Die vielfältigen Entwicklungspotentiale in der Regelung sowie im Betrieb von Fußbodenheizungen soll die folgende Beitragsreihe aufzeigen. Im ersten Teil wird zunächst die für Planung, Auslegung und Berechnung heiztechnischer Installationen maßgebliche Norm DIN EN 12831 ("Heizungsanlagen in Gebäuden – Verfahren zur Berechnung der Norm-Heizlast"), inklusive ihrer Auswirkungen auf die Fußbodenheizung, näher betrachtet. In weiteren Teilen werden dann neue Lösungen bzw. aktuelle Entwicklungen im Bereich der Regelung wasserführender Fußbodenheizungssysteme vorgestellt.
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Fußbodenheizungen bedarfsorientiert regeln - Teil 1
Mit der Norm am Bedarf vorbei
Dienstag, 06.02.2018
Die beiden gebräuchlichsten Wärmeverteil- bzw. -übergabesysteme – Heizkörper- und Fußbodenheizung – verhalten sich regeltechnisch absolut entgegengesetzt. Die entsprechende Heizlast, welche beiden Systemen zugrunde liegt, wird jedoch nach der gleichen Norm, der DIN EN 12831, berechnet. Ferner werden beide Systeme entsprechend der EnEV 2014, §14 Abs. 2, mit "selbsttätig wirkenden Einrichtungen zur raumweisen Regelung der Raumtemperatur", also demselben Regelsystem, ausgestattet.
Kann das in der Betriebsphase gutgehen?
Eher nicht, denn:
- Heizkörper bzw. freie Heizflächen können in allen Räumen wegen der vielen Baugrößen exakt der geforderten Raumheizlast entsprechend ausgelegt werden. Die Heizkörper-Thermostatventile sind Stetigregler. Die Speicherfähigkeit der Heizkörper ist wegen des geringen Wasserinhalts minimal. Hier funktioniert die Drossel-Regelung also perfekt.
- Fußbodenheizungen bzw. raumflächenintegrierte Wärmeübergabesysteme stellen das Gegenteil dar. Gründe hierfür finden sich in den geringen Variationsmöglichkeiten bei der Auslegung, der gleichen Vorlauftemperatur für alle Räume, den wenigen unterschiedlichen Rohrabständen (10, 15 und 20 cm), um die Wärmeabgabe des Bodens der geforderten Heizlast anzupassen, der nicht veränderbaren Bodenfläche sowie dem Einsatz von Auf/Zu-Stellantrieben statt Stetigreglern. Dazu kommt die Trägheit der Estrichmasse mit Verzugszeiten von mehreren Stunden. Hier kann die Drossel- Regelung also nicht funktionieren.
In der Praxis tritt dieser entscheidende Unterschied der beiden Systeme permanent zutage. Häufig flankiert durch die bekannten Aussagen "Die Heizung funktioniert, es wird doch warm" oder "Das haben wir schon immer so gemacht".
Kann die Fachwelt diese systemimmanente Schwäche der Fußbodenheizung bzw. raumflächenintegrierten Wärmeübergabesysteme einfach weiterhin akzeptieren und hinnehmen?
Auch diese Frage ist rhetorischer Art. Denn es ist die Pflicht und Verantwortung aller am Bau Beteiligten, möglichst nachhaltige Gebäude, die energiesparende und ressourcenschonende Qualitäten aufweisen, zu planen und zu bauen. Diese Gebäude müssen die gesetzlichen und normativen Anforderungen sowie den Stand der Technik berücksichtigen.
Auch deshalb, weil hinlänglich bekannt sein müsste, dass die Kosten für den Betrieb eines Gebäudes die einmaligen Investitions- und Gestehungskosten zu Beginn um ein Vielfaches übersteigen. Somit können auch vermeintlich kleine Energieeinsparungen, beispielsweise im Heizungssystem oder bei der Regelungstechnik, über die Lebensdauer des Gebäudes einen gewaltigen Hebel entfalten.
Träge Fußbodenheizung – Regelung schwierig oder gar unlösbar?
