Biologische Klärung gesichert
Den Aufbau des kalten und warmen Netzes zeigen die Abbildungen 4 und 5. Der Wärmebedarf für den gesamten Campus beträgt etwa 10 GWh/a. In Abb. 4 sind die Energieflüsse für einen Teil des Quartiers namens „Lagarde-West“ mit einem Wärmebedarf von rund 5 GWh/a schematisiert. Das Hochtemperaturnetz für den teils denk-malgeschützten Bestand speist sich aus der Müllverbrennung. Im Winter fahren es die Betreiber auf 110 bis 115 °C hoch, im Sommer auf 90 °C. Die Übergabestationen in den Gebäuden spannen dieses Niveau auf eine Spreizung 70/50 °C herunter. Dem Heizkraftwerk steht noch ein Hochtemperaturspeicher zur Seite. Den belädt das stromgeführte BHKW des eigenen elektrischen Betriebsnetzes.
Das kalte Netz als Energiequelle für die Wärmepumpen in den Neubauten temperiert sich ausschließlich mit Geothermie und Abwasserwärme. Zum Wärmeentzug aus der Kanalisation dienen Wärmeübertragermatten aus Edel-stahl auf dem Boden der Kanalrohre. Der Tauscher mit einer Fläche von 750 m2 und einer thermischen Leistung von 1 MW erstreckt sich über eine Länge von 250 m und ist damit der größte in ganz Bayern. Die Stadtwerke rechnen mit mehr als 2 GWh jährlich aus dieser Quelle. Über eine rund 1 km lange Anbindung führt der Vorlauf zur Energiezentrale des Lagarde-Campus und dort in das kalte Netz. Die 1 MW beziehen sich auf einen Durchsatz von 110 l/s und eine Temperaturabsenkung von lediglich 0,9 K. Die biologische Klärung ist damit nicht gefährdet, zumal der 4,5 km lange Ablauf von der Energiezentrale zum Klärwerk als riesiger Erdwärmeübertrager fungiert, sodass sich der Abfluss temperaturbezogen erholt. Dazu trägt ebenfalls die weitere Abwassereinleitung auf diesem Abschnitt bei. Schlussendlich behalten noch zwei Sensoren die Entwärmung im Blick und schalten bei Überschreiten eines Grenzwerts die Abwasserwärmenutzung aus.
Versorgung im Contracting
Die Geothermie schwingt über das Jahr gesehen von etwa -4 °C bis +22 °C: Die Regelung fährt Teile des Sondenfelds bis in den Minusbereich hinein, um über ausreichend Kühlkapazität zu verfügen. Das Konzept mit dem kalten und dem warmen Netz zieht unterschiedliche Gestehungskosten nach sich. Laut Projektleiter Stefan Loskarn schlägt sich das aber nicht in ungleichen Wärmepreisen nieder. „Wir versorgen die Abnehmer in »Lagarde« im Contracting, inklusive Wärmepumpe. Wir bieten einen einzigen Tarif an, gleichgültig, ob der Kunde kalte Nahwärme oder Fernwärme bezieht.“
Die Contracting-Lösung sei eigentlich die Voraussetzung für die Akzeptanz. Nach Erfahrung der Stadtwerke sagt die Mehrheit der Kunden zwar ja zu umweltschonenden Heiztechnologien, aber schlicht nein zu spürbaren Mehrkosten, wie sie Wärmepumpen-Installationen in Verbindung mit Quellenerschließung nach sich ziehen. In einem Wärmeliefervertrag über eine Laufzeit von zehn, 15 oder 20 Jahren seien die Mehrkosten für die nachhaltige Technik dagegen moderat und akzeptabel. Losgelöst von dieser psychologischen Komponente zwingen darüber hinaus die Förderrichtlinien des Programms „Wärmenetze 4.0“ zum Contracting, indem sie verlangen: „Kalte Nahwärmesysteme mit netzseitigen Vorlauftemperaturen von unter 20 °C können im Rahmen des Förderprogramms förderfähig sein, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: 1. Die Wärmeerzeuger (dezentrale Wärmepumpen) befinden sich im Eigen-tum des Wärmenetzbetreibers […].“ Sie, die Wärmepumpen, kamen im Frühjahr 2022 in die Neubauten und in etwa zeitgleich starteten die Brunnenbauer mit dem Abteufen der 55 Vertikalsonden. Die Energiezentrale wird in Kürze betriebsbereit sein.