Die Heizungsbranche stand in den vergangenen zwei Jahren so stark im Fokus der Öffentlichkeit wie nie zuvor. Nachdem sich der Streit um das Gebäudeenergiegesetz (GEG) erst einmal gelegt hat, bietet sich allerdings langsam wieder Gelegenheit, auch jenseits des Zankapfels „Wärmepumpe“ zu diskutieren.
„Hat Effizienz eigentlich keine Lobby?“
Interview mit Bernd Scheithauer, Portfoliomanager bei Danfoss
Freitag, 04.10.2024
Bernd Scheithauer, Portfoliomanager bei Danfoss und im Heizungsmarkt als „Mr. Hydraulischer Abgleich“ bekannt, erklärt im HeizungsJournal-Interview, weshalb ihm zu viel über Wärmeerzeuger und zu wenig über in Summe effiziente Heizanlagen gesprochen wird.
Herr Scheithauer, das Thema „Heizen“ war schon lange nicht mehr so politisch wie in der jüngeren Vergangenheit. Dominierte nach Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine zunächst die Angst vor einer Gasversorgungskrise, war das Folgejahr geprägt von der scharfen Debatte um das GEG und die Wahl des „richtigen“ Wärmeerzeugers. Aktuell hat sich die Lage wieder beruhigt, der Heizungsmarkt ist aber regelrecht eingebrochen. Wie bewerten Sie die zurückliegende Entwicklung?
Ich blicke auf eine für den Verbraucher irreführende Debatte. Das neue GEG war in vielerlei Hinsicht wichtig, in der Öffentlichkeit wurde aber fast nur über das Thema „Wärmeerzeuger“ gesprochen. Bei Otto Normalverbraucher muss – verkürzt gesagt – der Eindruck entstanden sein: „Wenn ich das Klima schützen will, muss ich eine Wärmepumpe einbauen.“ Dass das GEG auch eine Prüfung und gegebenenfalls Optimierung bestehender Heizanlagen vorsieht, ist in der Debatte komplett unter die Räder gekommen. Abseits der Fachkreise hat das kaum jemand registriert, geschweige denn thematisiert. Dabei wäre es dringend notwendig, das Thema „Effizienz“ in den Mittelpunkt zu rücken, sowohl mit Blick auf die Optimierung bestehender Heizungsanlagen als auch mit Blick auf die Nachplanung – also die Anpassung des neuen Wärmeerzeugers an das System „Gebäude“. Eine Schlüsselrolle spielt hier wie dort der hydraulische Abgleich nach Verfahren B, der auch im GEG verankert ist. Dieser hydraulische Abgleich unter Berücksichtigung der vereinfachten raumweisen Heizlast ist der Grundstein jeder Anlagenoptimierung und jeder Nachplanung und reduziert bei korrekter Durchführung den Energiebedarf um sieben bis 15 Prozent. Aber davon spricht momentan fast keiner. Stattdessen wird landauf, landab nur über die Wärmepumpe als Allheilmittel oder Kostenfalle geredet – dabei entspricht weder das eine noch das andere der Wahrheit.
Nur weil etwas nicht breit in der Öffentlichkeit diskutiert wird, heißt das aber ja noch nicht, dass in der Praxis nichts geschieht. So schreibt etwa die – zugegebenermaßen umstrittene – EnSimiMaV (Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über mittelfristig wirksame Maßnahmen) bereits seit September 2022 den hydraulischen Abgleich verpflichtend vor, wenn auch nur bei großen Wohn- und Zweckbauten mit Gaszentralheizung. Und das GEG droht jetzt sogar eine Geldstrafe in Höhe von 5.000 Euro an, wenn der hydraulische Abgleich nicht durchgeführt wird.
Die EnSimiMaV – die demnächst (Anm. d. Red.: zum Oktober 2024) ohnehin ausläuft – war letztlich reine Symbolpolitik, denn sie war nicht strafbewehrt. Wer seine Anlage nicht abgeglichen hat, musste keine rechtlichen Konsequenzen fürchten. Dementsprechend ist auch nicht viel passiert. Nach allem, was ich weiß, wurde die EnSimiMaV in weniger als zehn Prozent der betroffenen Gebäude auch wirklich umgesetzt.
Beim GEG hat man hieraus offenbar gelernt …
Ja, aber ganz ehrlich: Wer wird das überprüfen? Wer hat die Kompetenzen und vor allem die Kapazitäten, die Umsetzung ernsthaft zu kontrollieren? In der Praxis wird es dabei bleiben, dass der Abgleich zwar ordnungsgemäß dokumentiert, aber faktisch nur unzureichend durchgeführt wird. Und zwar nicht, weil uns Handwerker fehlen, sondern weil wir zu wenige Kopfwerker haben. Wir bewegen uns im Bestand im Aufgabenfeld der Systemanalyse. Und das ist nicht die primäre Aufgabe eines Heizungsinstallateurs! Meiner Einschätzung nach sind nur zehn Prozent der Heizungsinstallateure in der Lage, einen hydraulischen Abgleich so durchzuführen, dass er den Energiebedarf spürbar absenkt. Vor diesem Hintergrund verwundert es mich nicht, dass maximal 20 Prozent der Gebäude in Deutschland korrekt hydraulisch abgeglichen sind – und auch das zum Teil nur auf dem Papier. Anders ausgedrückt: Mindestens 80 Prozent der Verbraucher heizen ineffizient. Das fehlende Fachwissen ist daher das eigentliche Problem, das wir haben. Ernsthaft angegangen wird das jedoch kaum. Und offen gesagt: Schon die EnSimiMaV konnte nie und nimmer mit dem vorhandenen Fachpersonal realisiert werden. Da frage ich mich dann schon, ob das die beratenden Institutionen der Politik eigentlich nicht erzählt haben?
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