H-Gas statt L-Gas – in Norddeutschland läuft die Umrüstung, in Westdeutschland ist sie gestartet.
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Erdgas-Marktraumumstellung schreitet voran
Donnerstag, 20.02.2020
In Düsseldorf zum Beispiel sind die ersten Anschreiben an die betroffenen Haushalte herausgegangen, dass in den nächsten Wochen und Monaten Monteure ins Haus kommen, um erste Vorbereitungen zum Wechsel von L- auf H-Gas zu treffen.
Nach dem Fahrplan der Netzbetreiber dürfte sich die Umstellung bis zum Jahr 2030 hinziehen. Vielleicht auch schneller, denn die holländische Provinz Groningen macht Druck. 80 Prozent des L-Gases in Deutschland kommen aus den Feldern dort. Nur macht die Erde den Entzug nicht mehr mit. Der Gegendruck fehlt. In der Vergangenheit hatte sich der Boden moderat abgesenkt. Nun scheint es aber bereits Frakturen im Untergrund zu geben mit Erdblöcken, die sich gegeneinander verschieben und so Erdbeben auslösen. Nach einem der schwersten der letzten Jahre, am 22. Mai 2019, mit 3,4 auf der Richterskala, klafften in etwa 1.000 Häusern Risse in den Fassaden und weitere 4.000 Schadensmeldungen gingen bei der zuständigen Bergbau-Aufsichtsbehörde ein.
Ein "Blend" wie beim Whisky
Die verängstigte Bevölkerung stemmt sich mittlerweile gegen die Exploration. Der Staat hat reagiert. Obwohl die Niederländer der größte Erdgasproduzent und -exporteur in der EU sind, wollen sie die Erdgasfelder in der Provinz Groningen spätestens 2030 schließen. Schneller geht es zum einen nicht, weil das Land selbst zu 95 Prozent mit dem heimischen L-Gas kocht und heizt und zum anderen nicht, weil Verträge unter anderem mit Deutschland existieren. Für die Umrüstung in Holland auf Erneuerbare Energien sind die Weichen gestellt. So dürfen schon seit über einem Jahr, seit Juli 2018, neue Gebäude kein Erdgas mehr in Küche und Kessel verwenden. Die Gaswärme hat damit über kurz oder lang ausgedient.
Mit einer Änderung der Lieferverträge mit den deutschen Importeuren tut man sich dagegen schwer. Einfach deshalb, weil die Versorgungssicherheit hierzulande garantiert sein muss. Die Volumina müssen fließen. Unserem Nachbarn bleibt damit nichts anderes übrig, als ein Teil seines H-Gases aus der Nordsee mit Stickstoff zu L-Gas zu verschneiden und zu den Übergabestationen in Emden und anderswo zu pumpen. Der Brennwert des Nordseegases liegt bei etwa 45 MJ/kg respektive 12,6 kWh/kg. Da Stickstoff N mit 1,8 kWh/kg ein natürlicher Inhaltsstoff des Erdgases ist, genügt es, soviel Stickstoff in H-Gas einzublasen, bis es auf L-Gas-Qualität herunterkonvertiert ist. Diesen Weg beschreiten jetzt die holländischen Exporteure.
Die deutschen Abnehmer sorgen sich selbstverständlich ebenfalls über die Erdbebengefahr. Sie suchen parallel nach Wegen, um an der georderten Menge Abstriche machen zu können. Einer der größten Holland-Kunden, die niedersächsische Gesellschaft EWE mit Sitz in Oldenburg, ist dabei, eine eigene Stickstoffanreicherungsanlage aufzubauen, um H-Gas aus norwegischen und russischen Quellen damit zu "verblenden". Diese soll in den nächsten Monaten in Betrieb gehen – für einige Jahre, bis die Umrüstung der Hausheizungen auf H-Gas abgeschlossen ist.
Ein sicheres Geschäft
Während also die missliche Lage am Groninger Feld letztlich keinen Einfluss auf den Umrüstungsfahrplan hat, weil sich die Versorger rechtzeitig um Alternativen bemühen und damit unter Umständen sogar die Aktion beschleunigen, bedroht der Mangel an Fachbetrieben die Pünktlichkeit. Die Ballungsgebiete stehen jetzt bei der Marktraumumstellung an – Beispiel Düsseldorf. Bundesweit fallen ab 2021 sechs Jahre lang 500.000 Umstellungen und mehr per anno an. Etwa 5 Mio. Gasgeräte dürften von dem Wechsel betroffen sein und gerade mal 600.000 haben ihn hinter sich – seit dem Start im Jahr 2015. Das heißt: Die Netzbetreiber suchen händeringend nach Handwerkern. Die aktuelle Zahl der qualifizierten Dienstleister reicht in keinem Fall aus, um den steigenden Bedarf zu decken. Nur wissen die Beteiligten, dass sich angesichts der vollen Auftragsbücher mit lukrativen Bad- und Heizungssanierungen der Aufruf, sich an dem Mammutprojekt zu beteiligen, keine besondere Attraktivität abstrahlt. Auf der anderen Seite bieten die Netzbetreiber als Auftraggeber ein sicheres Geschäft für die nächsten sechs bis zehn Jahre. Das sollte doch für einige Betriebe eine Perspektive sein, über die es sich lohnt, nachzudenken.
Zumal sich das unternehmerische Risiko in Grenzen hält. Einfach deshalb, weil der DVGW seine Hausaufgaben gemacht hat, nämlich unter anderem in Form der Überarbeitung des DVGW-Arbeitsblattes G 680 "Umstellung und Anpassung von Gasgeräten". Der Weißdruck dieser novellierten Richtlinie, die erstmals 2011 erschien, soll in wenigen Wochen vorliegen und damit eine Art Handbuch sein, das die Abläufe und Tätigkeiten detailgenau regelt. Der Überarbeitung war ein Forschungsprojekt zur Gasgeräte-Anpassung unter besonderer Berücksichtigung des Sonderfalls "Handwerklicher Umbau" vorausgegangen. Dieser Sonderfall bezieht sich vor allem auf Geräte, für die weder Düsen noch Brenner für die H-Gas-Qualität verfügbar sind, weil die Hersteller die Ersatzteile nicht mehr produzieren oder die Marken gar nicht mehr existieren. Die Untersuchung unterscheidet also zwischen dem Standardprozess einerseits und dem Sonderfall "keine Originaldüse vorhanden".
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