Erneuerbare Energien

Da geht noch mehr

Hochtemperatur-Wärmepumpen für industrielle Abwärme

Mittwoch, 13.04.2022

Die Planer von Produktionsketten für die Industrie entdecken die Hochtemperatur-Wärmepumpe (HTWP).

Das Bild zeigt eine Hochtemperatur-Wärmepumpe.
Quelle: Friotherm AG
Hochtemperatur-Wärmepumpe für industrielle Abwärme.

Das hat erstens etwas mit zunehmender Erfahrung mit Wärmepumpen generell zu tun, zweitens mit der zunehmenden Vorgabe der Auftraggeber, eine umweltschonende Lösung anzustreben sowie drittens mit zunehmenden öffentlichen Fördergeldern für klimaschützende Investitionen. Welche Ansätze bieten sich an, generell und exemplarisch in der Milchwirtschaft?

Viele Industrieprozesse benötigen Wärme auf einem Temperaturniveau zwischen 80 und 140 °C. Gleichzeitig fällt in den Unternehmen industrielle Abwärme im Temperaturbereich von 20, 30, 40 °C und höher an. Diese Niedertemperatur lässt sich energiekosteneffizient mit Wärmepumpen auf den höheren Bedarf „hochspannen“, wenn der Temperaturhub nicht mehr als 50 oder 60 K beträgt. Doch greifen generell, über alle Industriesektoren gesehen, nur wenige Planer auf dieses Potential zu, es sei denn, die Niedertemperatur lässt sich unbehandelt direkt in Prozesse einbinden. Aktuell sieht es in Deutschland so aus: Der Energieverbrauch der Industrie bewegt sich bei rund 4.000 Petajoule. 18 Prozent davon fallen im Temperaturband bis 150 °C an. Durch die Ausweitung des Temperaturspektrums der Wärmepumpen auf eine Vorlauftemperatur von über 120 °C kann mit ihnen das große, bisher weitgehend brachliegende Abwärmeangebot erschlossen und so ein signifikanter Beitrag zur Vermeidung von CO2-Emissionen erreicht werden, zieht eine umfangreiche Technik- und Marktanalyse zu den Einsatzmöglichkeiten von Hochtemperatur-Wärmepumpen (HTWP) in der Industrie, mit Stand 2020, ein sinngemäßes Fazit. Sie stammt von der Interstaatlichen Hochschule für Technik Buchs NTB in der Schweiz und dort vom Institut für Energiesysteme. Einige Punkte aus der Veröffentlichung folgen gleich. Vorab aber noch einige Gedanken zur Wärmepumpentechnologie:

Der entscheidende thermodynamische Kunstgriff der Wärmepumpe ist der, dass sie im Betrieb den Eingangsdruck und die Temperatur eines Kältemittels via Kompressor erhöht und so den Beginn der Rückkondensation von der ursprünglichen Verdampfungstemperatur abkoppelt. Sie verschiebt den Beginn der Kondensation in einen höheren Temperaturbereich hinein. Die anfallende Kondensationswärme als aus der Abwärme aufgenommene Verdampfungswärme wechselt in den Heizkreis-Rücklauf und hebt ihn so zum Vorlauf an. Insgesamt gesehen findet ein Wärmetransport von unten nach oben, von kalt nach warm statt, eigentlich eine physikalische Ungewöhnlichkeit, um es moderat auszudrücken.

Das Bild zeigt eine Statistik.
Quelle: Eurostat
Potential in Europa für industrielle Wärmepumpen.

Zwei technologische Ansätze

Im Prinzip orientiert sich die Konstruktion von HTWP deshalb an zwei Ansätzen: Der erste schaltet in ein und dem-selben Gerät zwei, drei oder vier Kältekreise, teils mit unterschiedlichen Standard-Kältemitteln und jeweils einem eigenen Kompressor hintereinander und kann so Quellentemperaturen von klassisch 0 bis 20 °C in Stufen auf 80 oder 90 °C „hochpumpen“. Da ist dann in der Regel Schluss. Der zweite Ansatz arbeitet mit speziellen Kältemitteln, deren Eigenschaften darauf abgestimmt sind, erst bei hohen Temperaturen oberhalb etwa 40 °C (Maschinenabwärme) zu verdampfen und Vorlauftemperaturen bis 150 °C zuzulassen.

In der ersten Gruppe dominieren bekannte Marken wie Buderus, iDM Energiesysteme, Hautec, Viessmann und andere. Der zweite Ansatz geht in Richtung Sonderkonstruktionen oder Spezialwärmepumpen. Die NTB hat sich vornehmlich eine Auswahl der infrage kommenden Maschinen dieses Prinzips mit einer Leistung von rund 50 kW bis 10 MW näher angeschaut. Und auch die Barrieren für die Verbreitung. Die Studienbearbeiter sehen erstens eine Skepsis auf Grund des Mangels an Wissen und Erfahrung mit solchen Aggregaten. Des Weiteren bremsten niedrige Energiepreise für fossile Brennstoffe den Einsatz aus und auf Industrieseite sei die HTWP deshalb nur eine Nische, weil sich das Angebot von Kältemitteln mit geringem Treibhauspotential für diesen Temperaturbereich in Grenzen halte beziehungsweise die verfügbaren Kältemittel hohe Ansprüche an die Konstruktion stellten. Der gemessene COP-Wert der verschiedenen industriellen Maschinen bewegt sich zwischen 2,4 und 5,8 bei einem Temperaturhub von 40 bis 95 K. Dr. Cordin Arpagaus von der NTB listet in der 115-seitigen Recherche die hauptsächlichen Abnehmer auf: Chemie/Pharma, Lebensmittel, Metalle, Papier. Er stützt sich dabei auf Daten der Eurostat ab, dem Statistischen Amt der Europäischen Union. Demnach können HTWP alleine im Sektor Lebensmittel und Getränke einen Wärmebedarf von rund 150 PJ decken und zwar in den Bereichen Trocknung, Verdampfung, Pasteurisierung, Sterilisierung, Destillation, Räuchern sowie Aufkonzentration.

Galerie

  • Hochtemperatur-Wärmepumpe für industrielle Abwärme.
  • Potential in Europa für industrielle Wärmepumpen.
  • Heizleistungen von Hochtemperatur-Wärmepumpen in Abhängigkeit von der maximalen Vorlauftemperatur.
  • Gemessener mittlerer COP absolut und in Prozent, bezogen auf das Maximum.
  • Betriebstemperaturen und möglicher Einsatz von Hochtemperatur-Wärmepumpen (blau und gelb) in einigen ausgewählten Sektoren.
Von Bernd Genath
Düsseldorf
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