Virtuelle Messpunkte und das Prinzip der kaufmännisch-bilanziellen Durchleitung
Diesen Umweg will und kann Huber – meist zum Leidwesen der öffentlichen Versorger – auf gesicherter rechtlicher Grundlage abschneiden und erzielbare wirtschaftliche Vorteile daraus an die Mieter weitergeben. "Als Dienstleister sorgen wir bei der Eigenstromvermarktung im Objekt dafür, dass beim Stromverkauf kein zusätzlicher Aufwand, im laufenden Betrieb keine zusätzlichen Kosten entstehen und alles rechtlich abgesichert ist", beschreibt Huber einen Teil seines Angebot-Portfolios.
Tatsächlich kalkuliert Huber mit über 6.000 Betriebsstunden der beiden BHKW-Module. "Im Moment verbrauchen unsere Kunden etwa 300 kWh pro Tag", rechnet er vor. Dies entspricht einer Autarkie-Quote, also einem Grad der Selbstversorgung, von rund 80 Prozent. Über den virtuellen Messpunkt fließen maximal bis zu 10 kWh pro Nacht ins öffentliche Netz zurück. "Faktisch ist es aber so, dass diese Strommenge von den von uns nicht versorgten Kunden genutzt wird", beschreibt Huber die reale Situation. Tatsächlich verbleibt also der Eigenstrom vollständig in der Immobilie.
In der Vergangenheit funktionierte das Modell der Stromabrechnung über Einzelzähler, solange die Mietpartei mitmachte. Bei Mieterwechsel konnten neue Situationen entstehen. Die neue Mietpartei wollte ausschließlich vom EVU versorgt werden, verzichtete auf günstigeren Strom oder war an bestehende Lieferverträge gebunden. "Dann mussten Leitungen neu gelegt, Zähler neu gesetzt werden", weiß Michael Huber. Das Prinzip zweier parallel laufender Stromversorgungssysteme, die sogenannte "galvanische Trennung", hier ein Zähler für den vom BHKW oder der PV-Anlage erzeugten und selbst genutzten Strom – schon alleine wichtig, um den KWK-Bonus abrechnen zu können –, dort ein Zähler für den Bezug aus dem öffentlichen Netz, war beim Wechsel des Versorgungssystems in jedem Fall teuer, erforderte handwerkliches Know-how und jede Menge bezahlter Stunden.
Mit der Implementierung sogenannter Summen- oder Zweirichtungszähler und einer Ermittlung des exakten Stromverbrauchs jedes einzelnen Verbrauchers über virtuelle Messpunkte, ist das aufwändige handwerkliche Anpassen an verändertes Mieter- und Verbraucherverhalten hinfällig. Zu ermitteln ist neben dem von dem BHKW erzeugten und den jeweiligen Mietparteien genutzten Strom, jene Menge elektrischer Energie, die vom EVU zur Verfügung gestellt wird, wenn der BHKW-Strom nicht ausreicht oder dessen Überschuss ins öffentliche Netz zurückgespeist wird. Hinter dem Sammel- oder Summenzähler, der die bezogene und rückgespeiste Menge Strom misst, erfolgt dessen Verteilung innerhalb des Gebäudes. "Für uns ist das quasi ein eigenes Stromnetz, in das wir als Unternehmen ständig investieren", erklärt Huber.
Der virtuelle Messpunkt befindet sich indes vor dem Sammel- oder Summenzähler und ermittelt im 2-Sekunden-Takt für jeden Verbraucher den jeweiligen aktuellen Stromverbrauch (s. Grafik). Für die Mietparteien, die über eigene stets zugängliche Zähler ihre aktuellen Verbräuche mit minimalster Verzögerung "live" verfolgen können, bietet diese Lösung ein Höchstmaß an Transparenz. "Im Falle eines Mieterwechsels sind wir sogar in der Lage, mehr als minutengenau Strom dem alten Mieter vor dessen Auszug oder dem jeweiligen neuen Mieter mit dessen Einzug in Rechnung zu stellen", so Huber.
