Gerade das Wörtchen „Sektorenkopplung“ wurde denn auch etwas intensiver diskutiert und von den teilnehmenden Experten durchaus unterschiedlich interpretiert:
Alexander Bourgett, Leiter Software Entwicklung bei der eSystems MTG GmbH, betonte in diesem Zusammenhang: „Sektorenkopplung verstehe ich in erster Linie als Reduzierung des individuellen CO2-Fußabdrucks.“
„Wenn ich Sektorenkopplung höre, dann denke ich an Energieeffizienz“, so Steffen Bauknecht, Verkaufsleiter Heiztechnik Deutschland bei Mitsubishi Electric Europe B.V.
Wendelin Heinzelmann, Bereichsleiter Vertrieb bei Paradigma – Ritter Energie- und Umwelttechnik GmbH & Co. KG, unterstrich: „Sektorenkopplung ermöglicht den bestmöglichen Energiefluss.“
„Die Verbrauchsbereiche Wärme, Kälte und Strom wachsen zusammen“, erklärte Dieter Kehren, Abteilungsleiter Forum Digitale Heizung beim Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie e.V. (BDH).
Marcel Pfeil, Geschäftsführer der RESOL – Elektronische Regelungen GmbH, war sich sicher: „Sektorenkopplung kann schon »im Kleinen«, zum Beispiel im Privathaus, beginnen.“
„Die Komplexität wächst durch Sektorenkopplung und macht ein neues Denken erforderlich“, bekräftigte Bastian Kreusing, Leiter Marketing und Kommunikation bei der SOLIDpower GmbH.
Steffen Hornung, Key Account Manager in der Business Unit Smart Energy der Theben AG, stellte heraus: „Der Begriff »Sektorenkopplung« beschreibt nicht weniger als einen Paradigmenwechsel.“
Nimmt man nun, als Zuhörer, nur einmal einzelne Schlagwörter aus diesen Statements heraus – CO2-Fußabdruck, Energieeffizienz, Energiefluss, Verbrauchsbereiche, lokaler Ansatz, neues Denken, Paradigmenwechsel –, so klingt das nach einem richtig „dicken Brett“, welches hier branchen- und disziplinübergreifend gebohrt werden soll. Als langjähriger Beobachter vor allem des Heizungsmarktes weiß man, was alleine hinter der Vokabel „Energieeffizienz“ so alles stecken kann – wie unglaublich facettenreich selbst ein Begriff ist und, nicht zu vergessen, wie lange es dauern kann, die maßgeblichen Entscheider für entsprechende Investitionen in Energieeffizienz zu motivieren (Stichwort: Sanierung des Gebäudebestands, Steigerung der Sanierungsrate, „schlafender Riese“). Selbst das ist eigentlich eine Aufgabe für Generationen!
Corona als Teilchenbeschleuniger
Der interdisziplinäre Ansatz „Sektorenkopplung“ – also die ganzheitliche Berücksichtigung der energierelevanten Sektoren Wärme- und Kälteversorgung, Elektrizität, Mobilität und Industrie – toppt das Ganze natürlich um Längen.
Dass die Begrifflichkeit „Sektorenkopplung“ sowieso nicht unproblematisch ist, hat die Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena) schon vor einiger Zeit in ihrer viel beachteten Leitstudie „Integrierte Energiewende – Impulse für die Gestaltung des Energiesystems bis 2050“ festgehalten: „Die Sektoren, wie wir sie kennen, verändern sich. Grenzen weichen auf, die Interaktion steigt. Der Begriff Sektorenkopplung greift deshalb zu kurz. Er vermittelt den Eindruck, als ginge es nur darum, bestehende und in sich geschlossene Einheiten miteinander zu verbinden. Es geht vielmehr darum, die steigende Zahl an Komponenten des Energiesystems aus allen Sektoren in einem System zu integrieren, Wechselwirkungen zu erkennen, Optimierungs- und Innovationspotentiale zu nutzen, Märkte und Infrastrukturen weiterzuentwickeln. Deshalb würde es auch zu kurz greifen, die Herausforderungen aus der Sicht einzelner Sektoren anzugehen.“
Wie muss unser Energiesystem also konkret in den nächsten drei Jahrzehnten (= eine Generation!) gestaltet werden, damit Deutschland im Jahr 2050 95 Prozent weniger Treibhausgase (gegenüber 1990) emittiert?