Wärmebedarf und damit das Potential für geringere Heizkreistemperaturen. Zum anderen können verbesserte Auslegung und Installation die Betriebstemperaturen verringern. Einen weiteren Beitrag zur Anhebung der Jahresarbeitszahlen liefern die Verbesserungen der Effizienz der Geräte selbst.
Abb. 3 stellt die Außenluft-Anlagen, sortiert nach aufsteigenden Jahresarbeitszahlen, dar.
Die Grafik zeigt den Einfluss der Heizkreistemperaturen und den Anteil der Trinkwassererwärmung an der Wärmebereitstellung. Über alle Anlagen gemittelt liegen die mittlere Heizkreistemperatur bei 35 °C, die mittlere Speicherladetemperatur bei 46 °C und der Anteil der Trinkwassererwärmung bei 15 Prozent. Der Mittelwert der Jahresarbeitszahl beträgt 3,1.
Die Grafik zeigt auch, wie gering der Einsatz des Heizstabs ist. Neun Anlagen nutzten ihn gar nicht. Nur bei der Anlage mit der Nummer 14 lieferte er mit acht Prozent an dem Energiebezug für Heizstab und Verdichter einen signifikanten Anteil.
Abb. 4 zeigt die gleichen Auswertungen für die Erdreich-Anlagen.
Anlage Nummer 1 ist ein Ausreißer. Der Grund liegt in der hohen Vorlauftemperatur, die im Mittel bei rund 52 °C lag. Neun Anlagen kamen ohne Einsatz des Heizstabs aus. Anlage Nummer 6 hat einen außergewöhnlich hohen Einsatz des Heizstabs. Eine falsche Programmierung der Steuerung hatte hier unnötig lange Laufzeiten des Heizstabs zur Folge.
Fazit und Ausblick
Die Ergebnisse des neuesten Feldtests "WPsmart im Bestand" zeigen, dass auch ohne Sanierung Wärmepumpen in älteren Gebäuden klimafreundlich einsetzbar sind. Bis auf die Erdreich-Anlage Nummer 1 reduzieren alle Anlagen die CO!SUB(2)SUB!-Emission gegenüber einem Gas-Brennwertkessel mit 90-prozentiger Auslastung um 20 bis 60 Prozent. Als statische Emissionsfaktoren wurden bei der Betrachtung für das CO!SUB(2)SUB!-Äquivalent nach GEMIS 530 g/kWh bei Elektroenergie und 245 g/kWh bei Erdgas verwendet.
Die Erfahrungen aus über zwölf Jahren Monitoring zeigen, dass es auf Qualität in jedem Detail ankommt. Es ist besser, ein einfaches und robustes System fehlerfrei zu installieren, als eine Anlage mit der besten theoretischen Effizienz fehlerhaft laufen zu lassen.
Typische Problembereiche sind unter anderem mangelnde Wärmedämmung von Rohren und Anschlüssen, fehlender hydraulischer Abgleich, ineffiziente Ladepumpe, ungünstige Verschaltung mit dem Wärmespeicher sowie zu hoch eingestellte Systemtemperaturen.
In die Neufassung der VDI-Richtlinie 4645 "Planung und Dimensionierung von Heizungsanlagen mit Wärmepumpen in Ein- und Mehrfamilienhäusern" hat das Institut seine Erkenntnisse aus den Monitoringprogrammen und den Projekten in seinem "ServiceLab Heat Pumps and Chillers" eingebracht. Für dieses Labor ist 2018 die Akkreditierung geplant.
[1] Studie "Was kostet die Energiewende": www.ise.fraunhofer.de/was-kostet-die-energiewende
[2] Website zum Wärmepumpen-Feldtest "WPsmart im Bestand": https://wp-monitoring.ise.fraunhofer.de/wp-smart-im-bestand/german/index/index.html
[3] Website zum Projekt "LowEx-Bestand": www.ise.fraunhofer.de/de/forschungsprojekte/lowex-bestand-analyse.html
[4] Website zum "ServiceLab Heat Pumps and Chillers": https://www.ise.fraunhofer.de/de/servicebereiche/servicelab-heat-pumps-and-chillers.html
[5] VDI-Richtlinie 4645 "Planung und Dimensionierung von Heizungsanlagen mit Wärmepumpen in Ein- und Mehrfamilienhäusern"