Die Wärmepumpe hat den Durchbruch geschafft, aber ist der Aufschwung schon stabilisiert?
„Die Zeit der Wärmepumpe ist da!“
Interview mit Dr. Nicholas Matten, Geschäftsführer von Stiebel Eltron
Freitag, 15.07.2022
Dr. Nicholas Matten, Geschäftsführer von Stiebel Eltron, warnt im HeizungsJournal-Interview vor vorschneller Zufriedenheit und zeigt auf, wo Handlungsbedarf besteht: bei der Erklärung der Technologie, bei der Unterstützung des Fachhandwerks und nicht zuletzt auch beim Image der SHK-Berufe. Sicher ist für ihn jedoch, dass die Wärmepumpenhersteller die steigende Nachfrage werden bedienen können – und dass grüner Wasserstoff keine echte Heizungsalternative ist.
Herr Dr. Matten, Stiebel Eltron ist ein Pionier der Wärmepumpe und hat schon 1976 das erste System auf den Markt gebracht. Der große Durchbruch hat gleichwohl auf sich warten lassen, die Technologie führte lange Zeit ein Nischendasein. Jetzt aber geht alles ganz schnell: Die Klimaschutzbewegung und ein radikales politisches Umdenken haben die Wärmepumpe im Heizungsmarkt nach vorne gespült. Bis 2030 soll es bundesweit sechs Millionen Wärmepumpen geben. Müssen Sie sich manchmal kneifen?
Um sicherzugehen, dass das real ist? Nein, das nicht. Aber ich verstehe natürlich, worauf Sie hinauswollen: Es ist schon bemerkenswert, wie Widerstände, an denen man sich jahre-, wenn nicht jahrzehntelang abgearbeitet hat, quasi über Nacht zusammengebrochen sind. Wir haben die Wärmepumpe wieder und wieder erklärt, wir haben für ihren Erfolg gekämpft, und jetzt ist klar: Die Zeit der Wärmepumpe ist da und kann nicht mehr wegdiskutiert werden. Es wäre jedoch wünschenswert gewesen, wenn diese Zeit früher begonnen hätte – denn jetzt eilt es.
Werfen wir mal einen Blick auf die Ausgangssituation: Schon die Große Koalition hat mit der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) für einen spürbaren Schub Richtung Wärmepumpe gesorgt. Die Ampelparteien haben dann im Koalitionsvertrag festgelegt, dass ab 2025 jede neue Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden muss, was einem De-facto-Verbot neuer Öl- und Gasheizungen gleichkommt. Der Krieg in der Ukraine schließlich hat verdeutlicht, dass die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern so schnell wie möglich beendet werden muss, weshalb das 65-Prozent-Ziel jetzt sogar schon ab 2024 gelten soll. Hat die Wärmepumpe damit freie Bahn? Ist die Technologie jetzt quasi ein Selbstläufer?
Fakt ist, dass ein klarer Bewusstseinswandel eingetreten ist – sowohl in der SHK-Branche als auch in der Politik und bei den Verbrauchern. Insofern hat die Wärmepumpe tatsächlich freie Bahn – das heißt aber nicht, dass sie ein Selbstläufer wird. Zwar wurde 2021 im Neubau erstmals die 50-Prozent-Schwelle überschritten, mehr als die Hälfte aller in neu errichteten Gebäuden installierten Heizungen waren also Wärmepumpen. Wir selbst konnten unseren Umsatz schon 2020 trotz Pandemie deutlich auf 700 Millionen Euro steigern und haben damit ein Umsatzplus von 18 Prozent erzielt – getrieben hauptsächlich durch den Absatz von Wärmepumpen. 2021 wurden diese Zahlen nochmals übertroffen und ein Ende des Aufschwungs ist nicht in Sicht, weil es jetzt auch im Bestand massive Bewegung gibt und weiter geben wird. In den nächsten Jahren müssen hier über zwölf Millionen Heizungen ausgetauscht werden und die neuen Heizsysteme werden meist Wärmepumpen sein. Dennoch machen Wärmepumpen aktuell erst rund fünf Prozent der Heizungen in Deutschland aus, Gas- und Ölheizungen zusammen hingegen rund 75 Prozent. Allein diese Zahlen zeigen: Wir haben noch sehr viel Arbeit vor uns – sowohl in den Köpfen als auch im Heizungskeller.
Was meinen Sie mit „noch viel Arbeit in den Köpfen“? Haben Sie Zweifel, dass der Bewusstseinswandel von Dauer sein wird?
Nein, das nicht. Ein Zurück wird es nicht mehr geben. Aber ich würde dennoch raten, die Beharrungskräfte nicht zu unterschätzen – und auch nicht die Eigenheiten des politischen Prozesses. Wir wissen beispielsweise nicht, welche Widerstände den Koalitionsvorhaben womöglich im abschließenden Gesetzgebungsverfahren begegnen – und sei es aus reiner Machttaktik. Politik ist Politik. Jede Novelle des EEG muss durch die Länderkammer und dort sind die Ampelparteien nicht mehr die einzigen Spieler. Auch die Öl- und Gaslobby ist noch immer sehr stark und weiß ihre Einflusskanäle zu nutzen. Hinzu kommen Unkenntnis und Missverständnisse. Wie oft selbst in Leitmedien das Funktionsprinzip der Wärmepumpe falsch erklärt wird, weil es einfach nicht richtig verstanden wurde – das ist schon bedauerlich. Das Ergebnis ist dann nicht selten ein Verbraucher, der unnötig verunsichert wurde.
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