Im Bereich der Kontrollierten Wohnraumlüftung (KWL) sind seit einiger Zeit unterschiedliche Marktentwicklungen zu beobachten. Bei den zentralen Wohnraumlüftungssystemen mit Wärmerückgewinnung (WRG) stieg der Absatz in 2017 noch um acht Prozent auf 53.500 Geräte. In 2018 gab es jedoch einen Dämpfer um vier Prozent auf 51.500 Geräte und vergangenes Jahr wurden 50.500 Geräte abgesetzt (Quelle: BDH). Bei den dezentralen Wohnraumlüftungsgeräten mit Wärmerückgewinnung hingegen ist die Nachfrage im Vergleichszeitraum kontinuierlich gestiegen: in 2017 um 21 Prozent auf 179.000 Geräte, in 2018 um zwölf Prozent auf über 200.000 Geräte und in 2019 um sieben Prozent auf 212.000 Geräte. Wie haben Sie das Marktgeschehen im letzten Jahr erlebt und welche Erwartungen haben Sie an das neue Jahr?
Michael Merscher, Mitglied der Geschäftsleitung bei der Lunos Lüftungstechnik GmbH: Das Jahr 2019 war für Lunos ein sehr erfolgreiches Jahr, in welchem wir überdurchschnittlich gewachsen sind und die von uns selbst gesteckten Ziele übererfüllt haben. Speziell der Bereich dezentraler Lüftungsgeräte mit Wärmerückgewinnung hat sich im In- als auch im Ausland sehr positiv entwickelt. Auch im Jahr 2020 sehen wir für uns und unser Marktsegment eine positive Entwicklung. Wir erwarten weiter ein Wachstum.
Apropos "neues Jahr": 2020 läutet bekanntlich ein neues Jahrzehnt ein und gilt in Deutschland als klima- wie energiepolitisch entscheidend. Wie beurteilen Sie die Inhalte des sogenannten Klimaschutzpaktes, welches kurz vor Weihnachten die entscheidende Hürde im Bundesrat genommen hat?
Merscher: Grundsätzlich hält sich Lunos bei politischen Themen sehr zurück, da Politik und Wirtschaft oft nicht zu 100 Prozent kompatibel sind. In diesem speziellen Fall jedoch können auch wir vom Klimaschutzpaket behaupten, dass unsere Regierung hier mit etwas mehr Mut an dieses Thema hätte herangehen können. Deutschland ist technologisch so weit und definitiv weltweit führend, dass auch weitergehende und stärkere Maßnahmen problemlos hätten umgesetzt werden können. Und gerade in Zeiten von "Negativzinsen" ist jeder gut beraten, sein Geld in nachhaltige Projekte zu investieren. Viel mehr als ein kleiner weiterer Schritt in die richtige Richtung ist dieses Paket aber leider nicht.
Neben der Verteuerung fossiler Energieträger für die Wärmeversorgung wird das Klimaschutzpaket der Bundesregierung auch die energetische Sanierung von Wohngebäuden stärker als bisher unterstützen. Einer von mehreren neuen Förderbausteinen ist, seit dem 1. Januar 2020, die steuerliche Absetzbarkeit von energetischen Sanierungsmaßnahmen. Inwiefern wird der Markt speziell für Systeme und Lösungen der dezentralen Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung hiervon profitieren?
Merscher: Lunos ist seit mehr als 60 Jahren am Markt aktiv und "kommt aus der Sanierung". Das heißt, viele unserer Produkte sind speziell für Sanierungen entwickelt und wir haben sehr gute Kontakte in die gesamte Branche. Trotzdem ist der Sanierungsbereich speziell der Lüftungstechnik quasi "verschlossen". Nur ganz spezielle Geräte werden in einigen wenigen Projekten eingesetzt. Ein guter Teil liegt hier sicherlich beim Geld und der Tatsache, dass man die Wohnung eher durch höherwertige Ausstattung als durch Energieeffizienzprodukte gewinnbringender vermieten kann. Wir werden sehen, ob diese Maßnahme im Bereich der Lüftung einen Effekt hat. Von meinem Gefühl her würde ich eher sagen, dass der Effekt eher gering ausfallen wird.
