Installation

„Hat Effizienz eigentlich keine Lobby?“

Freitag, 04.10.2024

Gerade die Wärmepumpe braucht mehr als jede andere Heiztechnologie eine detaillierte Nachplanung und insbesondere einen gut durchgeführten hydraulischen Abgleich, da ihre Jahresarbeitszahl mit möglichst niedrigen Vorlauftemperaturen – oder besser: einer geringen Übertemperatur – steht und fällt. Und genau diese entscheidende Optimierung der Vorlauf- bzw. Übertemperatur wird durch Nachplanung und Abgleich erreicht. Ohne Nachjustierung der Heizanlage und insbesondere einen fachgerechten hydraulischen Abgleich wird das technisch brillante Produkt „Wärmepumpe“ an die Wand gefahren, weil die Betriebskosten langfristig unnötig hoch sind. Das mag ein hartes Urteil sein. Aber der durch die Hersteller vermittelte Eindruck, dass eine Wärmepumpe eine Gasheizung ohne nennenswerte Zusatzmaßnahmen Eins-zu-Eins ersetzen kann, ist schlichtweg falsch. Es braucht eine präzise Nachplanung – und der hydraulische Abgleich sollte nicht nur auf dem Papier stehen.

Quelle: HeizungsJournal
„Dass das GEG auch eine Prüfung und gegebenenfalls Optimierung bestehender Heizanlagen vorsieht, ist in der Debatte komplett unter die Räder gekommen. Abseits der Fachkreise hat das kaum jemand registriert, geschweige denn thematisiert. Dabei wäre es dringend notwendig, das Thema »Effizienz« in den Mittelpunkt zu rücken, sowohl mit Blick auf die Optimierung bestehender Heizungsanlagen als auch mit Blick auf die Nachplanung – also die Anpassung des neuen Wärmeerzeugers an das System »Gebäude«“, erklärte Bernd Scheithauer (re.) auch im Messegespräch auf der SHK+E 2024 in Essen mit Michael Beyrau (li.), riba:businesstalk, und HeizungsJournal-Chefredakteur, Jörg Gamperling.

Durch das Wärmeplanungsgesetz und die Pflicht zur kommunalen Wärmeplanung wird die Wärme-pumpe nun allerdings voraussichtlich nicht so marktbeherrschend werden, wie in der Öffentlichkeit zum Teil noch immer angenommen. Vielmehr werden wir in Zukunft vor allem in urbanen Räumen mehr Fernwärmenetze haben. Was heißt das für die Nachplanungs-Thematik?

Auch ein Wärmenetzanschluss sollte immer eine Nachplanung der Heizanlage nach sich ziehen – schon alleine deshalb, weil die Anlage so gut wie möglich auf die Vorlauftemperatur des Wärmenetzes angepasst werden muss. Zudem werden Fernwärmenetze in Zukunft vermehrt auf Basis von Großwärmepumpen betrieben, was die Entwicklung in Richtung Niedertemperaturnetz verstärken wird. Dann fallen die primären Temperaturen von 90 oder gar 130 °C auf 60 °C und dementsprechend effizient müssen die Heizanlagen in den Wohnungen funktionieren, um trotz niedrigerer Vorlauftemperaturen den Wohnkomfort hochzuhalten. Auch hier gilt letztendlich: Einfach drauf losstürmen, eine Übergabestation einbauen und irgendwie abgleichen, funktioniert schlichtweg nicht. Der Fachplaner muss eine solide Nachplanung durchführen und braucht die entsprechenden Fähigkeiten. Daher: Zuerst „kopfwerken“, dann „handwerken“. Die Enttäuschung ist sonst auf allen Seiten groß. Dasselbe gilt übrigens auch, wenn Hybridsysteme eingebaut werden oder sich der Anwender doch noch einmal für eine moderne, effizientere Öl- oder Gasheizung entscheidet. Ohne vernünftige Nachplanung geht es nicht – und die logische Vorgehensweise ist dabei nahezu immer gleich!

Wenn die Nachplanung so entscheidend ist und das eigentlich alle Experten auch wissen müssten – warum wird dennoch öffentlich so wenig darüber gesprochen?

Das ist eine gute Frage. Allem Anschein nach haben vor allem die Lobbyisten der führenden Wärmepumpenhersteller ganze Arbeit geleistet und Politik und Medien dahingehend beeinflusst, dass das Thema „Wärmeerzeuger“ im Vordergrund stehen sollte. Auch das GEG vernachlässigt in der Gesamtbetrachtung Effizienzfragen zugunsten des Heizungstauschs. Insofern kann man sich schon fragen: Hat Effizienz eigentlich keine Lobby?

Doch es kann nicht sinnvoll sein, hunderttausende funktionierende Heizungen zu demontieren und dem Verbraucher vorzugaukeln, dass der schnelle Einbau einer elektrischen Wärmepumpe die einzige Lösung sei. Dadurch wird das Thema „Energieeffizienz“ gekonnt umschifft und die Hersteller solcher Systeme freuen sich natürlich, denn das bedeutet mehr Umsatz. Dass die neuen Anlagen dann ineffizient arbeiten, scheint dabei kaum jemanden zu kümmern. Das ist aber eben das Ergebnis schlechter Politik und guter Lobbyarbeit. Aber, um es nochmal klarzustellen: Wir haben letztendlich kein Komponentenproblem – sondern ein „Systemproblem“!

Politisch könnte sich nächstes Jahr angesichts der Bundestagswahl in Deutschland einiges ändern: Ein Regierungswechsel scheint angesichts der Umfragewerte nicht unwahrscheinlich. Gleichzeitig hat sich die Opposition im Bundestag oftmals gegen das aktuelle GEG platziert, wenngleich es zuletzt auch versöhnlichere Signale gab. Könnte es sein, dass die ganze Thematik – Heizungstausch plus Nachplanung – bald wieder weitgehend vom Tisch ist und das GEG womöglich sogar „einkassiert“ wird?

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