Spannend wird es für solche Mietparteien, die ihren Strom – aus welchen Gründen auch immer – vom EVU beziehen wollen oder müssen. Im Kehler-Objekt der Brüder Riel trifft dies auf den Bäckereifilialisten zu. Dessen Zentrale hat aufgrund hoher Verbrauchsvolumina sehr günstige Einkaufskonditionen für elektrische Energie in allen Standorten aushandeln können. "Da können wir nicht mithalten", räumt Michael Huber unumwunden ein. Aber: Auch dieser Verbraucher verfügt natürlich über einen eigenen Zähler, der sich indes hinter dem Summen- oder Sammelzähler befindet. "Am Ende des jeweiligen Abrechnungszeitraumes subtrahieren wir dessen Zählerstand von dem des Summenzählers und können so exakt dessen Verbrauch bestimmen", erklärt Huber das Funktionsprinzip der "kaufmännisch-bilanziellen Durchleitung".
Gesetzliche Grundlagen bestehen
Und: "Die EVU müssen Messungen über virtuelle Messpunkte akzeptieren", macht Michael Huber deutlich, dass Grundlagen über verschiedene Gesetze bereits geschaffen wurden – und im Markt tatsächlich Anwendung finden. Kleinere Versorger, wie örtliche Stadtwerke etwa, durchliefen derzeit, so Huber, einen Lernprozess. "Bei großen Versorgern, wie die Netze BW oder die Netze Mittelbaden, sind wir und unser System der Abrechnung über virtuelle Messpunkte schon bekannt."
So habe man für ein Immobilienobjekt, bei dem ein Stadtwerk als Contractor auftritt, die Stromvermarktung und dessen punktgenaue Abrechnung übertragen bekommen, "weil dieses Stadtwerk ausschließlich über die Wärmeseite abrechnen wollte", berichtet Huber. "Bei der Stromseite vertrauen sie lieber auf uns als ausgewiesene Fachleute."
Die "Jubelarien" auf Seiten der Versorger und jenen, die eigene Stromnetze betreiben, halten sich – naturgemäß – in Grenzen. "Allerdings müssen sie", so Huber weiter, "akzeptieren, wenn Messstellen-Betreiber, wie unser Partner Discovergy, über virtuelle Messpunkte abrechnen." Im Strommarkt mitzumischen und generierte wirtschaftliche Vorteile selbst zu nutzen, fördert die Konkurrenz. So habe eine Hausverwaltung in Stuttgart versucht, dieses Modell in Eigenregie umzusetzen, um sich den Dienstleister zu sparen. "Der Schuss ging allerdings nach hinten los", hat Huber erfahren. "Die haben sich vom Netzbetreiber über den Tisch ziehen lassen und mussten am Ende sogar noch draufzahlen."
Deutlich wird gerade an diesem Beispiel, wie wichtig der Kooperationsgedanke bei dem Modell der Eigenstromvermarktung bei dessen Umsetzung ist. In Kehl habe das Zusammenspiel "auf vorbildliche Weise funktioniert". Bauherr und Hausverwaltung seien von Beginn an im Boot gewesen, berichtet Huber. "Die Brüder Riel und die Mitarbeiter der Verwaltung waren begeistert von unserem Konzept, haben das mitgetragen und aktiv nach außen kommuniziert." Insbesondere in der Phase der Mieteranwerbung habe der Verweis einer eigenen, unabhängigen Stromerzeugung über Kraft-Wärme-Kopplung und die Nutzung dieses Stroms im Haus dazu geführt, dass nahezu alle diesem Vermarktungsmodell zugestimmt haben: 41 von 50 Mietparteien sowie acht von elf Gewerbeparteien. Das macht auch den Investoren Freude. "Dieses Modell ist eine perfekte Lösung", so Joachim Riel, "und zwar für uns als Bauherren und Investoren, wie auch für die Mieter und den Dienstleister selbst."
"Wir können vor allen Dingen deutlich machen, dass Blockheizkraftwerke keine unberechenbare Monster, teuer und kompliziert, sondern ganz gewöhnliche Heizkessel sind, die einfach nur zusätzlich Strom produzieren und deshalb extrem wirtschaftlich arbeiten", findet Michael Huber. "Und wir zeigen, dass der Verkauf selbst erzeugten Stroms im Mehrfamilienhaus kein Hexenwerk, sondern solides kaufmännisches und technisches Handwerk ist."
Weitere Informationen unter www.energiekonzept-ortenau.de und www.senertec-center.de