"MEMAP"-Regelungsalgorithmus
Im Kern des hier an einem Beispiel vorgestellten "MEMAP"-Energiemanagements steckt eine modellprädiktive Regelung (MPC). Das Verfahren optimiert die Stellgrößen komplexer Systeme über einen Prognosezeitraum mit dem Ziel, eine Kostenfunktion zu minimieren (z.B. die Energiekosten). Hierfür wird im laufenden Betrieb eine mathematische Optimierung unter Berücksichtigung der Eigenschaften der Energieanlagen durchgeführt. Das enorme Potential des innovativen Regelungsalgorithmus ergibt sich aus der Möglichkeit, Systembeschränkungen (z. B. Temperatur- oder Erzeugungsgrenzen) explizit zu berücksichtigen. Zeitliche Abhängigkeiten, wie sie zum Beispiel durch Speichersysteme auftreten, können entsprechend modelliert werden. Auch Prognosen zu zeitlich variablen Preisen können verarbeitet werden. Nach der Berechnung der optimalen Lösung für beispielweise die nächsten 24 Stunden wird nur die Lösung für den nächsten Zeitschritt in den Energieanlagen gefahren. Danach kommunizieren diese ihre aktualisierten Systemzustände und das Verfahren wird mit aktualisierten Prognosen wiederholt. Die Funktionsweise ist vergleichbar mit dem Vorgehen eines Schachspielers, der eine bestimmte Anzahl von Zügen im Voraus plant, den ersten Zug umsetzt und dann auf das Feedback des Gegenspielers wartet, um den Planungsprozess mit aktualisierten Informationen zu wiederholen.
Als besondere Schwierigkeit sind die zeitlichen Verzögerungen im Netz sowie dessen Verluste hervorzuheben, da diese einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Auswahl der Erzeuger haben können. Während bei einem konventionellen Nahwärmenetz die Erzeuger und Verbraucher klar definiert sind und die gesamte Netzauslegung auf dieser Grundlage erfolgen kann, ändert sich in einem Energieverbund immer wieder die Rolle der einzelnen Gebäude. Während am einen Tag ein geringer Wärmebedarf möglicherweise vollständig über zwei Erzeuger abgedeckt werden kann, ist am nächsten Tag noch ein weiterer Erzeuger notwendig und ein Gebäude wird vom Verbraucher zum Erzeuger. Dieser permanente Wechsel in der Rollenverteilung und den damit verbundenen Energieflüssen stellt die eigentliche Herausforderung an den Regelalgorithmus dar.
Test im Forschungslabor
Um den Energieverbund von Gebäuden so praxisnah wie möglich auszuprobieren und "MEMAP" im realen Anlagenbetrieb auf "Herz und Nieren" überprüfen zu können, wird das Forschungslabor "CoSES" (Combined Smart Energy Systems) der TU München eingesetzt. Das Labor verfügt über verschiedene gebäudetypische Erzeugungs- und Speicheranlagen, die sowohl über ein reales Niederspannungsnetz als auch über ein Wärmenetz verbunden sind. Über eine "OPC UA"-Schnittstelle werden die Steuerungen der Feldebene in die "MEMAP" eingebunden.
Ziel der Tests ist es, die Funktionalität der Plattform an sich sowie die der Kommunikationsstruktur über "OPC UA" im Zusammenspiel mit realen Anlagen zu zeigen. Darüber hinaus sollen die errechneten Einsparungsmöglichkeiten verifiziert werden. Außerdem können Besonderheiten des MPC-Algorithmus – wie zum Beispiel die intelligente Nutzung variabler Preissignale und die entsprechende Anpassung der Anlagenfahrpläne – im "CoSES"-Labor gut veranschaulicht werden. Auch sicherheitsrelevante Betriebsszenarien, wie beispielsweise der Ausfall eines Erzeugers oder Störungen in der Infrastruktur, werden hier ausprobiert.
Ausblick
Die Erwartungen, die mit dem Energieverbund als einer Lösung der zukünftigen Energieversorgung verknüpft sind, sind vielfältig. Der rationale Teilnehmer erhofft sich eine umweltfreundlichere Energieversorgung bei reduzierten Energiekosten. Ob und wie sich beides verbinden lässt, kann mit "MEMAP" demonstriert werden. In jedem Fall führt der Energieverbund zu einer veränderten Auslastung bestehender Anlagen und verursacht zunächst eine andere Kostenstruktur, als sie sich im Stand-alone-Betrieb ergeben würde. Zu beachten ist auch, dass Effizienzgewinne der Energiegemeinschaft unter den Teilnehmern derart aufgeteilt werden sollten, dass stets ein Anreiz zur Steigerung der eigenen Effizienz sowie zur Teilnahme am Verbund besteht. Gelingt das nicht, werden ständig wechselnde Teilnehmerkonstellationen das Versprechen der effizienteren Quartierslösung gefährden. Ein Risiko, dem sich ein Verbundbetrieb mit kapitalintensiven Investitionen in die Infrastruktur (Stichwort "Nahwärmenetz") nicht aussetzen sollte. Das vierjährige Forschungsvorhaben "MEMAP" endet im Frühjahr 2021. Bis dahin werden neue Erkenntnisse aus dem Feldtest und Verbesserungen der "MEMAP" vorliegen, über die erneut berichtet werden soll.
Verfasser und Forschungsgruppe (in alphabetischer Reihenfolge):
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Fenecon GmbH: M.Eng. Nicole Miedl, M.Eng. Fabian Eckl
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fortiss GmbH – Forschungsinstitut des Freistaats Bayern für softwareintensive Systeme und Services: Dr. Jan Mayer, Denis Bytschkow, Dr. Markus Duchon
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Holsten Systems GmbH: Elena Holsten
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IBDM GmbH: Dipl.-Ing. (FH) Detlef Malinowsky
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Sauter-Cumulus GmbH: Ralf Nebel, Dipl.-Ing. (FH) Claudius Reiser
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Technische Universität München: M.Sc. Alexandre Capone, M.Sc. Michael Kramer, M.Sc. Thomas Licklederer
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ZD.B ZentrumDigitalisierung.Bayern: Dipl.-Inf. (Univ.) Maximilian Irlbeck, M.Sc. Lea Schumacher.