Die Akzeptanz ist da – 40 Prozent Wachstum. In Deutschland gelingt der Wärmepumpe gerade der Durchbruch. Auch wenn die Förderung diesen begünstigt, die Akzeptanz ist da, denn Skepsis gegenüber einer Technologie lässt sich nicht mit Zuschüssen wegschieben. Wie sieht es europaweit aus, was plant die EU, was könnte den Aufschwung noch stärker beleben? Das Heizungsjournal unterhielt sich darüber mit Thomas Nowak, Geschäftsführer des Europäischen Wärmepumpenverbands EHPA.
Eine Frage des Gewissens
Die prognostizierte Zukunft der europäischen Heiztechnik ist schon Gegenwart – ein Interview
Dienstag, 11.05.2021
Wie sieht Ihre Arbeit aus, Herr Nowak? Durch Corona eingeschränkt und Brüssel adé?
Nein, absolut nicht. Von der Menge der Arbeit her ist es nicht weniger geworden. Die Treffen mit der Kommission finden auf allen Ebenen – von der Kommissarin über Abteilungsleiter bis zu den normalen Mitarbeitern – jetzt eben komplett elektronisch statt. In Form von Videokonferenzen und Telefonaten. Das funktioniert und wir bringen auch die Gesetzgebung vorwärts.
Sie sagten, wir bringen die Gesetzgebung vorwärts. Wer ist „wir“?
Die europäische Wärmepumpenindustrie. Ich leite den Europäischen Wärmepumpenverband EHPA. Zusammen mit unseren 140 Mitgliedern arbeiten wir daran, die Wärmepumpentechnologie in allen laufenden Gesetzesvorhaben zum Energie- und Klimaschutz zu verankern. Aber wir treiben auch die Anerkennung der Wärmepumpe als netzdienliche Technologie voran und betonen die Bedeutung der Industrie für Arbeitsplätze und Export. Die Energiewende findet ja global statt.
Global befinden wir uns aber in einer Krise – betrifft das die Wärmepumpenindustrie?
Unsere Branche hat wenig an Schwung verloren. Die Architekten planen weiter Häuser und die werden auch gebaut, die Planer planen und die Installateure installieren Wärmepumpen. Unser Sektor ist, wenn überhaupt, nicht so stark in Mitleidenschaft gezogen worden wie andere Sektoren. Allerdings sind die Auswirkungen regional unterschiedlich. Südeuropa hat im ersten Halbjahr 2020 mehr gelitten. Mittel- und Nordeuropa weniger. Die ersten Marktzahlen für 2020 kommen jetzt rein und die sind positiv. In Deutschland ist das Förderprogramm der Bundesregierung extrem gut angenommen worden, das Marktwachstum beträgt 40 Prozent.
Förderprogramm erfolgreich
120.000 verkaufte Einheiten im vergangenen Jahr.
Deutschland tritt wirklich als Ausnahmeerscheinung hervor. So stark wächst kein anderer Markt. Das Förderprogramm setzt die richtigen Anreize. Es wird einem extrem schmackhaft gemacht und stark versüßt, eine Ölheizung gegen eine Wärmepumpe zu ersetzen. Die Menschen im Land merken, dass sie etwas für die Umwelt tun können. Das ist ein sehr positiver Effekt.
Wie sieht es außerhalb Deutschlands aus?
Wir haben gegenwärtig acht von 21 Märkten erfasst. Eine erste Abschätzung zeigt ein noch stärkeres Wachstum als 2019. Wenn wir hier richtig liegen, dann kratzen wir 2020 an der Marke von zwei Millionen Wärmepumpen. Der deutsche Markt hat sicher am stärksten zugelegt, gefolgt von Österreich (+ 9 Prozent), Finnland, Portugal und Schweden (jeweils + 4 Prozent). In 2019 waren die Top-3-Märkte Frankreich, Italien und Schweden.
Diese Märkte sind beeindruckend, weil sie trotz des schon installierten Volumens weiter wachsen. Frankreich zeigt jetzt seit 2012 positive Zuwachsraten. So bieten fast alle europäischen Länder noch reichlich Potential nach oben, bevor eine Marktdurchdringung, wie zum Beispiel in der Schweiz, erreicht wird, wo der Anteil der Wärmepumpe heute schon bei fast 75 Prozent der Heizungssysteme liegt.
Na gut, Frankreich lebt von der Atomenergie. Früher war es die „Chauffage electrique direct“, die elektrische Direktheizung, heute das bessere System, die Wärmepumpe.
Genau. Der entscheidende Faktor ist der, dass in Frankreich Elektrizität als Heizenergie eine hohe Akzeptanz hat. Die Wärmepumpe kommt dem besonders entgegen, weil sie gegenüber der „Chauffage electrique direct“ viermal effizienter mit der Elektrizität umgeht und dabei ist es egal, ob das Atomenergie oder erneuerbare Energien sind. Die Franzosen wollen aus der Atomkraft nicht unbedingt raus, aber sie wollen in einem wachsenden Strommarkt keine weiteren Atomkraftwerke dazu bauen. Jedes elektrisch beheizte Haus, das auf eine Wärmepumpe wechselt, setzt genug Strom frei für weitere zwei oder drei Häuser. Mit dem Flexibilitätspotential der Wärmepumpe wird außerdem das Stromnetz stabilisiert und der Auslastungsgrad insbesondere von Windanlagen erhöht.
Weiterführende Informationen: https://www.ehpa.org/
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