Erneuerbare Energien

Die Zeit ist überreif

Freitag, 18.11.2022

Beim Kollektorfeld ist der Preis nur eine Frage der Größe. Beim Speichern jedoch ändert sich mit der Größe auch die Technologie. Es gibt Kombispeicher bis ca. 3 m³ und Druckspeicher bis ca. 100 m³, drucklose Stahlspeicher bis knapp 100.000 m³ und darüber vor allem Erdbeckenspeicher, wenn man von Besonderheiten wie Aquifer-, Erdsonden- oder Kavernenspeichern einmal absieht. Dadurch umfasst der spezifische Speicherpreis (pro m³ oder pro MWh Speicherkapazität) fast drei Zehnerpotenzen im Größenbereich von sieben bis acht Zehnerpotenzen. Der spezifische Kollektorfeldpreis bewegt sich dabei hingegen nur etwa um Faktor 4. Die Preise sind schon ungefähr bekannt, weil die Technik nicht mehr erfunden werden muss.

Das Bild zeigt eine Grafik Wärmenetz.
Quelle: Meißner, Ritter XL Solar, AdobeStock
Wärmenetz mit 10 TWh/a (Großstadt mit 3-4 Mio. EW): 2,5 m²/MWh und 0,1 m³/MWh.

Wärmeverluste von Speichern

Kleine Speicher sind auch wegen ihrer Wärmedämmung teuer. Je kleiner ein Speicher ist, umso besser muss er gedämmt werden. Trotz sehr teurer Wärmedämmung verliert ein typischer Speicher für das EFH im Jahr etwa 10-mal seinen gesamten Wärmeinhalt an die Umwelt, während ein sehr großer Erdbeckenspeicher mit minimaler oder ganz ohne Dämmung nur wenige Prozent seiner Wärme abgibt.

Das Bild zeigt eine Grafik.
Quelle: Meißner, Ritter XL Solar, AdobeStock
Wärmenetz mit 10 TWh/a (Großstadt mit 3-4 Mio. EW): 1 m²/MWh und 3,8 m³/MWh.

Große Versorgungseinheiten wie Städte

Betrachtet man nun das Wärmenetz einer Großstadt mit einem Jahreswärmebedarf von 10 Terawattstunden für etwa drei bis vier Millionen Einwohner und wählt wieder eine Kollektorfläche von 2,5 m²/MWh und mit 0,1 m³/MWh (wobei das Netz vernachlässigt wird) nur einen winzigen Speicher, dann erreicht die Solardeckung auch wieder mehr als 50 Prozent. Bei der Kollektorfläche von 25 Mio. m² (= 25 km²) und der „minimalistischen“ Speichergröße von 1 Mio. m³ schluckt mancher vielleicht erst einmal und erst recht, wenn man bedenkt, dass diese Anlage an 160 Tagen im Jahr vor Sonnenuntergang abschalten müsste und einen Solarwärmepreis von immerhin noch etwa 50 Euro/MWh hätte. Dabei kämen hier 99 Prozent des Wärmepreises auf die Kollektoren und nur ein Prozent auf den Speicher.

Deshalb liegt es nahe, beim gleichen Solardeckungsgrad die Kollektorfläche – und damit maßgeblich den Flächenbedarf – zu verkleinern und den Speicher zu vergrößern. Bei 1 m² pro MWh bzw. 10 km² und 3,8 m³ pro MWh bzw. 38 Mio. m³ ergibt sich ein Wärmepreisminimum unter 30 Euro/MWh. Die Investition von 3,3 Mrd. Euro ginge zu 84 Prozent in die Kollektoranlage und zu 16 Prozent in den Erdbeckenspeicher. Dann gibt es auch nur noch wenige Stagnationstage. Als Erdbeckenspeicher hätte dieser bei 100 m Tiefe einen Durchmesser von 700 m. Das klingt zwar gewaltig, aber Kollektorfläche und Speicher zusammen beanspruchen dann trotzdem weniger als drei Prozent der Fläche des Versorgungsgebietes und könnten sich am Rande der Stadt über mehrere Flächen verteilen.

