Erneuerbare Energien

Gestapelte Erdwärme

Freitag, 24.09.2021

Hinzu komme: „Wegen des Klimawandels mit zunehmenden sommerlichen Temperaturen wollen immer mehr Eigentümer ihr Haus auch kühlen können. Der Kühlbedarf wird in den nächsten Jahren noch deutlich steigen. Internationale Studien sprechen von einer Verdreißigfachung in den nächsten 50 Jahren weltweit. Deutschland wird es nicht so extrem treffen wie andere Länder, aber der generelle Wunsch ist da. Das Mehrlagensystem lässt prinzipiell zu, das Angebot dem Bedarf anzupassen. Wir können Kälte in den Sommer retten, wenn wir den Kollektor als Zweikreis- oder Mehrkreissystem aufbauen. Weil man mit den oberen Schichten die natürliche Regeneration durch die Sonne unten etwas abschirmen kann und die Zone in der Tiefe quasi als Kühlpotential stabilisiert. Das wollen wir ausprobieren. Es ist ein Forschungsvorhaben, wir werden ein bisschen »rumspielen«. Am Anfang der Heizperiode will man natürlich trotzdem wieder ein möglichst warmes Erdreich. Deshalb ist das eine ganz spannende Sache mit der Steuerung und Regelung. Wie hat man das auszutarieren, um wirtschaftlich optimal zu bleiben.“

Der Wunsch nach Kühle

Die PVT-Module auf der Feuerwache liefern sowohl Strom als auch Wärme. Das Hydraulikkonzept sieht vor, je nach Jahreszeit, mit der Solarenergie die kalte Nahwärme nachzuheizen beziehungsweise die Bodenkollektoren zu regenerieren. „Kommt im Sommer viel Wärme vom Dach, werden wir sie zielgerichtet in bestimmte Kollektoren beziehungsweise in die ausgewählte Schicht einspeisen. Wir werden einzelne Ebenen für den Winterbetrieb bedienen, ohne das momentane Kühlpotential anderer Felder und Ebenen anzugreifen. Es ist ein faszinierendes Vorhaben. Ein Erdeisspeicher wurde noch nie gebaut. Natürlich fuhren wir schon erste Simulationen. Die sehen vielversprechend aus. Aber das beeinflusst sich alles so gegenseitig, dass man die realen Verhältnisse kaum mit Simulationen wirklich 1:1 abbilden kann. Wir werden es einfach mal ausprobieren und sehen dann, ob wir zu viel Kälte oder zu viel Wärme haben und wie wir für eine optimale Nutzung sommers wie winters steuern müssen. In jedem Fall werden wir im Spätwinter in den unteren Lagen auf die Vereisung gehen“, erklärt Ohlsen.

Die Betonung liegt auf „den unteren Lagen“. Deshalb, „weil wir aufpassen müssen – und deswegen auch intensive Simulationen –, dass nicht die künstliche Eisschicht von unten mit der natürlichen Eisschicht von oben, mit dem Bodenfrost, zusammenwächst. In diesem Fall käme es zu Bodenhebungen. Wir müssen genau messen, wie sich das mit der Vereisung verhält. Ebenfalls, ob man den Boden wirklich schön gleichmäßig eingefroren bekommt oder ob sich doch an einzelnen Stellen deutlich tiefere Temperaturen ergeben. Es wäre nichts gewonnen, wenn die Netztemperatur zu weit absinkt, dann geht beim Heizen die Effizienz verloren. Die Solaranlage sollte in jedem Fall als intelligente Regenerationsquelle einspringen und natürlich leistungsfähig genug sein, um das Speicherpotential noch besser ausnutzen zu können. Auch das ist das Interessante an dem Projekt, dass wir mit den PVT-Modulen die Chance haben, zu testen, wie sich die zwei Systeme am besten ergänzen.“

Grafik: Ganzjähriger Betrieb eines Erdeisspeichers in Schleswig.
Quelle: Energie Plus Concept
Zum Betrieb eines Erdeisspeichers: Winter: Der Speicher kühlt immer weiter aus, das Erdreich um den Kollektor gefriert. Frühling: Am Ende der Heizperiode ist die tiefste Temperatur erreicht. Oben beginnt jedoch schon wegen der zunehmenden Außentemperaturen die Regeneration. Sommer: Der Speicher taut komplett von oben nach unten auf. Die trotzdem noch sehr niedrigen Temperaturen können zur kostengünstigen Kühlung der Räume eingesetzt werden. Herbst: Bei niedrigen Außentemperaturen steht bereits Wärme zur Raumbeheizung zur Verfügung.

Rangierbahnhof für Wärme und Kälte

Regelungstechnisch sieht das Schema einige findige Varianten vor. Um nur einen Punkt herauszugreifen: Für den Kühlbetrieb im Sommer wird die Hydraulik quellenseitig die oberste Lage nicht ansteuern, sondern auf die niedrigeren Erdreichtemperaturen in der Umgebung der unteren Rohrarchitektur zugreifen. Das schmälert aber den COP zur Trinkwassererwärmung via Wärmepumpe. Um trotzdem ohne merkbare Verluste gleichzeitig Brauchwarmwasser erzeugen und passiv kühlen zu können, temperiert die Wärmepumpe Teile des Warmwassers mit der Abwärme aus dem Gebäude. Das macht sie, indem sie sich an dem Wärmeübertrager bedient, der die Wärmepumpe vom Quellennetz abkoppelt. Die Raumwärme verzweigt sich hier sowohl zum nachhaltigen Trinkwarmwasserbereiter als auch zum Erdkollektor und damit zur Regeneration des Bodens. Wenn die Abwärme aus dem Gebäude nicht ausreicht, muss zusätzliche Quellenwärme das Defizit decken. „Das kalte Nahwärmenetz fungiert als eine Art Rangierbahnhof für Wärme und Kälte“, beschreibt Volker Stockinger diesen Fall.

Weiterführende Informationen: https://ht-steinhaeuser.de/

Von Bernd Genath
Düsseldorf
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