Installation

Ganzheitliche Betrachtung von Gebäuden gefragt

Präzise Aussagen mit dynamischer Gebäudesimulation/-bilanzierung

Dienstag, 22.06.2021

Klimaneutrale Gebäude im Jahr 2050 sind das erklärte Ziel des Klimaschutzes in der EU und damit auch in Deutschland. Immobilien müssen dann im Durchschnitt den Standard KfW-Effizienzhaus 55 oder den Passivhausstandard nicht nur rechnerisch erfüllen, sondern ihn auch in der realen Nutzung einhalten. Dafür sind Konstruktion, Anlagentechnik und Ausstattung eng aufeinander abzustimmen. In diesem Zusammenhang gewinnt die dynamische Gebäudesimulation und -bilanzierung an Bedeutung: Ein integrales Vorgehen und stetiges Monitoring hilft, die energetischen Wirkungsfähigkeiten bestmöglich auszuschöpfen.

Grafik: Energiebilanzdefinition.
Quelle: Lauterbach | München | Darmstadt | Berlin | Münster | bauart-ingenieure.de, in Anlehnung an: www.sv-geb.de/ fileadmin/fotos/Energiefluss.jpg
Energiebilanzdefinition.

Nicht zuletzt die „Fridays for Future“-Bewegung und die Corona-Krise haben den Fokus auf die Themen „Schutz der Umwelt“ und „Nachhaltigkeit“ gelenkt. Bauwerke können hier einen erheblichen Beitrag leisten, denn sie verursachen rund 35 Prozent des Endenergieverbrauchs und etwa 30 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland. Unter diesem Gesichtspunkt ist ein Verschärfen der energetischen Anforderungen, die das Gebäudeenergiegesetz (GEG) 2020 formuliert, für das Erreichen der Klimaschutzziele absehbar. Automatische Regelungs- oder Abschaltfunktionen, zum Beispiel Kontaktschalter, die bei geöffnetem Fenster die Heizung herunter regeln, zielen schon jetzt in diese Richtung.

Solche und weitere Einsparpotentiale zu finden und Anforderungen der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA) zu erfüllen, erleichtert die Digitalisierung. Das gilt auch für die Planungsmethoden und Prozesse der Baubranche: Beim Building Information Modeling (BIM) arbeiten die Projektbeteiligten von Beginn an koordiniert an einem zentralen, digitalen 3D-Modell („Gebäudezwilling“). Darin sind alle Bauteile nicht nur grafisch dargestellt, sondern auch mit relevanten Informationen, wie Abmessungen, Materialien und weiteren Eigenschaften, verknüpft. Hieraus lassen sich wiederum Nachweisdokumente generieren – etwa ein Energieausweis und die Unterlagen, die im Rahmen der Planung, Ausführung oder des Betriebs eines Projekts der TGA nach der Richtlinie VDI 6026 Blatt 1 („Dokumentation in der technischen Gebäudeausrüstung – Inhalte und Beschaffenheit von Planungs-, Ausführungs- und Revisionsunterlagen“) zu erstellen sind.

Nachhaltige Häuser sollten auf allen Ebenen für einen energiesparenden Betrieb ausgelegt sein. Denn der Erfolg stellt sich nicht automatisch durch die Verbesserung von einzelnen Bauteilen oder durch Austausch oder Ergänzung der TGA ein. Vielmehr zählt das Zusammenspiel: Welche Auswirkungen hat es zum Beispiel, wenn die Klimaanlage nicht auf den Sonnenschutz abgestimmt ist? Ein typischer Fall, wie in der Praxis Energie und Geld verschwendet wird – speziell in Bürobauten.

Grafik: Statisches Bilanzverfahren.
Quelle: bauart – Beratende Ingenieure, Lauterbach; in Anlehnung an: Mindrup, K.; Vorlesungsskript zu „Modellierung dynamischer Systeme“, Technische Universität München; München; 2018
Statisches Bilanzverfahren.
Grafik: Dynamisches Bilanzverfahren.
Quelle: Lauterbach | München | Darmstadt | Berlin | Münster | bauart-ingenieure.de
Dynamisches Bilanzverfahren.

Möglichst realitätsnahe Abbildungen erhalten

Sowohl neue Normen und Standards als auch das damit einhergehende zunehmende Errichten von energetisch hocheffizienten Projekten – wie Passiv-, Niedrigstenergie- und Plus-Energie-Bauten – stellen verstärkte Anforderungen an die Gebäudehülle und die TGA. Dementsprechend etabliert sich die dynamische Gebäudesimulation mehr und mehr als integrales Planungswerkzeug. Sie hilft, das komplexe thermische und energetische Verhalten geplanter und gebauter Immobilien abzubilden. So werden Wechselwirkungen mit dem Wetter vor Ort, den Nutzern sowie der TGA erfasst, Energieströme bilanziert. Die Simulationsergebnisse geben dann Auskunft über die zu erwartende Behaglichkeit und den rechnerischen Energiebedarf und erlauben, diese Kriterien zu optimieren.

Das Passivhaus (PH) genügt mit einem Heizwärmebedarf von maximal 15 kWh/(m2a) schon seit den 1990er-Jahren den Forderungen der EU-Gebäuderichtlinie 2010 und in der Folge dem GEG 2020, nach denen ab 2021 ausschließlich solche Bauten errichtet werden sollen, die ihren sehr geringen Energiebedarf überwiegend selbst decken („Niedrigstenergiegebäude“). Dort, wo ein PH nicht realisierbar oder gewünscht ist, kann die TGA mit energieeffizienten Geräten zentraler Bestandteil für den adäquaten Umgang mit Energie werden. Wichtig dafür ist, dass die Nutzer die Auswirkungen ihres Handelns auf den Verbrauch richtig beurteilen können. Zudem müssen die einzelnen Gewerke während der Entwurfs- und Bauzeit wissen und verstehen, wie sie miteinander wechselwirken. Bei solch einem ganzheitlichen Ansatz kann Automation dazu beitragen, 14 bis 62 Prozent bei thermischer und vier bis 21 Prozent bei elektrischer Energie einzusparen.

Einfluss auf die Behaglichkeit und Nachhaltigkeit in Gebäuden hat auch immer die jeweilige Raumsituation, also beispielsweise Möblierung, Ausstattung mit technischen Geräten, Grundriss, Akustik, Barrierefreiheit sowie die Art und Weise der Nutzung. Sie hat Effekte auf die Erwärmung und Befeuchtung eines Gebäudes von innen. Auch lassen sich Raum- und Oberflächentemperaturen in Abhängigkeit vom eingesetzten Heiz- und Kühlsystem zeitabhängig betrachten.

Von Bettina Gehbauer-Schumacher
Smart Skript – Fachkommunikation für Architektur und Energie
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