Dabei würden sich die etwa 15.000 infrage kommenden Flüsse in Deutschland als sehr effiziente Ressource erweisen. Rosteck brach mit seinem Referat „Flusswasser: Unterschätzte Quelle für Wärmepumpen“ quasi eine Lanze für diese Umweltenergie. Unterschätzte Quelle vor allem, weil die selbst von Januar bis März selten unter eine Temperatur von 4 °C falle. Damit gestatte sie, mit zum Beispiel Ammoniak als Kältemittel, einen Wärmeentzug von durchgängig 7 K. Wie im präsentierten Beispiel „Rosenheim“. Der Referent verantwortet bei seinem Arbeitgeber die strategische und operative Weiterentwicklung der Segmente Fernwärme und Großwärmepumpen in Deutschland sowie in der Schweiz. Die Wärmepumpen kommen von Johnson Controls bzw. den Tochterunternehmen Sabroe in Dänemark und York. Rosteck nannte als Jahresarbeitszahl für ein 90/70-°C-Nah- oder Fernwärmesystem 2,9 für eine Großwärmepumpe mit einer Leistung von 1.650 kW und für ein 70/50-°C-System 3,4.
iKWK mit Elektrodenkessel
Die Stadtwerke Rosenheim nahmen im Frühjahr 2022 im Erweiterungsbau ihres Müllheizkraftwerks drei zweistufige Kolbenschraubenverdichter-Wärmepumpen von Sabroe mit einer Heizleistung von rund 1.600 kW und einer Kälteleistung von 1.100 kW in Betrieb. Als CO2-Einsparung errechneten die Planer pro Wärmepumpe etwa 880 t jährlich bei einer angestrebten Wärmeerzeugung von 6.200 MWh. Die gesamte Technik firmiert unter iKWK – für innovative Kraft-Wärme-Kopplung.
Die setzt voraus, dass zur Flexibilisierung der Stromentnahme und der Stromerzeugung auch ein Elektrokessel sowie ein Gas-Wärmeerzeuger bereitstehen. Die Umweltwärme liefert der örtliche Mühlbach. Die Maschinen speisen in das Fernwärmenetz ein. Bei der Vorlauftemperatur bis 88 °C und einer Wärmequellentemperatur von nur 1 °C beträgt der COP, nach Plan, immer noch etwa 2,5 (Kältemittel: Ammoniak, GWP = 0).
Der Energiekonzern EnBW gibt für seine im Bau befindliche Großwärmepumpenanlage (Heizleistung: 21,5 MW) im Heizkraftwerk Stuttgart-Münster einen COP von 3,03 an (Wärmequelle: 9 °C, Wärmesenke: 65 °C). Die Umweltfreundlichkeit erhöht hier das Kältemittel R1234ze, dessen GWP unter 1 liegt.
Edelstahl oder Titan
Das schon angesprochene Materialthema löst Johnson Controls in der Regel mit Edelstahlwärmeübertragern. Zwar könne die Wasseranalyse, je nach Einleiter, am Flussufer von Abschnitt zu Abschnitt wechseln, aber die verwendeten Edelstahlsorten seien robust und meist auch mit einer automatischen Reinigung versehen, die sie im Turnus von Biofilmen befreie. Nur in besonderen Spezialfällen müsse man auf Titan zurückgreifen.
Oberhalb des Kommunalrechts gelten in diesem Kontext vor allem folgende Vorschriften und Genehmigungen:
- Wasserhaushaltsgesetz,
- Verordnung zum Schutz der Oberflächengewässer,
- Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen,
- Richtlinie 2014/80/EU zur Änderung von Anhang II der Richtlinie 2006/118/EG zum Schutz des Grundwassers vor Verschmutzung und Verschlechterung.
Die Genehmigung erteilt die Untere Wasserbehörde. Der ist vor allen Dingen die Menge und Temperaturdifferenz der Entnahme zu nennen und ihr sind die Sicherheitsmaßnahmen und Überwachungsanlagen sowie ein Maßnahmenplan für den Havariefall aufzuzeigen.
Vorreiter Züricher Rathaus
Die Literatur führt die Schweiz als Vorreiter der Wärmepumpen mit Flusswasser auf. Das bekannteste Beispiel, installiert in den 30er-Jahren im Züricher Rathaus, bedient sich der Wärme der Limmat. Die Pioniertat begründet sich aber nicht mit einem besonderen Fortschrittsgeist der regionalen Planer und Anlagenbauer, sie hat eine ganz profane Erklärung: Bis dato wurden die Räume des ehrwürdigen Sitzes der Stadtregierung mit Holzöfen beheizt. Diese Wärmeerzeuger sollten durch eine zentrale Kohleheizuung ersetzt werden. Es fehlte aber der Platz zur Lagerung des Brennstoffs. Nun steht das Rathaus in der Limmat und hat keinen Keller. Also entwickelte Escher Wyss eine Lösung mit einer Wärmepumpe, die noch heute bei einer mittleren Temperatur von 7 °C für die Energiequelle während der Heizperiode hin und wieder Dienst tut. Allerdings nur noch eine Stunde pro Woche, um generell betriebsfähig zu bleiben: 2001, nach über 60 (!) Arbeitsjahren, stellte man dem Denkmal eine Neuanlage zur Seite. Übrigens, als Novum für ganz Europa, konnte die Anlage auch im Sommer zur Kühlung eingesetzt werden. Apropos: Der nächste Großwärmepumpen-Kongress findet am 25. Mai 2023 in Zürich statt.