Bis zur „Fridays for Future“-Bewegung und dem epochalen Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 29. April 2021 waren solche Überlegungen Utopien ohne eine Chance auf gesellschaftliche Konsensfähigkeit. Seit zu den jüngst per Regierungsprogramm beschlossenen CO2-Reduktionen und der als Pandemiefolge fortschreitenden „Stagflation“ auch noch ein Wirtschaftskrieg gegen Russland begann, weil Putin einen Aggressionskrieg gegen die Ukraine riskierte, scheint es angesichts wachsender Versorgungsängste und explodierender Energiepreise an der Zeit, auf das Potential, das in der Solarthermie bisher verborgen liegt, einmal deutlicher hinzuweisen. Denn es geht nun nicht mehr darum, CO2 durch Zertifikatehandel nur virtuell oder durch Ignorierung der Nichtgleichzeitigkeit des Bedarfs an und der Verfügbarkeit von Sonnenenergie nur bilanziell, sondern ganz ehrlich und nachhaltig zu vermeiden.
Kleine Versorgungseinheiten wie Einfamilienhäuser
Die Verteilung des Wärmebedarfs ist für alle Nutzereinheiten, vom EFH bis zur Großstadt, ähnlich. Gleiches gilt für die Verteilung des Solarangebotes. Leider verhalten sich Wärmebedarf und Solarangebot zeitlich sehr asynchron. Die Sonne scheint tagsüber, das meiste Warmwasser wird gegen Morgen und abends gebraucht. Sie scheint am wenigsten, wenn von Herbst bis Frühjahr Heizwärme gebraucht wird. Ganz ohne Speichertank kann man beim EFH kaum Sonne nutzen, bei großen Fernwärmenetzen aber auch nur etwa fünf Prozent des Jahresbedarfes, weil das Netz hier einen kleinen Speicher darstellt und der Bedarf niemals ganz verschwindet. Den solaren Deckungsgrad kann man mit Kurzzeitspeichern weitgehend unabhängig von der Anlagengröße rasch steigern. Dabei spielt jedoch die energetische Effizienz der Verbraucher eine entscheidende Rolle. Wenn, wie bei einem Passivhaus, anteilig nur wenig Wärme zum Heizen gebraucht wird, helfen Kurzzeitspeicher viel wirksamer als bei einem Altbau oder einem Wärmenetz mit vielen unsanierten Altbauten. Deshalb ist es technisch relativ einfach, ein Passiv- oder Niedrigenergiehaus zu über 50 Prozent mit Solarwärme zu versorgen. Das gilt ebenso für moderne Fernwärme-Netze (FW-Netze) mit geringen Verlusten und hoher Anschlussdichte, welche aber leider ebenso wie Passivhäuser im Bestand noch große Ausnahmen bilden. Beim Passiv-EFH reichen dafür pro Megawattstunde Jahreswärmebedarf bereits etwa ein Quadratmeter Kollektorfläche mit Vakuumkollektoren und ein Kombispeicher (für Warmwasser und Heizen) mit ca. 0,05 m³ aus.
Beim Standardhaus mit 18 MWh/a ergibt sich ein Preisminimum von ca. 42.000 Euro bei 45 m² Kollektorfläche und 2 m³ Speicher, was auf 25 Jahre einen stolzen Solarwärmepreis von 186 €/MWh ergibt. Auf die Berücksichtigung von Fördereffekten soll hier und im Weiteren verzichtet werden.
Voraussetzung dafür ist, dass die Kollektoren den Speicher immer thermisch schichtend mit seiner zulässigen Höchsttemperatur laden und dass die Solaranlage jederzeit abschalten darf, wenn der Speicher voll ist. An etwa 130 Tagen im Jahr beendet eine solche Anlage das Einspeisen vor Sonnenuntergang, weil mehr Sonnenwärme nicht gebraucht wird, und geht in die sogenannte Stagnation. An kalten, sonnigen Wintertagen hingegen decken die Kollektoren zwar einen großen Teil des Wärmebedarfs, jedoch wird der Speicher so gut wie nicht gebraucht, da die Wärme unmittelbar genutzt wird. Für solche Anlagen gibt es inzwischen seit Jahrzehnten Beispiele. Die Besitzer solcher Anlagen sind echte Pioniere, denn sie schauten kaum auf den Wärmepreis. Heute wird dieser immer mehr zu einem angenehmen Ruhekissen, denn er ist für viele Jahre schon im Voraus bezahlt.
Skalierung – der Zusammenhang zwischen Menge und Preis
Eine Solarthermie-Anlage besteht aus einem Kollektorfeld inkl. Pumpen, Druckhaltung, Stagnationsmanagement und Anbindung an die Haustechnik bzw. an das Quartiers- oder an das FW-Netz und aus einem Speicher inkl. Wärmedämmung und Anbindung an das System. Die Kosten beider Komponenten unterliegen einer unterschiedlichen Skalierung. Folgende Abbildungen zeigen Richtwerte, wie hoch die Investitionskosten für ein Kollektorfeld und Speicher sind. Bei kleinen Anlagen ist Speichern so teuer, dass es ökonomischer ist, Solarwärme zu verschenken und höhere solare Deckungsgrade lieber mit mehr Kollektorfläche zu erzielen, was gemäß Abb. 1 technisch auch zielführender ist.