Redundant und regelbar
In Bad Nauheim hat das einzelne Tauscherelement eine Abmessung von 2 x 7 m. In jeder der beiden Ebenen liegen horizontal 352 dieser Module. Zur horizontalen Anordnung gibt es eine Alternative: Es genügt, den Boden mit einer entsprechenden Baumaschine zu schlitzen und die Module senkrecht hineinzustellen. Allerdings muss da die Mineralogie mitmachen. Bei sandigen Böden gestaltet sich das sehr schwierig, weil die schmalen Schächte von 3 m Tiefe dazu neigen, schneller zusammenzufallen als die Rohrregister eingebracht sind.
Steinhäuser fertigt die Rohrregister nicht nur in der genannten Dimension. Bei einer Breite von 2 m gibt es sie in Längen von 5 bis 12 m. Der Durchmesser der PE-Rohre reicht von 20 mm bis 400 mm für die Anbindung an das Bebauungsgebiet. Diese Strecke von 13 km fungiert ebenfalls als Absorber. Beide Sektoren, das doppelte Kollektorfeld und die Anbindung, teilen sich die Deckung der Heizlast von insgesamt 3 MW mit jeweils rund 50 Prozent. Diese Zweiteilung ist auch hydraulisch von Nutzen. Eine Ventilsteuerung lässt zu, bei reduziertem Bedarf nur die Anbindung zu durchströmen. Die Module sind im Tichelmann-Verfahren an den Vor- und Rücklauf angekoppelt, sodass im gesamten Rohrnetz keine Druckdifferenzen auftreten. Jeweils eine bestimmte Anzahl der Wärmeübertrager zirkuliert über eine abgeteufte Verteilerkammer. Drei Förderpumpen saugen aus diesen Schächten den Vorlauf. Jede einzelne Pumpe ist in der Lage, den Druckverlust im Gesamtsystem zu überwinden. Damit besteht im Störungsfall Redundanz. Vorrangig dient die Aufteilung indes der Regelung, da bei niedriger Wärmenachfrage in den Sommermonaten nur eine der drei Pumpen laufen muss.
Vereisung erwünscht
Eine interessante hydraulische Besonderheit besteht in der getrennten individuellen Bemessung der Durchflüsse in der unteren und der oberen Modulebene. „In den heißen Sommermonaten haben die Wohnungen einen Kühlbedarf“, so Steinhäuser-Chef Harry Steinhäuser, „den decken wir passiv. Dazu bedarf es eines großen Kältespeichers. Im Winter fahren wir deshalb die Geologie im Umfeld der unteren Ebene bis in den Eisbereich hinein, bis -3 oder -4 °C. In den Sommermonaten tauen wir den Boden mit der Zimmerwärme über den Solekreis wieder auf. So sieht jedenfalls der Plan aus.“ Ob er aufgeht, soll „KNW-Opt“ erkunden.
Die BAFA-Gelder machen für den Bauherrn die Nahwärme besonders kosteneffizient. Punkt eins, sie halten die Kosten für die Erschließung der Energiequelle eines Wärmepumpensystems für den einzelnen Betreiber in Grenzen, von denen einer Luft-Wärmepumpe abgesehen. Selbst zur Übergabestation im Haus zahlt die Bundesregierung zu. Im Übrigen gestattet der Bebauungsplan Luft-Wärmepumpen ohnehin nicht. Sämtliche Heizungstechnik muss im jeweiligen Haus untergebracht sein, um Reklamationen zu Maschinengeräuschen weitgehend auszuschließen. Punkt zwei, dem Investor geht die KfW-Unterstützung für sein Effizienzhaus, hier „KfW 55“, nicht verloren. Beide Punkte entlasten mithin seine persönliche Wärmewende von zu hohen Ausgaben.
180 Wärmepumpen
Das sagt denn auch Stadtwerke-Projektleiter Sebastian Böck: „Neben den positiven Aspekten für die Umwelt profitiert der Bauherr unmittelbar von vielen vorteilhaften Begleiterscheinungen.“ Er bezieht diese Aussage natürlich auch auf den Erbauer Stadtwerke: Sein Dienstherr offeriert den Bewohnern von Bad Nauheim Süd ein „Rundum-Sorglos-Paket“ mit Lieferung, Montage und Wartung der Wärmepumpen.
Diese stammen vom Hersteller Waterkotte: 180 Aggregate für 400 Wohneinheiten. In Bad Nauheim ist das Basisprodukt die „Ai1“-Reihe („Ai1“ steht für „All-in-One“). Die Leistung reicht von 5 bis 29 kW. Den COP-Wert gibt Waterkotte mit bis zu 5,0 an. In den Mehrfamilienhäusern in Bad Nauheim werden die Stadtwerke in erster Linie Geräte aus der Typenserie „Industrial Line“ mit Leistungen bis 56 kW aufstellen. Alle Maschinen gestatten die passive Naturkühlung.