Trotz Wärmewende und kontinuierlichem Umstieg auf Wärmeerzeuger für erneuerbare Energien sind fossile Heizsysteme in Deutschland bislang weit verbreitet.
Warum Abgasmesstechnik notwendig bleibt
Trotz Wärmewende und kontinuierlichem Umstieg auf Wärmeerzeuger für erneuerbare Energien sind fossile Heizsysteme in Deutschland bislang weit verbreitet.
Zwar führten Unsicherheiten bei Hausbesitzern im Rahmen der Diskussionen um das Gebäudeenergiegesetz (GEG) im ersten Halbjahr 2023 zu einem regelrechten Boom bei Wärmepumpen. Ein halbes Jahr später waren es aber wieder die fossilen Heizsysteme, die sich einer hohen Nachfrage erfreuten. Trotzdem reagieren erste Unternehmen und ziehen sich aus dem Markt der Abgasanalyse für Heizungsanlagen zurück. Dabei wird es auch in den nächsten Jahren bei Heizungssystemen kein „entweder oder“, sondern ein „sowohl als auch“ geben.
Fossil befeuerte Heiztechnik braucht Abgasmesstechnik. Nur dann können Anlagen effizient und emissionsarm arbeiten. Was aber, wenn Heizöl und Gase nicht mehr gebraucht werden? Diese Frage beantwortete ein Traditionsunternehmen für sich mit einem Schlussstrich: So gab die Dräger MSI GmbH Mitte Februar 2024 bekannt, dass man sich am Standort Hagen nach 40 Jahren aus dem Geschäft der fossilen Brennstoff-Abgasanalyse zum Ende dieses Jahres zurückziehen wird. Als Gründe wurden kurz und knapp die Sorge um eine langfristige Profitabilität durch die bevorstehende Energiewende und Änderungen in der Klimatechnik genannt.
Ein anderer namhafter Player in diesem Markt ist die Testo SE & Co. KGaA, Titisee-Neustadt. Auch dort hat man die Situation im vergangenen Jahr aufmerksam beobachtet, ist jedoch zu anderen Ergebnissen gekommen. Auf Nachfrage teilte man mit, man ist fest davon überzeugt, dass die Themen fossile Abgasanalyse und Gasdichtheitsprüfung das SHK-Fachhandwerk noch viele Jahre begleiten werden. „Wir stellen fest, dass die Lage auf dem Abgasmarkt weiterhin stabil und die Nachfrage nach unseren Produkten unverändert hoch ist. Für uns gibt es aktuell keinen Anlass, an der Herstellung und Weiterentwicklung unserer Abgasmessgeräte etwas zu ändern“, betont Dirk Göpfert, Director Product Management Instrumentation bei der Testo SE & Co. KGaA. „Im Gegenteil. Wir sehen grundsätzlich große Chancen in der Weiterentwicklung der Branche. Und mit unserem breiten Produktportfolio haben wir die passenden Messgeräte, sowohl für die Arbeit an Wärmepumpen als auch an Gas- und Ölheizungen.“ Aber woher rührt diese Zuversicht in einem Markt, der kaum einzuschätzen ist?
Wärmepumpen erlebten bis vor Kurzem einen regelrechten Nachfrageboom. Die Gründe waren der Beginn des Krieges in der Ukraine, die damit drohende Gasmangellage nebst Preisexplosionen und im vergangenen Jahr dann der hart eingeschlagene Kurs beim Gebäudeenergiegesetz (GEG) seitens des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).