Der Wärmepreis erweckt Neugier darauf, ob auch Solarautarkie bezahlbar wäre. Tatsächlich erreicht man dies mit einem Speicher von ca. 14 m³/MWh und einer Bruttokollektorfläche von 2 m²/MWh bei einem Wärmepreis von weniger als 26 Euro/MWh. Warum soll man sich also mit 50 Prozent zufriedengeben, wenn die Solarautarkie sogar günstiger ist. Der Flächenbedarf würde sich zwar fast noch einmal verdoppeln, bliebe aber sehr klein gegenüber der Versorgungsfläche – zum Beispiel für Berlin mit 9,6 TWh Fernwärme und 891 km² Fläche wären etwa 35 km² Solaranlage weniger als vier Prozent. Mit einer Investition von 6,4 Mrd. Euro hätte diese Großstadt ihre Fernwärme für die nächsten 25 Jahre im Voraus bezahlt.

Das Bild zeigt eine Grafik.
Quelle: Meißner, Ritter XL Solar, AdobeStock
Wärmenetz mit 10 TWh/a: ca. 2 m²/MWh und ca. 14 m³/MWh.

Speicher und Wärmepumpen

Die größte Unbekannte in dieser Rechnung ist die thermische Schichtung des Saisonalspeichers. Diese kann nicht über Wochen und Monate halten. Wenn sich der Speicherinhalt allmählich vermischt, bleibt zwar die Wärme erhalten, kann aber für das Fernwärmenetz nicht mehr 1:1 genutzt werden, sobald die Temperatur oben im Speicher unter den Sollwert des Wärmenetzes fällt. Diesen Prozess müssen Wärmepumpen (WP) kompensieren. Diese Regenerierung des Speichers von etwa 75 auf etwa 90 °C würde bei COP- bzw. JAZ-Werten von über 5 geschehen und nur wenige Prozent des Jahresbedarfs an Hilfsenergie ausmachen. Die solare Speicherladung erfolgt bis auf wenige Ausnahmen grundsätzlich schichtend von oben mit knapp 100 °C. Das können nur Vakuumkollektoren.

Galerie

  • Kollektorflächen- und Speicherbedarf für hohe Solardeckungsgrade beim Einfamilienhaus. Im Bild: „Solarthermiehaus Abrecht“ von 1993 mit transparenter Wärmedämmung.
  • EFH mit Kombispeicher, Jahresbedarf von 18 MWh: 2,5 m²/MWh und 0,1 m³/MWh.
  • Skalierung der Kollektor- und Speicherpreise.
  • Einsatzbereich, Eigenschaften, Dämmung und Wärmeverluste verschiedener Speichertypen.
  • Wärmenetz mit 10 TWh/a (Großstadt mit 3-4 Mio. EW): 2,5 m²/MWh und 0,1 m³/MWh.
  • Wärmenetz mit 10 TWh/a (Großstadt mit 3-4 Mio. EW): 1 m²/MWh und 3,8 m³/MWh.
  • Wärmenetz mit 10 TWh/a: ca. 2 m²/MWh und ca. 14 m³/MWh.
  • Eine Wärmepumpe regeneriert bei Bedarf die Wärme im Erdbecken-Saisonalspeicher.
  • Wärmenetz mit 5 GWh/a: 2,9 m²/MWh und 17 m³/MWh.
  • Solarwärmepreise für verschiedene Anlagengrößen und Solardeckungsgrade ohne Förderung.
  • Wärmepreisoptimierte Speichergröße für verschiedene Anlagengrößen und Solardeckungsgrade.
  • Stagnationstage für verschiedene Anlagengrößen und Solardeckungsgrade.
  • Flächen- und Raumbedarf im Technologievergleich.

Autoren dieses Artikels

Rolf Meißner
Leiter Forschung & Entwicklung, Ritter XL Solar
Stefan Abrecht
Solar Experience GmbH
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