Das fordert Dr. Georg Müller, Vorstandsvorsitzender von MVV Energie im Bezug auf die Energiewende in Deutschland.
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Energiewende: "Wir brauchen mehr Tempo und mehr Mut"
Dienstag, 24.03.2020
"Die Energiewende in Deutschland kommt voran", erklärte Dr. Georg Müller, Vorstandsvorsitzender des Mannheimer Energieunternehmens MVV Energie, anlässlich der Bilanzpressekonferenz im Dezember 2019 in Frankfurt. Gleichzeitig forderte er einen belastbaren Fahrplan für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien.
"Lippenbekenntnisse oder bloßer Wettbewerb um Ziele sind nicht ausreichend. Wir brauchen mehr Tempo und mehr Mut." Notwendig seien entschiedenere Schritte bei Wind und Solar. Besonders aber dürften einzelne erneuerbare Energien nicht gegeneinander ausgespielt werden. Um das ambitionierte Klimaziel, den Anteil der erneuerbaren Energien in der Stromversorgung bis 2030 auf 65 Prozent zu steigern, erreichen zu können, müsse insbesondere die Blockade bei der Windkraft überwunden und ein verlässlicher Rahmen für den beschlossenen Kohleausstieg geschaffen werden.
Um den ins Stocken geratenen Ausbau der Windkraft an Land wieder anzukurbeln, sprach sich Müller gegen die diskutierten Abstandsregeln sowie für eine Beschleunigung und Vereinfachung der Genehmigungsverfahren in Deutschland aus. "Auf die Windenergie an Land können wir in Deutschland nicht verzichten." Ein forcierter Ausbau der erneuerbaren Energien sei auch Grundvoraussetzung für den beschlossenen Kohleausstieg. Dieser werde zwar ausdrücklich begrüßt, jedoch brauche es nun eine konsensuale Lösung für diesen schrittweisen Ausstieg.
So unterstützt Müller im Grundsatz das im Entwurf des Kohleausstiegsgesetzes enthaltene marktorientierte Ausschreibungsverfahren. Dabei forderte er aber eine Gleichbehandlung süddeutscher Kraftwerke, die nicht von der Teilnahme an den ersten Stilllegungsauktionen ausgeschlossen und durch einen systemwidrigen Netz-Aufschlag belastet werden dürften. Auch sollten vom Markt genommene Anlagen, die aus Gründen der Versorgungssicherheit in die Netzreserve überführt werden, von Fristenregelungen für den Wechsel auf kohlendioxidarme Ersatzinvestitionen ausgenommen werden. Denn ein Betreiber könne nicht wissen, wie lange die Kraftwerke in der Reserve bleiben.
Bei der Bepreisung von Kohlendioxid sei es richtig gewesen, auch die Sektoren Verkehr und Gebäude einzubeziehen und damit ein einheitliches Regime der Klimapolitik zu schaffen. Doch müsse parallel auch der Strompreis bei Steuern und Abgaben entlastet werden, damit am Ende nicht die Stromkunden die Zeche allein zahlen müssen. "Deshalb muss der Zusammenhang zwischen Be- und Entlastung im Auge behalten werden", betonte Müller. "Für die Energiewende brauchen wir auch eine soziale Balance."
Die Unternehmensgruppe selbst wolle bis spätestens 2050 klimaneutral sein. "Klimaschutz ist harte Arbeit und muss Schritt für Schritt umgesetzt werden", unterstrich der Konzernchef. In diesem Sinne sei Klimaneutralität mit einem Marathonlauf vergleichbar. Bereits 2016 hatte sich MVV Energie eigene Nachhaltigkeitsziele für den Zeitraum von zehn Jahren gesetzt. Danach will man die eigene Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien auf über 800 MW verdoppeln – aktuell steht das Unternehmen bei 474 MW. In der Projektentwicklung will man bis 2026 insgesamt 10.000 MW erneuerbare Energien ans Netz bringen – bisher wurden 1.882 MW erreicht. Gleichzeitig will das Unternehmen die jährlichen Kohlendioxid-Einsparungen auf eine Million Tonnen erhöhen – bisher liegt man bei einer Reduktion von 486.000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr. Dazu wolle man das Investitionstempo weiterhin hoch halten. Angekündigt waren für diesen Zehnjahreszeitraum Investitionen in Höhe von drei Milliarden Euro. Allein im abgelaufenen Geschäftsjahr wurden davon 310 Millionen Euro realisiert, nach 290 Millionen Euro im Jahr davor.
Den Ausbau erneuerbarer Energien treibe man wesentlich über das Projektentwicklungsgeschäft voran. Beispielsweise würden die Tochtergesellschaften Juwi und Windwärts derzeit zwei Windparks mit einer Gesamtleistung von rund 24 MW bauen. Und im Photovoltaikbereich verwirkliche Juwi unter anderem eine Anlage mit einer Leistung von 123 MW.
Der zunehmende Verzicht auf fossile Brennstoffe könne nur dann gelingen, wenn auch die Sicherheit der Versorgung gewährleistet bleibt, bemerkte Müller. Als Musterbeispiel nannte er das neue Gasheizkraftwerk in Kiel. "Mit seiner Inbetriebnahme sichert es die umweltfreundliche Wärmeversorgung der Landeshauptstadt Schleswig-Holsteins. Es ist gleichzeitig das passende Pendant zu einer grüneren und damit weniger steuerbaren Stromerzeugung: Die 20 Gasmotoren fahren in fünf Minuten von Null auf Höchstleistung. Durch diese extrem kurze Zeit kann schnell und flexibel auf die neuen Anforderungen des von Wind und Sonne geprägten Energiemarkts reagiert werden."
Weitere Investitionsschwerpunkte waren der Bau einer neuen thermischen Abfallverwertung im schottischen Dundee sowie die zukunftsorientierte Weiterentwicklung des Energiestandorts auf der Friesenheimer Insel im Mannheimer Norden. Hier investiert MVV rund 100 Millionen Euro, um unter anderem die Wärmeerzeugung aus der thermischen Abfallverwertung für die Fernwärme nutzbar machen und in das Wärmenetz einspeisen zu können. "Ein erster großer Meilenstein auf dem Weg zur Grünen Wärmeversorgung in Mannheim und in der Region", unterstrich Müller.
Über die klassische Energieversorgung hinaus biete die Unternehmensgruppe sowohl Privatkunden als auch Geschäftskunden, der Industrie, dem Gewerbe, dem Handel und der Immobilienwirtschaft als "Effizienzpartner" eine Palette an Produkten und Dienstleistungen mit ökologischem Anspruch an, darunter Lösungen in den Bereichen Photovoltaik und Elektromobilität sowie Projekte zur Effizienzsteigerung und Energieoptimierung. Vor sieben Jahren hatte man sich diesbezüglich strategisch und organisatorisch neu aufgestellt und diese Aktivitäten beim Energiedienstleister MVV Enamic konzentriert. Zu diesem gehören mittlerweile unter anderem auch MVV EnergySolutions, MVV ImmoSolutions und MVV Enamic Korbach sowie Econ Solutions, Luminatis und die Data Center Group.
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