Hätten sich damals die ersten Gesetzesentwürfe für das landläufig unter dem Namen „Heizungsgesetz“ bekannte Regelwerk durchgesetzt, wären zumindest nach politischem Willen alte Öl- und Gasheizungen in kürzester Zeit im Bestand außer Betrieb zu nehmen gewesen – ohne dabei die Konsequenzen für Betreiber bis zum Ende gedacht zu haben. So rückten im zweiten Halbjahr 2023 fossile Heizungen unerwartet in den Fokus. Hinzu kam eine andere Entwicklung: Denn wer im Bestand jetzt auf eine Wärmepumpe umstellen wollte, musste Lieferzeiten von bis zu einem Jahr in Kauf nehmen. Dies wiederum kollidierte mit einer noch unklaren Förderkulisse für Wärmepumpen, sodass der Absatz ins Stocken geriet und die Zahl der Förderanträge einbrach. Letztendlich entschieden sich viele Bestandskunden dafür, noch schnell ein neues Gasgerät oder einen Ölkessel einzubauen, bevor die alte Anlage zwangsweise auszutauschen gewesen wäre. So wurden insgesamt 790.500 neue Gas- und 112.500 Ölheizungen im gesamten vergangenen Jahr in Deutschland verkauft. So viele, wie seit 25 Jahren nicht mehr! In der letzten Dekade kamen rund sechs Millionen neue und fossil befeuerte Anlagen in den deutschen Privatkundenmarkt, die noch mindestens ein weiteres Jahrzehnt Abgasmessungen brauchen werden. Zumindest ist, Stand heute, davon auszugehen. Dazu gehören auch hybride Gasthermen oder auf Wasserstoff umstellbare Anlagen.
Hinzu kamen im letzten Jahr 49.500 Biomasse-Heizsysteme sowie 356.000 Wärmepumpen. Und wenngleich die klimapolitisch erhoffte Schallmauer von 500.000 Wärmepumpen nicht durchbrochen, sogar deutlich verfehlt wurde, erzielte auch dieser Markt einen nie dagewesenen Verkaufsrekord.
Bei Bestandsanlagen sind Gas- und Ölheizungen also nach wie vor weit verbreitet. So liegt der Anteil der fossilen Heizsysteme in Deutschland insgesamt bei rund 75 Prozent. Darüber hinaus ist die Sanierungsquote im Gebäudebestand inzwischen deutlich unter ein Prozent gesunken und weiterhin deutlich hinter den Erwartungen von zwei Prozent zurück. Dass die Energiewende noch immer nicht konsequent in deutschen Heizungskellern angekommen ist, mag mehrere Gründe haben.
Ein wichtiger davon ist mit Sicherheit der wirtschaftliche Aspekt. Denn die mit großem Abstand dominie-renden Gasheizungen sind beim Anschaffungspreis weiterhin deutlich günstiger als Wärmepumpen. Aber auch der durchschnittliche Erdgaspreis für Haushalte in Einfamilienhäusern mit einem Jahresverbrauch von 20.000 kWh ist zum Jahresbeginn 2024 gegenüber dem Vorjahr um 24 Prozent gesunken und beträgt durchschnittlich 10,68 ct/kWh.
Dass es beim Gaspreis in den nächsten Jahren keine preistreibende Änderung gibt, davon gehen neben dem Wirtschaftsministerium auch eine Reihe von Experten aus, sofern die geopolitische Sicherheitslage und damit die Versorgungssituation prognostizierbar bleiben. Gleichzeitig macht der Strompreis für Endkunden wenig Hoffnung auf günstigere Tarife.
Eine dritte Komponente, die gegen einen baldigen Rückgang bei der Nachfrage von Abgasanalysetechnik spricht, ist das Alter der fossilen Heizsysteme. Laut aktuellem GEG müssen zwar Gas- und Ölheizungen ersetzt werden, die vor dem 1. Januar 1994 eingebaut wurden und nicht bereits mit Niedertemperatur- oder Brennwerttechnik ausgestattet sind. Ausgenommen sind Heizgeräte mit weniger als vier und mehr als 400 Kilowatt Nennleistung. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hat aber Ende 2023 in der Studie „Wie heizt Deutschland 2023“ offengelegt, dass die Ölheizungen in deutschen Kellern durchschnittlich erst 17,7 Jahre und Gasheizungen 12,4 Jahren alt sind. Und nur ein Drittel der Heizungsanlagen sind 20 Jahre oder älter. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass sehr viele Anlagen im Bestand mit großer Wahrscheinlichkeit noch mindestens ein weiteres Jahrzehnt, viele darüber hinaus betrieben werden. Und erst zum 1. Januar 2045 ist per Gesetz dann endgültig Schluss mit fossil befeuerten Heizungsanlagen.
