Die theoretische Vorerkundung hatte das Projekt „Erdeisspeicher I“ der Hochschule München zum Inhalt: Geothermie aus Tiefen bis etwa 5 m im großen Stil in Agglomerationen zu verwerten. 2019 schloss es ab. Dem Ergebnisbericht zu Folge favorisiert der damalige Forschungsleiter Prof. Dr.-Ing. Volker Stockinger den Erdeisspeicher überall dort, wo wenig Fläche zur Verfügung steht und idealerweise gleichzeitig Wärme- und Kältebedarfe vorherrschen: „Ab 30 bis 40 Wohneinheiten, etwa am Stadtrand oder in der Nähe von unverbaubaren Grünflächen wie Parks, sind kalte Nahwärmenetze eine geeignete klimafreundliche und relativ preiswerte Lösung.“
Die vergrabenen Stockwerke verwerten das unterschiedliche jahreszeitliche Angebot. Wenn die Oberfläche im Winter zufriert, heißt das nicht, dass die tieferen Erdschichten mit den Rohrschlangen ebenfalls vereisen. Meist ist im Boden bei 80 cm Schluss mit dem Frost. Umgekehrt kann sich im Sommer die Oberfläche erwärmen, während die unteren Bereiche noch kalt bleiben und so helfen, Wohnungen im Sommer zu klimatisieren. Somit liefert der Erdeisspeicher immer zur richtigen Zeit das, was gebraucht wird: Wärme im Winter und Kälte im Sommer. Die künstliche Regeneration mit PVT-Kollektoren (PV = Photovoltaik; T = Solarthermie) und das Zweikreissystem räumen zudem die Option ein, den natürlichen Speicher gestuft zu beladen, eventuell 15 °C im obersten Stockwerk und 8 bis 10 °C im Parterre. Gestapelte Wärme, wie im Warmwasser-Zonen- oder -Schichtenspeicher.
Senke für Abwärme
Im Frühling kommt es zu einem Phasenwechsel. Das Eis verflüssigt sich und die Schmelzenergie belädt die Erdmasse. Die Protagonisten sprechen denn auch vom PCM-Effekt: Wasser als Phase-Change-Material (= Phasenwechsel-Material). Die Mineralogie gestattet des Weiteren, bei Realisierung eines entsprechenden Schemas, sie mit Abwärme aus der Kühlung in Supermärkten oder aus Industrieanlagen zu regenerieren. Oder das System greift zur thermischen Nachfüllung des Bodens gezielt auf die Kilokalorien aus Solarkollektoren zurück, wie es bei „ErdEis II“ in Schleswig via PVT-Modulen passieren wird.
„Wir sind gespannt, wie der konkrete Kältebedarf aussieht und wie weit wir die Lagen deshalb im Winter abkühlen müssen“, so Björn Ohlsen, Projektingenieur bei der Energie Plus Concept GmbH (EPC), Nürnberg, gegenüber dem HeizungsJournal. Das Dienstleistungsunternehmen ist im Wesentlichen in der Beratung im Bereich effiziente und nachhaltige Energiekonzepte für Siedlungen, Quartiere und Liegenschaften tätig. In „ErdEis II“ ist EPC insoweit eingebunden, als Geschäftsführer Volker Stockinger den Vorversuch „ErdEis I“ leitete und sein Beratungsbüro für „ErdEis II“ mit der Messtechnik beauftragt ist. Dazu werden in Schleswig die Abnehmer beobachtet, Temperatur- und Feuchtefühler im Boden verlegt und anderes.
Das Bebauungsgebiet hängt an insgesamt vier Bodenkollektoren sowie der PVT-Anlage auf dem Dach der Feuerwache. Die vier Wärmeübertragersysteme im Erdreich verteilen sich auf zwei einlagige übliche Flachkollektoren und die beiden separaten vierlagigen Erdeisspeicher unter der Wiese und dem Regenrückhaltebecken. „Der Vorteil der Trichter aus vier Lagen ist eben, dass ich auf einer begrenzten Fläche mehr Wärme herausbekomme. Natürlich beeinflussen sich die einzelnen Etagen durch Kurzschluss gegenseitig, aber der Ertrag ist wesentlich höher gegenüber einer einlagigen Ausführung. Von doppellagigen Ausführungen liegen uns Ergebnisse vor. Die bestätigen das. Die Vierer-Ausführung soll uns zeigen, ob es noch platzsparendere Möglichkeiten der Nutzung oberflächennahster Geothermie gibt. Bisher konzentrieren sich Großkollektoranlagen auf den ländlichen Raum, auf Neubaugebiete mit ausreichend Acker oder einer Freifläche in der Umgebung. Je mehr man in die Städte hineinkommt, desto geringer ist das Flächenangebot. Mit welcher Konfiguration können wir, wenn wir nicht in die Tiefe dürfen, das Optimum an Wärme entnehmen? Das wollen wir wissen.“