Bleiben wir noch einen Moment beim Thema Gesetzgebung: Das Bundeskabinett hatte Ende Oktober 2019 den Entwurf für das Gebäudeenergiegesetz (GEG) beschlossen, welches die aktuell noch parallel laufenden Regeln (Energieeinsparungsgesetz EnEG, Energieeinsparverordnung (EnEV) und Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz EE-WärmeG) zusammenführen soll. Wird das kommende GEG dem Thema "lüftungstechnische Maßnahmen" aus Ihrer Sicht mehr Aufmerksamkeit schenken?
Merscher: Ich denke nicht. Wir haben mit großen Marktteilnehmern im Baubereich gesprochen und der Tenor ist, dass sich durch das GEG "nichts ändern wird". Soll heißen, die Gebäude werden weder anders geplant noch anders ausgestattet als bisher. Derjenige, der Lüftung auch bisher verbaut hat, hält daran fest, jemand, der es bisher nicht gemacht hat, will dies auch zukünftig nicht tun. Zumindest nicht aufgrund der Anforderungen des GEG. Hier gibt es andere Gründe, eine (dezentrale) Lüftungsanlage einzusetzen.
Auch die normativen Grundlagen in Sachen Wohnraumlüftung haben jüngst eine Überarbeitung erfahren. Was halten Sie als Hersteller dezentraler Lüftungsgeräte von den Änderungen/Aktualisierungen in der DIN 1946-6 und DIN 18017-3?
Merscher: Eine ganz ehrliche Meinung? Es ist schade, was hier veröffentlicht wurde. Die Berechnungen sind noch komplizierter geworden, mehr Faktoren, die keiner wirklich begründen kann, und Maßnahmen werden beschrieben, welche in der Praxis nichts verloren haben. Technisch sind die Möglichkeiten der Normung um Jahre voraus. Man hat es (wieder einmal) nicht geschafft, diese Möglichkeiten in der Normung entsprechend umzusetzen. Sensorbasierte Lösungen mit abschaltbaren Lüftungsgeräten sind heute der Standard – diese Geräte laufen nur dann, wenn es wirklich erforderlich ist. Die Überarbeitungen haben hier aber die Anforderungen sogar so verändert, dass diese Möglichkeiten überhaupt nicht mehr zum Tragen kommen und sogar noch mehr Energie verschwendet wird als vorher schon. Eine hundertprozentige Umsetzbarkeit der Normen war schon vorher nicht oder nur eingeschränkt möglich, nun wird es noch undurchsichtiger. Und ich denke, das Vertrauen in diese Art der Normung wird durch diese Überarbeitungen nicht unbedingt gestärkt.
Wieweit sehen Sie im Allgemeinen noch Handlungsbedarf beim Thema Qualitätssicherung für Planung, Umsetzung und Betrieb der dezentralen Wohnraumlüftung?
Merscher: Das ist ein großes Thema. Wir beschäftigen eine komplette Abteilung mit Ingenieuren, Technikern und anderen Fachleuten, welche Planer und Architekten bei der Planung und Umsetzung der Lüftungsanlagen unterstützt. Die Anforderungen an uns als Hersteller werden hier immer größer und der Beratungsaufwand steigt kontinuierlich. Auch im Bereich der Umsetzung und dem Betrieb der Anlagen muss noch viel passieren: Planer und Installateure haben, unter anderem aufgrund des Personalmangels, kaum noch Zeit, sich mit der Materie auseinanderzusetzen und es passieren Fehler, die hätten vermieden werden können. Aus- und Weiterbildung ist hier das Mittel der Wahl.
Wie lauten die technischen Trends und Entwicklungen im Bereich der dezentralen Wohnraumlüftung, die uns in den nächsten Jahren begleiten werden – z.B. Sensor- und Regelungstechnik, Vernetzung mit heiztechnischen Komponenten?
Merscher: Vernetzung oder "Smart Home" kennt (fast) jeder oder hat zumindest schon mal davon gehört. Es gibt hier tolle Entwicklungen. So kann man schon mit den ersten Lüftungsgeräten per Sprache kommunizieren oder per "Geofencing" und Smartphone das Lüftungsgerät automatisch so betreiben, dass es noch energiesparender ist. Wir sehen aber aktuell das Thema Feinstaubfilterung oder Schallschutz als deutlich wichtiger und interessanter an. Gebäude werden an immer "unmöglicheren" Standorten mit teils schon fast absurden Anforderungen errichtet. Zum Beispiel direkt an einer ICE-Strecke, an vielbefahrenen Straßen oder in Einfluggebieten an Flughäfen. Die dort gestellten technischen Anforderungen steigen und müssen erst einmal erfüllt werden.