Grundsätzlich ist ein perfekter hydraulischer Abgleich auch bei der Fußbodenheizung die Kernvoraussetzung für eine gute Regelbarkeit. Die eingestellte Heizkreis-Wassermenge soll der geforderten tatsächlichen Heizlast des Raumes entsprechen. Erinnern wir uns: Ein Thermostatventil ist bei korrektem hydraulischem Abgleich immer geöffnet und führt dem Raum die abfließende Wärme wieder zu. Der Heizwasser-Durchfluss wird gedrosselt oder unterbrochen, wenn die Raumtemperatur durch einen Fremdwärme-Eintrag in den Raum angehoben wird.
Angeblich werden aber nur etwa 20 Prozent aller Anlagen hydraulisch einreguliert. Oft sieht man als Regulierorgane auch nicht regelbare Kugelhähne vor Verteilern oder Schaugläser zum Einstellen der Heizkreise. Allerdings existiert auch hier eine sach- und fachgerechte Methode: Die errechnete Kreis-Wassermenge wird exakt und dauerhaft über Ventile mit differenzdruckgesteuertem Mindest-Volumenstrom einreguliert. Soweit die Theorie.
Die exakte, dem tatsächlichen Bedarf entsprechende Kreis-Wassermenge zu berechnen, ist nach normativen Vorgaben kaum möglich. Normgerecht durchgeführte Berechnungen ergeben falsche Auslegungstemperaturen und falsche Wassermengen für die meisten Heizkreise in Fußbodenheizungssystemen.
Forderung: In der Heizlast-Berechnung nach DIN EN 12831 muss es für Gebäude mit Fußbodenheizung Regel-Abweichungen geben.
Im Folgenden wird der Hintergrund dieser Aussage bzw. Forderung erläutert: In der Berechnung müssen Wohnungstrennwände in der Raumheizlast berücksichtigt werden. Die abgesenkte Temperatur der Nebenwohnung wird nach Tab. 5 NA mit 13,9 °C (München, Ti = 20 °C) errechnet. Nach dem noch unveröffentlichten NA 2017, Tab. 4, wird die Temperatur auf 16 °C angehoben. Diese Wohnungstrennwände sind aus schalltechnischen Gründen sehr massiv, aus Beton oder schwerem Ziegelmauerwerk.
Nicht alle Räume, die an eine Nebenwohnung angrenzen, werden mit dieser "Reserve"-Heizlast beaufschlagt. Sollte die Nebenwohnung im Winter über längere Zeit komplett unbeheizt sein, würde dieser Wärmeverlust durch die Wohnungstrennwände entstehen. Jedoch: Kommt das überhaupt vor? Würde die Temperatur der unbeheizten Räume wirklich soweit abfallen?
Diese unwahrscheinliche, aber theoretisch mögliche Betriebsweise einer Nebenwohnung steht in keinem Verhältnis zu einer komplett falsch ausgelegten und über Jahre falsch betriebenen Fußbodenheizung des gesamten Gebäudes – Energieverluste und thermische Komforteinbußen sind die Folge. Dieser Rechenansatz, welcher bei Heizkörperheizungen nicht stört, ist bei Fußbodenheizungen purer Unsinn.
So haben Räume mit dieser "Reserve" häufig auch die größte spezifische Heizlast (W/m2) aller Räume des Gebäudes. Sie bestimmen nach DIN EN 1264-3 ("Raumflächenintegrierte Heiz- und Kühlsysteme mit Wasserdurchströmung – Teil 3: Auslegung") die Höhe der Vorlauftemperatur für die Auslegung aller Heizkreise des Gebäudes. In der Konsequenz sind alle Räume ungleichmäßig, in unterschiedlicher Höhe, überversorgt. Aus der falschen Vorlauftemperatur resultieren auch falsche Kreiswassermengen. So wirkt auch ein hydraulischer Abgleich mit den neuen exakten Durchfluss-Begrenzern mit falsch errechneten Wassermengen durchaus paradox.