Es kann auch aus wirtschaftlichen Gründen sinnvoll sein, mit dem Heizungstausch noch zu warten. Zwar hat die Bundesregierung mit der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) ein ordentliches Förderprogramm mit bis zu 70 Prozent Prämie beim Tausch auf eine Wärmepumpe aufgelegt, hat ohne es zu bedenken aber gleichzeitig eine künstliche Bremse eingebaut. Denn der darin enthaltene „Geschwindigkeitsbonus“ über 20 Prozent der Investitionssumme kommt, Stand heute, erst dann zum Tragen, wenn selbst nutzende Hauseigentümer eine mindestens 20 Jahre alte funktionierende Gas-, Öl- oder Kohleheizung gegen eine Wärmepumpe tauschen. Zieht man jetzt die zuvor erörterte Bestandserhebung in Betracht, werden Betreiber in vielen Fällen gewiss erst noch einmal abwarten, bis diese 20 Jahre erreicht sind.
Ein letzter wichtiger Aspekt: Das ausführende SHK-Fachhandwerk befindet sich in einem Wandel. Der Wärmepumpen-Boom einerseits, aber weiterhin auch der Abgasmarkt und die fossilen Heizsysteme andererseits werden über die nächsten zwei Jahrzehnte in Deutschland einen großen Anteil an der Wärmeversorgung übernehmen. Die SHK-Fachbetriebe werden sich folglich sowohl mit Öl- und Gas- als auch mit erneuerbaren Heizsystemen auseinandersetzen. Hinzu kommen neue Aufgaben. „Zudem werden uns ein steigender Beratungsbedarf zu einem komplizierter gewordenen GEG und damit verbundene Beratungspflichten beschäftigen“, erwartet der Hauptgeschäftsführer des ZVSHK, Helmut Bramann. Und er glaubt, das wirklich große Thema der nächsten Jahre wird die Umsetzung des Wärmeplanungsgesetzes (WPG) werden. In beiden Gesetzen geht es um Beratungspflichten beim Um- bzw. Einstieg in alternative Heizsysteme. Und als fachkundige Personen kommen natürlich Installateure und Heizungsbauer in Frage. „Entscheidend ist für uns der Faktor Zeit. Wir unterstützen die Klimaziele der Bundesregierung. Wir schaffen deren Umsetzung im Wärmemarkt. Aber die zeitlichen Fristen hierfür müssen sich an dem Machbaren orientieren, das heißt, an den verfügbaren Fachkräften.“ Mit diesem Fazit präsentierte ZVSHK-Präsident Michael Hilpert bereits 2022 die Ergebnisse eigener Berechnungen. Das Resultat: Die Klimaziele der Bundesregierung mit einer Energiewende hin zu einem klimaneutralen Gebäudesektor wird mit dem vorhandenen Potential erst bis 2045 machbar sein.
Fasst man zusammen, bleibt festzuhalten, dass sich der deutsche Heizungsmarkt stetig, aber langsam hin zu emissionsarmen, emissionsfreien und klimafreundlichen Technologien wandeln wird. Dazu wer-den auch weiterhin Öl-, aber vor allem Gasgeräte gehören, die zunehmend hybrid oder komplett auf Wasserstoff umrüstbar sein werden.
Das Handwerk stellt sich darauf ein, braucht dafür das notwendige Fachwissen und ebenfalls das richtige Handwerkszeug, wozu Messtechnik für Abgase wie auch Geräte zur Dichtheitskontrolle für immer mehr Wärmepumpen gehören müssen.
[Autor: Dipl.-Ing. Achim Frommann]
Freitag, 09.08.2024