Ein Rechen-Beispiel aus der Praxis
Bei dem folgenden Beispiel handelt es sich um ein authentisches Bauvorhaben eines Ingenieurbüros aus München: In Abb. 1 befindet sich in der Mitte zwischen zwei Wohnungen das Appartement, dessen Wohnzimmer (Raum 115) von zwei massiven Beton-Wohnungstrennwänden zu den angrenzenden Wohnungen flankiert wird.
Der Wärmedurchgangskoeffizient ("U-Zahl") der Wände ist mit 2,8 W/m2K vorgegeben. Die über die Formel der DIN EN 12831 Tab. 5 NA errechnete Angrenztemperatur in der Nebenwohnung beträgt 13,9 °C. Aus dem Formblatt (Abb. 2) der Heizlastberechnung für Raum 115 ist für die beiden Wohnungstrennwände "IW0 Bn" eine innere Heizlast von 315 W und 348 W ausgewiesen. Das ist die "Reserve"-Heizlast.
Im Vergleich zu der Heizlast der anderen Bauteile ist diese sehr hoch. Die Raumheizlast, inklusive "Reserve", geht in die Fußbodenheizungsauslegung mit 1.589 W bzw. 62 W/m2 ein. Die Alternative, ohne "Reserve"-Heizlast, beträgt 926 W bzw. 36 W/m2. Das ist die eigentliche Raumheizlast, mit der die Auslegung der Fußbodenheizung durchgeführt werden sollte!
In Abb. 3 wurden daraufhin zwei Sachverhalte dargestellt: Im linken Diagramm zeigt sich das Maß der Überversorgung der Heizkreise 111 bis 125 in Balkenform (am rechten Rand die absoluten Zahlenwerte in Prozent).
Alle Werte über 100 Prozent rechtfertigen dabei eine andere Vorlauftemperatur – das ist bei der Drossel-Regelung aber nicht möglich. Im rechten Diagramm werden die Temperaturen des Heizwassers in Balkenform dargestellt. Der rote Balken steht für die Auslegungstemperatur von 47/37 °C für den ungünstigsten Heizkreis des Gebäudes. Alle Kreise des Gebäudes werden mit dieser gleichen Temperatur versorgt. Der grüne Balken steht jeweils für die Temperatur, mit der jeder einzelne Heizkreis ausgelegt und betrieben werden müsste, um eine Überversorgung zu vermeiden. Am rechten Rand steht die richtige Vor- und Rücklauftemperatur, die dem grünen Balken entspricht.
Am Beispiel des Heizkreises (Abb. 4) für Raum 115 sollen jetzt die drei alternativen Auslegungstempera-turen erläutert werden:
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Balken A – Stellt mit 67 W/m2 die gemeinsame Vorlauftemperatur für alle Heizkreise dar. Daraus resultiert eine Auslegungstemperatur von 47/ 37 °C bei einem Wärmedurchgangswiderstand von 0,10 (m2K)/W und einer Raumtemperatur von Ti = 20 °C.
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Balken B – Das ist die Auslegungstemperatur für den Raum 115 mit 45/ 35 °C und 62 W/m2. Das ist die Raumheizlast inklusive der "Reserve" durch die beiden Wohnungstrennwände.
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Balken C – Diese Auslegungstemperatur von 37/27 °C deckt die Heizlast des Raumes 115 ohne die "Reserve"-Heizlast. Diese liegt bei 926 W bzw. 36 W/m2. Nur diese Variante steht für einen Betrieb ohne Überversorgung. Das ist die wirtschaftlichste Betriebstemperatur für diesen Heizkreis – gleichzeitig wird ein Maximum an thermischem Komfort generiert.
Nicht alle Räume des Gebäudes grenzen mit Wohnungstrennwänden an eine Nebenwohnung und haben somit keine "Reserve"-Heizlast. Diese "Reserve"-Heizlast und die daraus resultierende Wassermenge wird in der Praxis nicht in Anspruch genommen, deshalb entsteht eine extreme Disharmonie der Wassermengen der einzelnen Räume.
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